Harter Kurs von Matteo Salvini: „Deutsche Verbrecherin“ ausweisen
Trotz massiver Kritik aus Europa: Für Italiens rechten Innenminister Salvini zahlt sich die Härte gegen Seenotretter*innen politisch aus.
Auf den juristischen Prüfstand kommt damit die gesamte Kette der Ereignisse, seit die „Sea-Watch“ zunächst am vergangenen Mittwoch entgegen den Weisungen des italienischen Innenministers Matteo Salvini in die 12-Meilen-Zone vor Lampedusa vorgedrungen war und dann am Samstag um 1.30 Uhr wiederum gegen die Anordnungen der italienischen Behörden am Kai angelegt hatte. Schon vor dem Haftprüfungstermin verlautete, die Staatsanwaltschaft Agrigent wolle die Bestätigung des Haftbefehls durch die zuständige Untersuchungsrichterin verlangen, zugleich aber dessen Aussetzung unter der Maßgabe beantragen, dass für Rackete ein Aufenthaltsverbot für die Provinz Agrigent – zu der auch Lampedusa gehört – verfügt wird.
Der Innenminister und Lega-Chef Salvini stellte seinerseits klar, dass er in diesem Fall „die deutsche Verbrecherin“ umgehend aus Italien ausweisen wolle. Sie habe mit ihrem Anlegemanöver „das Leben italienischer Militärs aufs Spiel gesetzt“. In der Nacht zum Samstag war es zu einer kritischen Situation gekommen, als die „Sea-Watch“ seitwärts auf den Kai zusteuerte und dabei Gefahr lief ein zwischen dem Flüchtlingsschiff und dem Kai befindliches, weit kleineres Patrouillenboot der Finanzpolizei mit fünf Beamten an Bord zu zerquetschen. Vor allem die regierungsnahen Medien Italiens nahmen diesen Vorfall zum Anlass, um die Skrupellosigkeit Racketes und ihrer Crew zu bebildern.
Die Kapitänin hatte sich unmittelbar nach ihrer Festnahme bei den Finanzpolizisten entschuldigt. Aber zugleich widerspricht „Sea-Watch“ der Darstellung der Finanzpolizei. Giorgia Linardi, die italienische Sprecherin der NGO, erklärte am Sonntag, das Boot sei im letzten Moment in den engen Raum zwischen Kai und Flüchtlingsschiff gefahren und habe sich so selbst in Gefahr gebracht.
Mutig gehandelt
Während Salvini sich zu Hause über die Solidarität der gesamten Regierung freuen darf, bläst ihm aus Europa der Wind ins Gesicht. Nach dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Außenminister Heiko Maas äußerte sich auch Entwicklungsminister Gerd Müller von der CSU mit der Forderung, „dass Brüssel ein klares Signal setzt und die Freilassung einfordert“, denn Rackete habe „in einer absoluten Notlage“ gehandelt.
Zu scharfen Tönen griff auch EU-Kommissar Günther Oettinger, der erklärte: „Mir sind die Bewertungen von Salvini egal. Als Bürger Europas habe ich volles Verständnis für diese Frau, die – glaube ich – mutig gehandelt hat.“ Von der französischen Regierung wiederum musste Italien sich „eine Strategie der Hysterisierung“ vorwerfen lassen.
Im eigenen Land jedoch zahlt sich Salvinis Strategie bisher aus. In einer Umfrage sprachen sich letzte Woche 61 Prozent der Bürger dagegen aus, dass die „Sea-Watch“ in Italien anlandet, und Salvinis fremdenfeindliche Lega freut sich weiter über Umfragewerte von 35 Prozent.
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