Privatsphäre im Netz: Tschüss, Google!

Google hatte sich tief in mein Privatleben gefressen. Jetzt habe ich mich getrennt – und nutze digitale Produkte, die mich nicht ausspionieren.

bunt angemaltes Haus mit Google-Logo

Sieht nur harmlos aus: Der Konzern, der mit dem Spruch „Dont't be evil“ wirbt Foto: Rajeshwar Bachu/Unsplash

Liebe Freund*innen. Nachdem ich vor zwei Jahren Facebook verlassen habe, habe ich mir zu diesem Jahreswechsel wieder ein besonderes Geschenk gemacht: Ich habe Google nach langer Beziehung verlassen.

Als wir uns kennenlernten, suchte ich noch mit Altavista im Internet. Google war schneller, und vor allem waren die Suchergebnisse relevanter. Hand in Hand durchstreiften wir fortan das Netz. Es hätte eine Verbindung fürs Leben werden können, aber aus dem Verliebtsein ist nie eine richtige Liebe geworden. Ich wusste, dass nichts im Leben umsonst ist, aber die Illusion war schön.

Es kam der Tag, an dem Google Werbung als Geschäftsmodell einführte, mit Google Mail auch einen Webmail­service anbot und bekannt wurde, dass diese Mails maschinell gelesen werden, um Werbung zu optimieren. Nicht genug damit, dass Google schon durch meine Suchanfragen wusste, wie ich tickte – welche Rezepte ich suchte, welche politischen Fragen mich interessierten, an welche alten Schulfreunde ich dachte und wie eitel ich war, weil ich mich manchmal selbst suchte. Jetzt durchleuchtete es auch noch meine Mails an euch. Seitdem schreibe ich denen, die ein Google-Mail-Konto haben, nicht mehr so gern.

Google hat sich weitere Dinge einfallen lassen, die das Leben leichter machen. Man kann Termine im Google Kalender verwalten, nach Bildern suchen. Google Maps kennt fast jeden Winkel des Planeten, hat mit Satellitenbildern und Streetview Fotos davon und „verschenkt“ seine Navigations-App. Es digitalisiert Bibliotheken, setzt voll auf künstliche Intelligenz, hat mit Android Zugriff auf viele Millionen Handys.

Es hätte eine Verbindung fürs Leben werden können – bis Google Werbung als Geschäftsmodell einführte

Google Assistant erlaubt es, mit seinen Geräten zu sprechen, und mit Google Translate lässt sich alles übersetzen. Man kann Dateien in der Cloud auf Google-Servern speichern und hat mit YouTube, das auch Google gehört, Zugriff auf unendlich viele Videos, vom Mathegrundkurs bis zu Kinofilmen. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Produktspektrum von Google und seiner Mutter­holding Alphabet.

Whistleblower Edward Snowden hat gesagt: „Zu sagen, dass du dir keine Sorgen um deine Privatsphäre machst, weil du nichts zu verbergen hast, ist so, als wenn du sagen würdest, dass du dir keine Sorgen über freie Meinungsäußerung machst, weil du nichts zu sagen hast.“ Google weiß, wer ihr seid, wo ihr seid und was ihr gerade tut. Es hat coole neue Produkte wie den Interpreter – der Babelfisch aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ ist endlich Realität geworden –, ihr könnt jetzt alles in Echtzeit in eine andere Sprache übersetzen. Natürlich nur über Googles Server. Google hat gerade Fitbit gekauft und hat mit deren Fitnesstrackern Zugriff auf die Körperaktivitäten ihrer Nutzer. Gleichzeitig hat es sich den Zugriff auf Patientendaten des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS in Großbritannien gesichert.

Es liegt an mir

Die Privatsphäre schwindet, und der neue Google-Chef Sundar Pichai freut sich über die „unglaubliche Chance“ … „Einfluss auf die Welt auszuüben“. Ich hätte nie etwas mit Google anfangen sollen. Man muss sich nur wenige Fragen stellen: Was ist, wenn solche Unternehmen ihr Geschäftsmodell ändern? Was ist, wenn es autoritären Regierungen Daten zur Verfügung stellt? Oder auch demokratischen, die nicht in der Lage sind zu erkennen, dass anlasslose Überwachung Privatsphäre zerstört, aber keine Sicherheit herstellt.

Was, wenn Sicherheitslücken auftreten oder Hacker Zugriff auf unsere Daten erhalten? Alles das passiert bereits. China straft mithilfe der App WeChat Menschen ab, die sich nicht konform verhalten. Google-Passwörter lagen vor Kurzem unverschlüsselt im Netz, im amerikanischen Wahlkampf hat Cambridge Analytica im großen Maßstab Wählerverhalten zugunsten von Donald Trump manipuliert.

Es liegt nicht an Google, es liegt an mir. Google und seine Freunde wollen doch nur Geld verdienen. Wir geben ihnen das Geld nicht, also nehmen sie unsere Daten und machen die zu Geld. Die lustigen StartUps von damals sind die Raubtier-Datenkapitalisten von heute. Das ist ihre Natur. Sie brauchen Grenzen. Wenn wir nicht wollen, daß wirklich unangenehme Dinge mit unseren Daten passieren, müssen wir uns selbst um sie kümmern. Niemand kann sich mehr auf die Gnade der frühen Geburt herausreden. Oder darauf, daß wir nur mitmachen, weil alle es tun. Es wäre Aufgabe der Politik, uns dabei zu unterstützen, die digitale Selbstbestimmung zurückzugewinnen, statt uns immer wieder in den Rücken zu fallen.

Google versucht Bedenken zu zerstreuen. Es stellt viel Geld bereit, um Schulen zu „fördern“, und schleimt sich mit der Digital News ­Initiative bei den Medien ein. Auch die taz hat Geld von Google angenommen. Man nennt das deep ­lobbying. Konzerne machen keine Geschenke, sie agieren in Gewinnabsicht. Das können Daten sein, aber auch ein Imagegewinn. Das ist wie Blumen verschenken, wenn man seinen Partner betrogen hat. Es hat meine Beziehung zu Google nachhaltig gestört. Die letzten Jahre waren wir eigentlich nur noch wegen der Kinder zusammen: Mit all den schönen Produkten hatte Google sich tief in mein Privatleben gefressen.

Nur zwei Wochen Eingewöhnung

Ich habe mich neu verliebt. Es gibt für fast alle Google-Produkte Alternativen: Ich suche jetzt mit DuckDuckGo. Schon nach zwei Wochen Eingewöhnung gab es nichts mehr, das ich damit nicht gefunden hätte. Kalender, Dateien und Kontakte synchronisiere ich jetzt sicher mit meiner eigenen Nextcloud, die auf einem kleinen Minicomputer bei mir zu Hause läuft. Auf mein Handy habe ich LineageOS installiert, eine von Google befreite Android-Variante.

Ich übersetze mit DeepL oder dem Wörterbuch und benutze OsmAnd als Navi. Meine trackingfreien Apps installiere ich mit F-Droid, die wenigen, für die es dort keinen Ersatz gibt, kann ich über den Aurora Store aus dem Google-Store auf mein Handy laden. Mit dem Dienst Exodus Privacy lässt sich prüfen, ob eine App Daten an Datensammler überträgt, und für euch Google-Mail-Benutzer gibt es eine ganze Reihe von sicheren Alternativanbietern.

Das macht Arbeit. Je nachdem, wie viele Google-Dienste man nutzt. Zum Glück gibt es Dinge wie Nextcloud und Handys mit LineageOS für wenig Geld auch fertig zu kaufen – man muss nur danach suchen. Nachdem alles erledigt war, habe ich alle meine Daten, die sich bei Google angesammelt haben heruntergeladen und meinen Google-Account gelöscht.

YouTube wird mir am meisten fehlen. Man kann zwar mit Apps wie NewPipe auch ohne Anmeldung auf alle YouTube-Videos zugreifen, aber die wirklichen Alternativen wie PeerTube haben natürlich (noch) nicht annähernd den Fundus an interessanten Videos. Da ich die Handys meiner Kinder zu ihrer Sicherheit mit meinem Google-Konto verknüpft hatte und YouTube ihnen angezeigt hat, was ich gerade gesehen hatte, haben sie nun unbeabsichtigt einen sehr guten Musikgeschmack entwickelt und einige sehr gute Dokumentationen gesehen. Manipulation ist einfacher, als man denkt. Darum muss Google sich von nun an allein kümmern.

Hinweis: Dies ist ein Text von begrenzter Länge. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte schreiben Sie Ergänzungen und Alternativen, mit denen Sie gute Erfahrungen gemacht haben, in die Kommentare.

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*1968. Studierte Publizistik, Linguistik, Physik, Informatik und Informationswissenschaft, brach den akademischen Weg ab und wechselte zur Autodidaktik. Seit 2010 bei der taz. Lebt in Berlin, schreibt als Autor, freier Journalist und Entwickler Texte und anderen Code. U.a. Ziehvater von taz.zahl-ich-unterm-artikel, taz.kommune, taz.portal, taz.bitcoin und taz.diaspora*. Seit 2015 geprüfter Forschungstaucher. Seit Beginn der Corona-Pandemie FPV-Pilot.

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