Protest gegen Geflüchtetenunterkunft: Ausschreitungen vorm Kreistag

Bei einem Protest gegen eine Geflüchtetenunterkunft wollen Demonstrierende eine Kreistagssitzung stürmen. Darunter Rechtsextreme.

Polizisten mit m Rücken zur Kamera, dahinter Demonstrant:innen mit Schildern

Kundgebung vor dem Kreistag am Donnerstag in Grevesmühlen Foto: Malte Behnk/Ostsee-Zeitung /dpa

HAMBURG taz | Als die Lage eskalierte, musste die Polizei aufgebrachte Demonstrierende davon abhalten, zur Sitzung des Nordwestmecklenburger Kreistags vorzudringen. Auf der Dringlichkeitssitzung in der Grevesmühlener Malzfabrik beschloss dieser an jenem Donnerstagabend gerade mit knapper Mehrheit, eine neue Flüchtlingsunterkunft im nahen Upahl einzurichten.

Schon früher am Abend hatten sich vor der ehemaligen Fabrik an die 700 Demonstrierende zum Protest gegen die Unterkunft versammelt. Die Personen kamen überwiegend aus dem bürgerlichen Spektrum, erklärt auf taz-Anfrage Jessica Lerke, Pressesprecherin der Polizei. Es seien aber auch Personen aus der rechtsextremen Szene und dem Hooligan-Milieu dabei gewesen.

Rony Wolf von der Recherchegruppe Ast wird da deutlicher: „Aus dem Umfeld der rechtsextremen Szene aus Jamel um Sven Krüger kamen viele Akteure.“ Der kleine Ort, in dem fast nur Rechtextreme wohnen, ist keine 15 Kilometer von Upahl entfernt. Auf der Demonstration, bei der auch Kinder und Jugendlichen anwesend waren, wurden vor dem Gebäude alt bekannte Parolen gerufen wie: „Wir sind das Volk“.

Die Atmosphäre hätte sich schnell aufgeheizt, sagt Wolf. Pyrotechnik wurde gezündet, Po­li­zei­be­am­t*in­nen verbal angegangen. Die Demonstrierenden machten mit Trillerpfeifen und Scheibenklopfen lautstarken Lärm.

Container für 400 Menschen

Die Situation drohte weiter zu eskalieren, als eine Person sich mit einem Trick Eintritt in das Gebäude verschaffte und dann versuchte, von innen eine Tür für weitere Personen zu öffnen. Krüger hätte diese Aktion mit bis zu 15 Männern forciert, erzählt Wolf. Die Polizei war anfänglich mit 60 Be­am­t*In­nen vor Ort. Erst später konnten rund 120 Po­li­zei­be­am­t*in­nen den Protest eindämmen.

Ab dem 1. März soll im Industriegebiet von Upahl ein Containerdorf für etwa 400 Geflüchtete gebaut werden. Seit dem vergangenen Wochenende hatte sich der Protest gegen die Unterkunft auf einem Gelände der Wirtschaftsförderungsgesellschaft formiert. „Upahl sagt Nein“, verkündet ein Transparent an der Straße der Gemeinde mit rund 1.660 Einwohner*innen.

Zuvor war noch ein anderer Ort im Gespräch gewesen: Gägelow. Im Rat der Gemeinde, zu der Jamel gehört, wurde die Idee aber nicht lange verfolgt. Dem Gemeinderat gehört Krüger mit seiner „Wählergemeinschaft Heimat“ an. Über ihre Facebookseite machten die drei Mandatsträger der Wählergemeinschaft massiv Stimmung gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft in der Region. Doch nicht alleine aus diesem Spektrum sei der Protest angeheizt worden, sondern auch aus Kreisen der AfD, sagt Wolf.

Im Grevesmühlener Sitzungssaal konnten Anwohnende nun am Donnerstagabend ihre Einwände vortragen. Dem Kreistag, dem auch acht AfD-Mitglieder und ein NPD-Mitglied angehören, lagen zudem mehrere Anträge vor: In einem wurde vorgeschlagen, auf den Bau zu verzichten, in einem anderen, die Kapazität auf 250 Bewohnende zu begrenzen.

Nicht nur AfD und NPD dagegen

Nach 20 Uhr stimmte der Kreistag der Unterkunft wie ursprünglich geplant zu. Der Beschluss wurde nur von einer knappen Mehrheit getragen – es dürften also neben AfD und NPD auch andere dagegen gestimmt haben. Nach der Sitzung verkündete Landrat Tino Schomann (CDU) die Entscheidung. Sie sei notwendig geworden, um zu verhindern, dass Sporthallen zur Unterbringung genutzt werden müssten.

„Ich verstehe die Sorgen der Anwohner und kann nur versichern, dass wir alles tun werden, um die Belastung für sie so gering wie möglich zu gestalten“, betonte Schomann. Am 3. Februar ist in Grevesmühlen eine Dialogveranstaltung geplant.

Die Polizei hat mittlerweile mehrere Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten, Verdachts des schweren Hausfriedensbruchs sowie Verstößen gegen das Versammlungsgesetz eingeleitet.

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