Pro und Contra: „Ja heißt Ja“ als EU-Richtlinie?

Soll die EU das Prinzip „Ja heißt Ja“ zur Richtlinie für das Sexualstrafrecht machen? Zwei taz-Autor*innen streiten über die Frage.

Ja heißt Ja? Nein heißt Nein? Jein? Protest gegen Gewalt gegen Frauen Foto: Nicolas Landemard/Le Pictorium/imago

Ja

Um es gleich vorwegzunehmen: Niemand muss einen Vertrag unterschreiben oder ein Diktiergerät in der Tasche haben, um zu beweisen, dass der (meist ja spontane) Sex tatsächlich einvernehmlich war. Weder bei der gesetzlichen Formulierung „Ja heißt Ja“ noch bei „Nein heißt Nein“. Das muss hier erwähnt werden, weil die kuriosesten Vorstellungen darüber kursieren, worauf Menschen, die miteinander Sex haben, bei der jeweiligen Version achten sollten. Das wäre absurd, dazu wird es nicht kommen.

Dennoch macht es einen Unterschied, unter welcher Prämisse die Straftatbestände sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung gesellschaftlich verhandelt werden. Während die Formulierung „Nein heißt Nein“ eine klare Ablehnung festlegt, geht „Ja heißt Ja“ darüber hinaus: Diese Formulierung setzt eine deutliche Zustimmung zum Sex voraus. In Schweden und in Spanien gilt das bereits.

Insofern ist es unverständlich, dass sich die EU nicht auf die von ihrem Parlament vorgeschlagene Regelung „Ja heißt Ja“ im Sexualstrafrecht ­einigen konnte. Das Prinzip, wonach EU-Staaten das Sexualstrafrecht in ­Eigenregie regeln sollten – wie etwa beim Wahlrecht oder bei Bildungsgesetzen –, ist hier fehl am Platz. Die körperliche Unversehrtheit eines jeden Menschen, der Schutz vor Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt ist ein universelles Menschenrecht, das überall gleich behandelt werden sollte.

Schweden, das 2018 als erstes EU-Land „Ja heißt Ja“ eingeführt hatte, musste sich dafür vielfach belächeln lassen. Doch in keinem anderen Staat in der Europäischen Union zählte die EU-Statistik 2021 prozentual so viele Täter, die wegen Vergewaltigung verurteilt wurden. Schwe­d:in­nen sind sich sicher: Das liegt an „Ja heißt Ja“, denn jetzt gelten bestimmte Handlungen als Vergewaltigung, die es vorher nicht waren.

Und in Deutschland? Hier zeigen nur 10 Prozent der Opfer die Tat an. Gerade einmal 8 Prozent dieser angezeigten Täter werden verurteilt. Simone Schmollack

Nein

Es ist kein Skandal, dass die EU die Strafbarkeit der Vergewaltigung nicht einheitlich regelt, denn dazu hat sie schlicht keine Kompetenz.

Die EU ist historisch als Binnenmarkt entstanden. Sie ist kein Staat. Die EU hat daher nur dort Kompetenzen, wo ihr die Mitgliedsstaaten diese in den EU-Verträgen ausdrücklich einräumen. Für das Strafrecht ist die EU grundsätzlich nicht zuständig, da es als besonders sensible Materie gilt, die dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten bleiben soll.

Eine Ausnahme gilt nur für wenige Deliktfelder mit „grenzüberschreitender Dimension“. Genannt werden hier unter anderem Terrorismus, Waffenhandel sowie „Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung“. Es liegt auf der Hand, dass hier eher die Ausbeutung von Prostituierten gemeint ist als die Vergewaltigung der Ehefrau, einer Bekannten oder Passantin. Wer auf diese Zuständigkeitsgrenze hinweist, wie Justiz­minister Marco Buschmann, ist deshalb kein Frauenfeind.

Doch selbst wenn die EU ihre Kompetenzgrenzen ignorieren würde, wäre die vorgeschlagene EU-weite Definition der Vergewaltigung jedenfalls für Deutschland kein großer Fortschritt. Bei uns gilt bereits seit 2016 das Prinzip „Nein heißt Nein“. Wenn eine Person offensichtlich keinen Sex möchte, darf sich niemand darüber hinwegsetzen. Ein Kopfschütteln genügt.

Es spricht zwar wenig dagegen, stattdessen eine offensichtliche Zustimmung zu ver­langen, dann würde auch ein Nicken oder ein Lächeln als Einverständnis gewertet. Es bliebe aber beim Problem der Beweisbarkeit, wenn Aussage gegen Aussage steht. Das Fehlen eines Nickens ist genauso schwer zu beweisen wie ein Kopfschütteln. Letztlich kommt es in strittigen Fällen immer auf die Glaubhaftigkeit der Aussagen an.

Wer aber davon überzeugt ist, dass „nur Ja heißt Ja“ ein großer Fortschritt wäre, sollte den Bundestag von einer erneuten Reform überzeugen. Die fehlende EU-Vorgabe lässt den nationalen Parlamenten ja diese gesetzgeberische Freiheit. Christian Rath

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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