Pro und Contra Equal Pay: Gleiches Geld für alle?

Vor der Frauen-WM in Frankreich forderten Fußballerinnen Gewinnprämien in Höhe der Bezahlung für Männer. Ist das richtig?

Lina Magull und Dzsenifer Marozsan spielen während einer Trainingseinheit

Mehr als der Kampf um den Ball: Fußballerinnen fordern die Gleichstellung bei den Gewinnprämien Foto: dpa

Ja

Die Antworten mancher Fragen drängen sich durch ihre Umkehrung auf. Warum gleiche Bezahlung? Nun, warum sollten Fußballerinnen, die ihr Land vertreten, kürzer gehalten werden als Fußballer? Weil sie schon immer nur Almosen, einen Bruchteil der Beträge überwiesen bekommen, welche ihre männlichen Kollegen einstreichen? Weil Manuel Neuer, Marco Reus & Co. mehr Geld einspielen als Almuth Schult, Dzenifer Marozsán und Co.? Weil zu Länderspielen der Frauen trotz großzügiger Freikartenausgabe selbst die kleinen Stadien sehr luftig besetzt sind?

Meist sind es ökonomische Argumente, die ­gegen eine Gleichbehandlung ins Feld geführt werden. Bei Klubteams, die wie freie Wirtschaftsunternehmen sich an dem Prinzip von Angebot und Nachfrage orientieren, leuchtet eine solche Sichtweise ein. Denn aus welchem Wirtschaftskreislauf sollte das Geld abgezweigt werden, um den Frauen und Männern bei Bayern München den gleichen Lohn zukommen zu lassen? Das wäre nur mit autoritärer Verbands- oder Staatspolitik durchzusetzen.

Derlei Einwände sind aber irreführend, weil bei der Equal-Pay-Debatte nicht alles in einen Topf geworfen werden sollte. Noch nie wurde von Spielerinnen die Forderung erhoben, im Verein müssten die Gehälter dem Männerniveau angepasst werden. Profivereine können sich frei entscheiden, ob sie den Frauenfußball fördern wollen oder nicht.

Die nationalen Fußballverbände haben diese Freiheit nicht. Sie stehen in der Verantwortung, gegen die strukturellen Ungleichheiten für die sie mitverantwortlich sind, etwas zu unternehmen. Der Frauenfußball ist ökonomisch auch deshalb so mickrig, weil er mit Verboten und vielen anderen Widrigkeiten zu kämpfen hatte und hat.

Das darf kein Grund sein, den Frauenfußball weiter klein zu halten. Der norwegische Fußballverband hat nach einer verpatzten EM seiner Frauen seine Unterstützung nicht zurückgefahren, sondern aufgestockt. Das Frauennationalteam erhält seit 2018 die gleichen Pauschalen überwiesen wie die Männerauswahl. Die Gleichbehandlung der Nationalteams versteht sich in Norwegen auch für die Männer von selbst, die dafür Kürzungen akzeptierten.

Ein ähnliches Entgegenkommen wäre bei den deutschen Männern bei der WM-Prämienregelung angebracht. Die Frauen würden beim WM-Gewinn in Frankreich jeweils 275.000 Euro weniger bekommen, als den Schützlingen von Bundestrainer Joachim Löw im vergangenen Jahr bei der Weltmeisterschaft in Aussicht gestellt wurden.

Dass durch eine Angleichung bei den Geschlechtern neue Ungleichheiten innerhalb des Systems des Frauenfußballs entstehen werden, darf nicht Grund sein, die Ungleichbehandlung beizubehalten. Das wäre die Fortsetzung der Praxis: Ihr seid so klein, deshalb halten wir euch klein.

Johannes Kopp

Nein

Die Fußballerinnen leben in zwei verschiedenen Welten. Werden sie nach technischem Vermögen und Spielfluss bewertet, dann heißt es reflexhaft von den Sachwaltern des Kicks: Frauenfußball ist doch eine ganz andere Sportart, was habt ihr Nölärsche bloß? Wie könne man denn Äpfel mit Birnen vergleichen?

Eine Nähe zu den Männern wird als Zumutung empfunden, weil, so die Promotoren, die Eigenständigkeit des Frauenfußballs dadurch geleugnet werde. Außerdem müsse man die Randständigkeit der Fußballerinnen, also ihre ungleich schlechteren, sprich weniger professionellen Ausgangsbedingungen ins Kalkül ziehen.

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Geht es allerdings um finanzielle Belange, dann könnte die Nähe zu den Männern nicht größer sein. Kickerinnen fordern, dass männliche Standards eins zu eins auch für sie gelten. Es sind nicht nur Aktivistinnen, die bei Turnieren und überhaupt gleiche Bezahlung fordern, sondern auch immer mehr Aktive. Jetzt geht es nicht mehr um Äquidistanz zu den Balltänzen der Ronaldos, Messis und Salahs, sondern um den Griff in die gefüllten Schatullen der Verbände, ob sie nun Fifa, Uefa oder DFB heißen. Das ist auch völlig legitim, wenn es nicht diese Doppelstandards gäbe.

Die Equal-Pay-Fraktion müsste sich halt mal darüber klar werden, ob sich der Frauenfußball nicht in allen Belangen an den Männern messen lassen will, vor allem in Sachen Unterhaltungswert und Spektakel, den einzig zulässigen Variabeln. Oder ob er eben auf komplette Autonomie setzt – ohne das Referenzsystem Männerfußball.

Unter der Saison wird der Wert des Frauenfußballs über die Gesetze des freien Marktes ausgehandelt. Folglich fließen in den Männerfußball Milliarden. Hier wird das große Geld gemacht. Das Wachstum ist exponentiell. Frauenfußball kann in diesem rasanten kapitalistischen Spiel nicht mithalten. Er findet daher meist unter dem Radar statt. Bei einer WM ist das anders.

Hier entwickelt der Frauenfußball nicht nur eine gewisse mediale Wirkung, sondern wird auch zum feministischen Projekt, getragen vom gesellschaftspolitischem Wohlwollen in Sachen Equal Pay. Hier funktioniert die Kraft der Symbolik, weil es sich um einen begrenzten, überschaubaren Zeitraum handelt, in dem die Kräfte des Marktes keine große Rolle spielen.

Jede Nationalspielerin, die es in den WM-Kader geschafft hat und, sagen wir, für einen WM-Sieg 350.000 Euro bekäme, darf sich als glücklicher Mensch fühlen, der unverhofft unter dem Füllhorn einer Captatio benevolentiae steht. Aber wie gerecht ist das im Vergleich zu einer Vereinskollegin, die mickrige 1.300 Euro im Monat verdient und nur knapp den Sprung ins Nationalteam verpasst hat? Ein WM-Equal-Pay würde eine Diskriminierung beseitigen – und eine neue schaffen.

Markus Völker

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