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Wurde nicht „Nein heißt nein“ vor Jahren von feministischen Gruppen gefordert und als die Lösung dargestellt. Warum ist es dann heute auf einmal nicht mehr gut genug. Wie hier bereits mehrfach geschrieben, kommt es am Ende in beiden Konstellationen auf die Beweisbarkeit an. Ja heißt ja hat für mich das Problem, dass ich meine Partnerin im Prinzip ja vor jeder Bewegung, jedem Stellungswechsel etc explizit fragen müsste, um mich nicht in die Nesseln zu setzen. Das ist bei nein viel einfacher. Ein echter Gewalttäter dagegen wird weder fragen noch sich von einem Nein davon abbringen lassen.
Zwei Punkte noch zu Frau Schmollak:
1. Die EU besteht aus 27 Staaten, nicht nur aus den 2, die schon eine "Ja heißt Ja" haben. Und von den übrigen 25 haben 18 Staaten ein deutlich milderes Sexualstrafrecht, da sie ohne nachgewiesene Gewaltanwendung keine Vergewaltugung annehmen. Das mag man gesellschaftspolitisch bedauern, aber das ändert nichts daran, dass auch diese milden Regelungen allesamt dort demokratisch legitimierte Rechtslage sind. Ein europarechtliches, zwingendes Hieven Aller auf das derzeit höchste Schutzniveau ist da Alles andere als selbstverständlich. Außerdem würde das wahrscheinlich auch europakritischen Stimmen Vorschub leisten, die Brüssel nur zu gerne als eine übergriffige, demokratisch nicht wirklich fassbare Willkür-Herrscherin darstellen. Strafrecht, und insbesondere Sexualstrafrecht, IST eben ein sensibles Thema.
2. Strafrecht ist das schärfste Schwert im Arsenal des Rechtsstaates, und damit auch der GANZ grobe Klotz. Es eigntet sich daher nur sehr bedingt für das Feilen an Mentalitätsdefiziten. So wichtig das Bewusstsein ist, sich selbst beim Sexualakt dafür verantwortlich zu fühlen, sicherzustellen dass der Partner den auch will, so schwierig ist dieses Bewusstsein mit einer Strafnorm zu schaffen, die zwar in Sachen pädagogischer Impetus und Strafandrohung weitreichend aber in der Durchsetzbarkeit eher kurzatmig ist. Wichtiger wäre es, den Gesetzestext so zu gestalten, dass das, was er unterStrafe stellen will, auch bestraft werden KANN. Das ist bei Vergewaltigung bekanntlich schwer genug, und "Ja heißt Ja" ist in der Hinsicht keine Verbesserung.
Gewiefte Manipulation von Narzissten, bei der keinerlei Gewalt angedroht wird, ein Nein wegen einer gewissen Persönlichkeitskonstellation oder Vorerfahrungen aber nicht möglich ist, scheint hiermit nicht abgedeckt zu sein. Oder ist das rechtlich schon geregelt?
@NavyBlue Ich bin kein Experte, aber an der Stelle sehe ich bei einer "Ja heißt ja" Regel auch ernsthafte Probleme. Denn warum sollte in den geschilderten Situationen "kein Ja" möglich sein?
Tatsächlich könnte ein Opfer aus Verzweiflung ja sagen, um es nicht noch schlimmer zu machen. Ab der Stelle hätte der Täter aber gewissermaßen einen Freifahrtschein, als ablehnend interpretierbare Gesten zu ignorieren. Vor Gericht müsste schließlich nachgewiesen werden, dass ein explizit gefallenes "Ja" ungültig war, weil echter oder gefühlter Zwang herrschte und letzteres aufgrund von Traumata ausreichend sei. Das sollte mindestens genauso schwierig sein, wie beim ausgebliebenen Nein.
@Fairchild670 "Ab der Stelle hätte der Täter aber gewissermaßen einen Freifahrtschein..."
Ganz so dramatisch ist es nicht. Auch bei "Ja heißt Ja" bleibt "Nein heißt Nein" weiterhin gültig. So ein "Ja" wäre also auch durch ein späteres "Nein" jederzeit widerrufbar. DAS ist nicht das Problem an der Regelung.
Das Problem ist, dass man die Geschichten, die Beschuldigter und mutmaßliches Opfer vor Gericht erzählen müssen, um ihren Fall durchzukriegen, noch so kunstvoll verfeinern kann - es gibt immer eine erzählbare Gegengeschichte, die das negiert. Man muss auch ein späteres "Nein" genauso beweisen, wie man die falsche Behauptung eines Beschuldigten widerlegen muss, es habe ein "Ja" gegeben (was nahezu unmöglich ist - wie mache ich ausreichend schlüssig, dass ich etwas NICHT getan habe?).
Am Ende ist es immer noch am hilfreichsten, die Umgebung mit "Nein"s vollzuschreien, um irgendwas objektiv beweisbar zu machen. Alles darunter ist IMMER eine Frage von Aussage gegen Aussage.
@Normalo Danke für die Aufklärung. Was das Hauptproblem der Nachweisbarkeit angeht, bin ich ganz bei Ihnen. Jetzt, da Sie mein vermeintliches Argument abgeräumt haben, scheinen mir "Ja heißt ja" und "Nein heißt nein" vor Gericht in wieder etwa gleich viel oder wenig wert zu sein.
Die ganze Diskussion kommt mir allgemein etwas zu emotions- und ideologiebeladen vor. Ich persönlich finde "Nein heißt nein" einfach von Grundsatz her etwas entspannter. Auch mit "Ja heißt ja" könnte ich leben - würde für mich in der Praxis eh keinen Unterschied machen. Aber wenn beide Optionen de facto gleichwertig sind, sehe ich keine Not für eine Gesetzesänderung.
@Fairchild670 Es geht beim Unterschied zwischen ja heißt ja und nein heißt nein weniger um Gaslighting als um das Ausnutzen von bewusstseinsmindernden Umständen.
Wer zu betrunken ist, um nein zu sagen, kann in der Regel auch nicht mehr ja sagen.
@Herma Huhn "Wer zu betrunken ist, um nein zu sagen, kann in der Regel auch nicht mehr ja sagen."
Wer so betrunken ist, kann aber später auch nicht mehr glaubhaft machen, dass es kein Ja gab. Und genau darauf kommt es bei der Strafverfolgung an. Schließlich gilt auch für Menschen, die der Vergewaltigung beschuldigt werden, die Unschuldsvermutung.
Ich kann nicht erkennen, was an "Ja heißt Ja" besser sein soll. Besonders, weil es absolute Interpretationssache ist, wofür ein Ja gilt. Nur für eine Kuss oder für mehr?
Mit Nein ziehe ich die Grenzen. Und das ist eindeutig.
Ich finde es schwierig, dass die „Ja“ Argumentation von einer Frau und die „Nein“ Argumentation von einem Mann kommt, auch wenn ich beiden gut folgen kann. Fragt sich nur, warum die EU es überhaupt aufs Tableau bringen sollte, wenn ihr eigentlich die Kompetenz fehlt. Ich denke, auch wenn es „nur“ einen symbolischen Charakter gehabt hätte (wie in Kommentar weiter unten erwähnt) es wäre wohl ein wichtiger Schritt gewesen. Es ist zum Verzweifeln! Wenn wir uns alle auf „Ja heißt Ja.“ einigen könnten, wäre so vielen Frauen das (Selbst)Bewusstsein gestärkt und vielleicht würde der ein oder andere Mann anfangen darüber nachzudenken…
@Juliane Götz "Wenn wir uns alle auf „Ja heißt Ja.“ einigen könnten, wäre so vielen Frauen das (Selbst)Bewusstsein gestärkt..."
Da sprechen Sie so ein wenig mein persönliches Problem mit dem Tanz um immer neue Verschärfungen des Strafrechts an: Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was es mit "Selbstbewusstsein" zu tun hat, für seine Entscheidungsfreiheit erst einzustehen, wenn sich Papa Staat mit der großen Strafrechtsknute dahinterstellt. Das erzieht doch gerade NICHT zu einem selbstbestimmten Leben auf Augenhöhe, sondern macht jeden Fortschritt vom Willen eines übermächtigen Beschützers abhängig. Aus meiner Sicht ist das der falsche Weg.
"Das Fehlen eines Nickens ist genauso schwer zu beweisen wie ein Kopfschütteln. Letztlich kommt es in strittigen Fällen immer auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen an."
Genau da liegt das eigentliche Problem.
Jedenfalls hat der Streit um Ja oder Nein dazu geführt, dass es überhaupt keine Reglung gibt. Das hilft Betroffenen am wenigsten.
Dazu kommt natürlich die Frage, ob die EU auf diesem Gebiet Regelungen treffen darf. Wenn nicht, ist so und so alles nur eine Luftnummer, die das Gewissen einiger Leute beruhigen soll...
@warum_denkt_keiner_nach? "Jedenfalls hat der Streit um Ja oder Nein dazu geführt, dass es überhaupt keine Reglung gibt. Das hilft Betroffenen am wenigsten."
Es gibt natürlich Länder-Regelungen. Nur keine einheitliche EU Regelung.
@Rudolf Fissner D ist ja recht fortschrittlich. Ich denke dabei vor allem an EU Länder, in denen es anders aussieht.
Die Frage hat eher symbolischen Charakter. Justiziabel ist auch die bisher angewandte Formulierung schwerlich, die nun geforderte ist nicht besser. Juristisch ist der Unterschied gering bis imaginär. Aber die Präzisierung trotzdem gesellschaftlich überragend wichtig. Die Annahme, man dürfte etwas tun, so lange dem nicht widersprochen wird, ist etwas ganz anderes als die klare Forderung nach Einverständnis. Im ersten Fall ist der gewünschte Sexualpartner Objekt, im zweiten Fall Subjektiv. Einen größeren Unterschied kann es nicht geben. Die Formulierung "Ja heißt ja" ist schon wirklich wichtig und wünschenswert.
@Benedikt Bräutigam "Juristisch ist der Unterschied gering bis imaginär."
Ist das wirklich so? Mit einem "Ja heißt Ja" geht quasi auch eine Beweislastumkehr im Strafrecht einher, welche sich mit dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" kaum vereinbaren lässt.
Auch die Tatsache, dass ein nationaler Gesetzgeber eine für gut und richtig befundene Regelung in Zukunft nicht mehr abändern könnte, halte ich nicht für "gering bis imaginär".
Wenn eine Mehrheit die Formulierung "Ja heißt Ja" möglicherweise für wichtig und richtig halten sollte, dann lasst uns das Für und Wieder doch im Rahmen eines normalen Gesetzgebungsverfahrens im Bundestag abhlaten. Dort gehört eine solche Debatte richtigerweise hin.
@Benedikt Bräutigam Nein die Ja heißt Ja Regel ist so nicht praktikabel. Denn die Ja heißt Ja Regel wird kompliziert, wenn man sich während dem Sex umentscheidet und doch nicht mehr möchte, dann muss man das Ja widerrufen. Auch müsste man bei jeder Sexpraktik erstmal nach dem Einverständnis fragen.
Ein Nein heißt Nein ist der Situation angemessener und anwendbarer während dem Sex.
@Walterismus Ja heißt ja, bedeutet doch nicht, dass ein anschließendes nein nicht mehr gültig wäre.
Wie kommen Sie auf diese Interpretation?
Wir sind von Hollywood und ähnlichen Produktionen darauf getrimmt, es romantisch zu finden, wenn ein Mann die Frau "führt", bis sie begeistert in seinen Armen liegt.
Aber es ist nicht romantisch, wenn Mann einfach tut und die Frau es sich gefallen lässt.
Miteinander zu sprechen und die Reaktionen des Gegenübers wahrzunehmen und darauf einzugehen ist essentiell in jeder Art von Interaktion. Auch im Bett (oder dem Rücksitz des Autos)
@Herma Huhn "Aber es ist nicht romantisch, wenn Mann einfach tut und die Frau es sich gefallen lässt."
Sind wir Frauen hilflose Porzellanpuppen, die nicht in der Lage sind, für sich einzustehen? Das ist ein altes Hollywoodbild. Ich kenne keine reale Frau, die so ist.
@Benedikt Bräutigam Subjekt oder Objekt? Frau muss sich nie zu Objekt machen lassen.
Für mich ist übrigens die Nein Regelung verständlicher und praktikabler.
Mit NEIN ziehe ich meine Grenze. Stopp! Bis hierher und nicht weiter. Das ist eindeutig und vielleicht vor Gericht auch besser zu erläutern.
Aber was sage ich mit JA? Stimme ich allem folgenden zu? Oder muss ich an jedem Punkt JA sagen? Und wo sind diese Punkte? Für mich ist das schwammig.
Also Nein heißt Nein. Das ist eindeutig.
@warum_denkt_keiner_nach? Frauen die vergewaltigt werden berichten häufig von Schockstarre.
Unter "nein heißt nein" ist das aber unter Umständen keine Vergewaltigung.
Die Barriere zur Anzeige ist für die Betroffenen geringer, weil die Frauen sich nicht mehr fragen müssen, ob sie sich genug gewehrt haben oder laut genug/oft genug protestiert. Häufig sind Jan auch noch Alkohol oder andere Drogen im Spiel.
Um ihre Frage zu beantworten, erwachsene Menschen können sich unterhalten und gut unter einander ausmachen was mit JA gemeint ist und wie weit er/sie gehen möchte/mag/bevorzugt.
@sociajizzm "Die Barriere zur Anzeige ist für die Betroffenen geringer, weil die Frauen sich nicht mehr fragen müssen, ob sie sich genug gewehrt haben oder laut genug/oft genug protestiert."
Bei "Nein heißt Nein" reicht ein Kopfschütteln. "Nicht genug gewehrt" ist schon abgeschafft.
Als Frau fühle ich mich bei "Nein heißt Nein" jedenfalls sehr gut aufgehoben. Das mögen andere Frauen anders sehen. Aber es ist ja der Sinn einer Debatte zu klären, was die Mehrheit besser findet.
Übrigens ist die Barriere für die Anzeige deshalb so hoch, weil in vielen Fällen, die es in die Presse schaffen, die Strafen für die Täter lächerlich gering sind. Da fragt Frau sich schon, ob es sich lohnt, die Vergewaltigung vor Gericht noch einmal zu erleben.
Wie sieht denn nun der Vorschlag aus in einer 1:1 Situation das ja oder nein zu Dokumentieren? Wenn ich das richtig verstanden habe stehen im Zweifel Aussage gegen Aussage und der/die die Situation am besten glaubhaft darstellt gewinnt? Es gibt schon talentierte Geschichtenerzähler genauso wie Leute, die sich nicht sonderlich gut ausdrücken können, wenn man nichts schriftlich festhält oder aufzeichnet ist man einem enormen Risiko ausgesetzt. Was ist denn für die Zukunft der praktikable Vorschlag? Es gibt ja auch Rachsüchtige Menschen, denen vielleicht der weitere Verlauf der Beziehung nicht gefällt oder die Dauer der Beziehung. Wie Regelt man das in Zukunft am besten.
Die EU ist kein Staat sondern nur ein Staatenbündnis. Die Gesetzgebungskompetenz beim Starfrecht liegt bei den Mitgliedsstaaten. Es bedarf keiner weitergehenden Harmonisierung. Und nur weil zwei Mitgliedsstaaten eine Regelung haben, muss das noch lange nicht für alle anderen gelten.
Eine "Ja heißt Ja" Regelung können wir gerne auf nationaler Ebene diskutieren. In folgenden Legislaturperioden kann ein Gesetzgeber diese dann bei Bedarf wieder ändern.
Ich hoffe dass im großen Themenfeld von "Vergewaltigung" und "Körperverletzung" die vielen männlichen Kinder nicht vergessen werden, denen immer noch ohne Zustimmung ihre Vorhaut abgeschnitten wird.
Das würde alle Bemühungen glaubhafter machen!
@realnessuno Vielleich ist es ja Absicht, dass ein winziger Schnitt an einem Stück Haut, über dessen Notwendigkeit man streiten kann, nicht zusammen mit einer massiven Verstümmlung geregelt werden soll?
@realnessuno Das geht aber gar nicht - würde in die Religionsfreiheit eingreifen und könnte sogar als ausländerfeindlich ausgelegt werden weil man ja dann Muslime in ihrer Religionsausübung beschneidet.
@realnessuno Ich sehe den Zusammenhang nicht, aber gebe Ihnen grundsätzlich recht.
Bei der Friedensdemo im Berliner Tiergarten ist BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht die Umjubelte – ganz im Gegensatz zu SPD-Mann Ralf Stegner.
Pro und Contra: „Ja heißt Ja“ als EU-Richtlinie?
Soll die EU das Prinzip „Ja heißt Ja“ zur Richtlinie für das Sexualstrafrecht machen? Zwei taz-Autor*innen streiten über die Frage.
Ja heißt Ja? Nein heißt Nein? Jein? Protest gegen Gewalt gegen Frauen Foto: Nicolas Landemard/Le Pictorium/imago
Ja
Um es gleich vorwegzunehmen: Niemand muss einen Vertrag unterschreiben oder ein Diktiergerät in der Tasche haben, um zu beweisen, dass der (meist ja spontane) Sex tatsächlich einvernehmlich war. Weder bei der gesetzlichen Formulierung „Ja heißt Ja“ noch bei „Nein heißt Nein“. Das muss hier erwähnt werden, weil die kuriosesten Vorstellungen darüber kursieren, worauf Menschen, die miteinander Sex haben, bei der jeweiligen Version achten sollten. Das wäre absurd, dazu wird es nicht kommen.
Dennoch macht es einen Unterschied, unter welcher Prämisse die Straftatbestände sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung gesellschaftlich verhandelt werden. Während die Formulierung „Nein heißt Nein“ eine klare Ablehnung festlegt, geht „Ja heißt Ja“ darüber hinaus: Diese Formulierung setzt eine deutliche Zustimmung zum Sex voraus. In Schweden und in Spanien gilt das bereits.
Insofern ist es unverständlich, dass sich die EU nicht auf die von ihrem Parlament vorgeschlagene Regelung „Ja heißt Ja“ im Sexualstrafrecht einigen konnte. Das Prinzip, wonach EU-Staaten das Sexualstrafrecht in Eigenregie regeln sollten – wie etwa beim Wahlrecht oder bei Bildungsgesetzen –, ist hier fehl am Platz. Die körperliche Unversehrtheit eines jeden Menschen, der Schutz vor Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt ist ein universelles Menschenrecht, das überall gleich behandelt werden sollte.
Schweden, das 2018 als erstes EU-Land „Ja heißt Ja“ eingeführt hatte, musste sich dafür vielfach belächeln lassen. Doch in keinem anderen Staat in der Europäischen Union zählte die EU-Statistik 2021 prozentual so viele Täter, die wegen Vergewaltigung verurteilt wurden. Schwed:innen sind sich sicher: Das liegt an „Ja heißt Ja“, denn jetzt gelten bestimmte Handlungen als Vergewaltigung, die es vorher nicht waren.
Und in Deutschland? Hier zeigen nur 10 Prozent der Opfer die Tat an. Gerade einmal 8 Prozent dieser angezeigten Täter werden verurteilt. Simone Schmollack
Nein
Es ist kein Skandal, dass die EU die Strafbarkeit der Vergewaltigung nicht einheitlich regelt, denn dazu hat sie schlicht keine Kompetenz.
Die EU ist historisch als Binnenmarkt entstanden. Sie ist kein Staat. Die EU hat daher nur dort Kompetenzen, wo ihr die Mitgliedsstaaten diese in den EU-Verträgen ausdrücklich einräumen. Für das Strafrecht ist die EU grundsätzlich nicht zuständig, da es als besonders sensible Materie gilt, die dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten bleiben soll.
Eine Ausnahme gilt nur für wenige Deliktfelder mit „grenzüberschreitender Dimension“. Genannt werden hier unter anderem Terrorismus, Waffenhandel sowie „Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung“. Es liegt auf der Hand, dass hier eher die Ausbeutung von Prostituierten gemeint ist als die Vergewaltigung der Ehefrau, einer Bekannten oder Passantin. Wer auf diese Zuständigkeitsgrenze hinweist, wie Justizminister Marco Buschmann, ist deshalb kein Frauenfeind.
Doch selbst wenn die EU ihre Kompetenzgrenzen ignorieren würde, wäre die vorgeschlagene EU-weite Definition der Vergewaltigung jedenfalls für Deutschland kein großer Fortschritt. Bei uns gilt bereits seit 2016 das Prinzip „Nein heißt Nein“. Wenn eine Person offensichtlich keinen Sex möchte, darf sich niemand darüber hinwegsetzen. Ein Kopfschütteln genügt.
Es spricht zwar wenig dagegen, stattdessen eine offensichtliche Zustimmung zu verlangen, dann würde auch ein Nicken oder ein Lächeln als Einverständnis gewertet. Es bliebe aber beim Problem der Beweisbarkeit, wenn Aussage gegen Aussage steht. Das Fehlen eines Nickens ist genauso schwer zu beweisen wie ein Kopfschütteln. Letztlich kommt es in strittigen Fällen immer auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen an.
Wer aber davon überzeugt ist, dass „nur Ja heißt Ja“ ein großer Fortschritt wäre, sollte den Bundestag von einer erneuten Reform überzeugen. Die fehlende EU-Vorgabe lässt den nationalen Parlamenten ja diese gesetzgeberische Freiheit. Christian Rath
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Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Kommentar von
Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Kommentar von
Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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„Ich will mich mehr wie ich selbst fühlen“