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Pro Asyl-Mitbegründer über „Sea-Watch“„Ein Schiff wird zum Gefängnis“

Nicht die Seenotrettung ist ein Verbrechen, sondern das Sterbenlassen, sagt Günter Burkhardt von Pro Asyl. Er fordert mehr Druck auf Italien.

Nach gut zwei Wochen auf dem Meer wurde das Ausharren auf der „Sea-Watch 3“ untragbar Foto: reuters
Jana Lapper
Interview von Jana Lapper

taz: Herr Burkhardt, hat Sie die Verhaftung von Kapitänin Carola Rackete überrascht?

Günter Burkhardt: Nein. Mit der Festnahme will Italiens Innenminister Salvini ein Exempel statuieren. Sein Ziel ist es, generell Schiffe davon abzuhalten, Menschen aus Seenot zu retten. Wenn jetzt Kapitäne verhaftet und Schiffe beschlagnahmt werden, trifft das die Existenz vor allem von Handelsschiffen, die jetzt schon wegschauen, wenn Menschen ertrinken. Die Eskalation wurde bewusst von Salvini hervorgerufen, um den Diskurs nach rechts zu verschieben. Ich hoffe, dass in Italien unabhängige Richter und Staatsanwälte diesem erbärmlichen Verhalten Einhalt gebieten. Nicht die Seenotrettung ist ein Verbrechen, sondern das Sterbenlassen.

Ist die Festnahme überhaupt rechtlich gedeckt?

Das sehe ich nicht. Das Seerechtsübereinkommen verpflichtet jeden Kapitän, zu retten. Wenn Menschen nicht an Land dürfen, wird ein Schiff zum Gefängnis. Das Engagement der privaten Retter ist herausragend, aber Seenotrettung ist eine staatliche Aufgabe.

Die „Sea-Watch“ schipperte gut zwei Wochen auf dem Mittelmeer, kein europäisches Land wollte die Geretteten aufnehmen. Rackete blieb doch nichts anderes übrig, als an Land zu gehen.

Die Staaten Europas haben die Kapitänin in eine Notlage gebracht. Es war absehbar, dass sich die Zustände an Bord zuspitzen würden. Auf dem Schiff befanden sich 42 Migranten. Es ist lächerlich und nur politisch zu erklären, dass es so weit kommen konnte, zumal sich in Deutschland 60 Kommunen bereit erklärt haben, die Asylsuchenden aufzunehmen.

Im Interview: Günter Burkhardt

ist Mitbegründer Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl.

Privatleute retten Menschen in Seenot und starten Spendenaufrufe. Ist das nicht Aufgabe der Politik?

Natürlich. Wir fordern eine staatliche Seenotrettung. Gerettete müssen aus den Grenzstaaten der EU auch ausreisen dürfen. Seehofer und andere Innenminister wollen keinen Mechanismus dafür etablieren. Es geht auch nicht nur um die „Sea-Watch“. Was ist mit den Menschen, die in den Hotspots und Haftlagern auf Lampedusa oder Lesbos am Rande Europas einsitzen? Ihr Schicksal scheint nicht mehr zu interessieren.

Was fordern Sie von der Bundesregierung?

Erst mal Druck auf Italien, Malta und andere Grenzstaaten, dass Boote an Land dürfen. Außerdem müssen die Interessen der Flüchtlinge bei der Suche nach einem aufnahmebereiten EU-Land berücksichtigt werden. Es ist die rechtliche Verpflichtung Europas, Menschen, deren Leib und Leben gefährdet ist, zu schützen. Aktuell hat man aber den Eindruck, es handele sich um einen Akt der politischen Großzügigkeit.

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24 Kommentare

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  • Menschen auf See einsammeln und in ein sicheres Drittland verschaffen, "moeglichst weit weg".



    Im uebrigen sind die Regeln fuer Seenothilfe von Handelsschiffen fuer die Situation erschaffen worden, dass Menschen durchbaeussere Umstaende in Seenot geraten sind. Nicht dafuer, dass sie sich selbst unmittelbar mit Absicht in eine Situation begeben haben, in der nach objektiven Kriterien Gefahr vorliegt.

  • Liebe Moderation, auch nach intensiver Studie Ihrer Netiquette, kann ich nicht erkennen, wie ich dagegen verstoßen haben sollte. Sollte ich in meinem Kommentar einen falschen Sachverhalt wiedergegeben haben, bitte ich mir diesen zu nennen. Vielen Dank!

  • Dieser Kommentar wurde gelöscht. Bitte beachten Sie die Netiquette. Die Moderation.

  • Dass Menschen gerettet werden müssen steht außer Frage. Aber weshalb überhaupt seit Jahren so viele Menschen aus ihren Ländern fliehen, diese Frage stellt sich anscheinend keiner.

    "Armut und Kriege" - Das ist doch der wahre Grund, weshalb Menschen aus ihren Heimatländern fliehen. Demnächst wird der Klimawandel das alles sogar noch verschlimmern, denn der Klimawandel lässt die Temperaturen auf der Erde ansteigen und wird den Wassermangel - der sich schon jetzt in Afrika bemerkbar macht - noch verstärken. Wenn mehr als 100 Millionen verdurstende Afrikaner sich auf den Weg nach Europa machen, dann hält die keiner mehr auf. Schon heute kommen die Afrikaner zu uns, weil wir ihnen die Meere leerfischen und die lokalen Bauern in Afrika mit den künstlich billig gehaltenen Agrarprodukten aus Europa nicht mehr konkurrieren können. Das spricht aber kein Politiker in Europa an, sonst müssten Politiker nämlich zugeben, dass die vielen Flüchtlinge, die in Europa Schutz suchen, ein Ergebnis ihrer eigenen Politik sind.

    Der 'Exportweltmeister von Europa' (Deutschland) spielt seit Jahren nur noch das "Monopolyspiel" Wirtschaftswachstum und schaut dabei zu wie andere Länder - nicht nur Afrika, sondern auch Länder in Europa - immer mehr verarmen. Hier muss sich endlich etwas ändern, sonst bekommen Europas rechte Politiker noch mehr Stimmen, denn die meisten europäischen Bürger wissen doch gar nicht, dass Europa die Schuld daran trägt, dass so viele Flüchtlinge zu uns kommen. Soziale Gerechtigkeit, Klima- und Naturschutz müsste eigentlich auf der Agenda aller Politiker stehen - aber da steht nur das Wort "Wirtschaftswachstum".

    • @Ricky-13:

      Volle Zustimmung.

    • @Ricky-13:

      In der Kürze alles Wesentliche auf den Punkt gebracht.

  • Salvini ist demokratisch gewählt. Man muss sich was anderes ausdenken, um die Italiener demokratisch zu überzeugen.

  • Die Pflicht zur Rettung aus der Seenot beinhaltet kein Recht auf Ausschiffung.

    • @Alex Spadt:

      Zustimmung.



      Um ebenso knapp zu formulieren.

  • Ich kann mich bislang nicht von der Vorstellungen trennen, dass Italien Migrationsfragen, d.h. Einreise und Aufenthalt, selbst bestimmen darf.

  • Druck auf Italien wird nur Salvini stärken, er baut doch genau darauf auf. Solange von Deutschland bzw der EU "Druck" gemacht wird, kann er das als einen weiteren "Beweis" verwenden, dass allein Italien als Auffangbecken dient. Das ist doch die Basis seines aktuellen Erfolges, das erste was Salvini gemacht hat, war die Häfen zu schliessen und hat damit seine Wählerschaft verdoppelt. Solange der Rest der EU den Moralapostel spielt, aber keinen vernünftigen, gemeinsamen Plan auf die Reihe kriegt und lieber zusieht wie Menschen Elend, Leid und Tod ausgesetzt sind, weil alle panische Angst vor der neofaschistischen Partei im eigenen Land haben und statt das menschlich einfach richtige zu tun und dahinter zu stehen, diseser ein Forum bieten, kann das ja nix werden. Das ist ja keine Entscheidung die man überhaupt zur Diskussion stellen sollte, egal aus welchem politischen Spektrum man kommt, mal abgesehen von den extrem rechten, denen ich aber eigentlich die politische Intention hinter ihrem Agieren mal abstreite, sondern das als eher als psychiatrisches Problem sehe, wenn man den Drang hat unschuldige Menschen, einfach verrecken zu lassen. Dieses verdammte mit dem Finger auf Andere zu zeigen ist doch die verdammte Ursache dieser Eskalation die es ermöglicht, dass das Unmögliche grad geschieht, der Nachbar ist auf einmal wieder Feindbild und die Leute laufen empört zu dem der am lautesten schreit und die perfekten Schuldigen zur Hand hat...

  • Die Abschaffung der Menschenrechte ist das Ziel der Rechtsradikalen und Faschisten.



    Die einen planen Attentate und ihren Putsch, die anderen verlangen ganz generell die Rettung Schiffbrüchiger abzuschaffen.



    So wie Pegida jeden Montag ruft "Absaufen absaufen"



    So die Propaganda der Identitären.



    Sie ist schon längst eine Mauer an der türkisch -syrischen Grenze gebaut, die die Flucht vor Assads Bomben verhindert.

  • Auch ethische Fragen können diskutiert werden. Wäre es nicht wichtig, für uns Europäer endlich einen Modus zu finden, der den Wahnsinn des Massenleidens der "Flüchtenden" beendet? Problem ist doch, dasss die Behandlung z.B. der Sea-Watch Affaire seitens verschiedener Regierungen durch geltendes Recht gedeckt ist. Entweder wir entschieden uns kollektiv zu einer moralisch wertvollen Gesetzgebung, und ich denke, die Chancen stehen gar nicht so schlecht, oder wir lassen sterben und leiden und schimpfen auf Richter, Beamte und Staaten, die im Zweifel nichts weiter tun, als geltendes Recht umzusetzen. Zweifel aus dem Weg! Und ganz nebenbei kann man den Nationalisten endlich schwarz auf weiß präsentieren, dass der von ihnen beschriebene Rechstsbruch einfach keiner ist. Wenn wir mehrheitlich Menschlichkeit höher werten als die Fixierung auf eine veraltetete Weltordnung, warum meißeln wir es nicht endlich in Stein?

  • 9G
    93559 (Profil gelöscht)

    In einem Punkt hat Italien Recht, das Dublin-Abkommen ist zutiefst ungerecht und da machen es sich die nördlichen Länder im Innern der EU gemütlich, während die Länder mit den Küsten die Hauptlast tragen müssen. Ganz zu schweigen vo der Politik und Wirtschaftsweise, die Flucht-verursachend sind.

  • drei fragen :



    wenn die freie überfahrt erzwungen werden soll , wie ist dies mit dem sozialstaat vereinbar ?



    bestimmen zukünftig aktivisten , an welche gesetze man sich halten muss und an welche nicht ?



    europa ist also zur rettung verpflichtet ! in welchem umfang ?



    (egal was wir für afrika tun , den dortigen fertillitätsüberschuss kompensieren wir keinesfalls )

    • @oliver pasch:

      "egal was wir für afrika tun , den dortigen fertillitätsüberschuss kompensieren wir keinesfalls "

      Dann geben Sie sich eben ein wenig mehr Mühe und denken dabei ans Vaterland.

      • @pitpit pat:

        ich habe schon 4 naturwissen-schaftliche studenteninnen hervorgebracht , auf dass berlin weiterhin trotz deutschlands niedrigstem mitspiegel - 1 / 4 von münchen - den rest der republik belehren darf und kulant subventionen empfängt . so sind berliner kalauer und multi - kulti mit steuerzahlenden spitzenkräften natürlich wohlfeil .

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Das ist bezeichnend. Wie war das nochmal mit Pius während der Nszizeit?

  • 0G
    05654 (Profil gelöscht)

    Guter Artikel ...

    Goodluck



    hinsichtl. der Realisierung



    darin genannter Zielsetzungen ...

    Übrigens ..:

    Betreffend : Privatleute retten Menschen in Seenot und starten Spendenaufrufe. Ist das nicht Aufgabe der Politik ? Natürlich ! Außerdem müssen die Interessen der Flüchtlinge bei der Suche nach einem aufnahmebereiten EU-Land berücksichtigt werden. Es ist die rechtliche Verpflichtung Europas, Menschen, deren Leib und Leben gefährdet ist, zu schützen ...

    Reaktion der CDU/CSU-Regierung : Regierung beendet Hilfs- & Rettungs-Mission Sofia im Mittelmeer komplett und zieht Personal aus der Region ab www.faz.net/agentu...phia-16262177.html

    *Murmel* : Eigentlich gehört jedes EU-Land welches seinen Gesetzlichen Verpflichtungen zur Hilfeleistung & Aufnahme gegenüber Flüchtlingen nicht nachkommt bis in die Höchste Instanz verklagt , damit derartige geschmacklose Politische Spielchen mit Notleidenden Hilfsbedürftigen Menschen endlich aufhören ...

  • Irgendwie ist das Schweigen der katholischen Kirche aus Rom - Ohren betäubend!

    • @sucram.hh:

      Überhaupt nicht.

      www.deutschlandfun...rn:news_id=1020677

      • @Sven Günther:

        "... ohne dass Lasten für den Staat anfielen". Siehe dazu www.kath.net/news/38179. "Der italienische Staat überweist an die katholische Kirche für das Kalenderjahr 2005 € 984.111.165,49." Aus diesen im öffentlichen Bewußtsein nicht getätigten Lasten des Staates rettet die Kirche ein paar Flüchtlinge, nennt das eigene Hilfe.

  • Druck auf Italien -- ja, von mir aus. Aber auch Druck auf die anderen EU-Staaten die sich die Hände in Dublin waschen.

    Dieser billige Zynismus ist der, der Salvini erst an diese Position gebracht hat.

    Salvini trägt die Zähne im Gesicht. Seehofers Messer hingegen -- sieht man nicht.