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Polizeigewalt in FrankreichHände zerfetzt, Augen weg

Mit Tränengasgranaten und Hartgummigeschossen malträtiert Frankreichs Polizei Demonstranten. Regeln werden missachtet

Auch mit Hartgummi schießen ist ein Schusswaffeneinsatz. Paris, 9. Februar Foto: reuters

Paris taz | Zehntausende haben erneut am Samstag in zahlreichen Städten Frankreichs mit oder ohne gelbe Weste demonstriert. „Akt XIII“ hieß in der Bewegung der „Gilets jaunes“ die 13. Auflage der Straßenproteste seit Mitte November.

Wie eine Woche zuvor stand die „Polizeigewalt“ im Zentrum. Die Gelbwestenbewegung zählt mittlerweile über 2.000 Verletzte. Elf Menschen sind an Blockaden auf Kreisverkehren oder Autobahnzufahrten gestorben.

Auf www.desarmons.net werden im Detail die Opfer der Ordnungseinsätze aufgeführt, darunter bisher 5 Personen, die eine Hand verloren haben und 20, die voraussichtlich auf einem Auge blind bleiben.

Ganz vorn bei der Pariser Kundgebung am Samstag waren mehrere Opfer der Polizeigewalt mit dabei, je nach Verletzung mit Krücken, Kopfverband, Augenklappen oder Rollstuhl.

Unter ihnen befand sich Jérôme Rodrigues, der eine Woche zuvor auf der Bastille vermutlich von einem Hartgummigeschoss der Polizei an einem Auge schwer verletzt wurde und zu einem der prominentesten Sprecher der Bewegung aufrückte.

Neue Beweise für die Anschuldigung, das Innenministerium setze auf Repression und verwende trotz bekannter Risiken unverhältnismäßige Mittel, hätten die Gelbwesten aufgrund der allzu zahlreichen Präzedenzfälle nicht gebraucht.

Fotograf die Hand abgerissen

Am Samstag hat indes ein weiterer Demonstrant bei der Explosion einer Polizei­granate eine Hand verloren, er wurde zudem am Kopf verletzt. Der 30-jährige Schlosser Sébastien M. war als Fotograf der Gilets jaunes ganz vorn dabei, als ein paar Hitzköpfe eine für Renovierungsarbeiten dienende Bretterwand vor dem Gebäude der Nationalversammlung zu demontieren versuchten. Die Polizei antwortete mit Tränengasgranaten.

Hat Sébastien M. eine dieser Granaten in die Hand genommen, oder wurde er direkt getroffen? Laut Augenzeugen waren seine Verletzungen schrecklich. Eine Untersuchung soll nun klären, wie und warum er vermutlich von einer Granate vom Typ GLI-F4 verletzt wurde.

Diese wird in Europa nur von Frankreichs Polizei bei Kundgebungen verwendet. Sie enthält 25 Gramm TNT, damit bei der Detonation nicht nur das Tränengas entweicht, sondern auch ein gewaltiger Knall erzeugt wird.

Einmalig in Europa

Auch der Einsatz von Hartgummigeschossen durch Frankreichs Polizei wird aufgrund der zahlreichen Verletzungen heftig kritisiert. Diese werden aus Waffen des Typs LBD-40 abgefeuert und unterscheiden sich vom in anderen Ländern bekannten Gummischrot.

Laut Vorschrift dürfen die Patronen mit 4 Zentimeter Durchmesser nicht auf Kopfhöhe und nicht auf kurze Distanz verschossen werden. Diese Regel wird aber, wie auf Videos zu sehen ist, ständig missachtet.

Laut dem Magazin Nouvel Obs wurden diese „Hartgummi-Granatwerfer“ in der überwiegenden Zahl von rund 9.000 registrierten Fällen auch nicht von darauf spezialisierten Einheiten der Gendarmerie oder CRS-Ordnungspolizei eingesetzt, sondern von aus diversen Polizeibeamten gebildeten Adhoc-Formationen.

Falsche Munition im Einsatz

Außerdem verwendet die französische Polizei laut Angaben von Brügger & Thomet, dem Schweizer Hersteller der LBD-40 (auch als GL06 angeboten), nicht die mit geschäumtem Kunststoff versehene Originalmunition „SIR“, sondern ein Produkt der Konkurrenz.

Auf taz-Anfrage erklärt der Waffenfabrikant: „Bei Nutzung von Munition von Drittherstellern kann die Präzision beeinträchtigt werden und das Verletzungsrisiko steigt signifikant.“

Trotz aller Einwände hat Frankreichs oberstes Verwaltungsgericht vor wenigen Tagen eine Klage der Menschenrechtsliga gegen die LBD-40 abgewiesen und damit für deren weiteren Einsatz grünes Licht gegeben.

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54 Kommentare

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  • Auf welchen Seite deutsche Politik und Medien stehen, kann man der, fast nicht vorhandenen Berichterstattung erkennen, wenn von Gewalt berichtet wird, ausschließlich und alleine seitens der sog. "Gelb-Westen" auf den Nachdenkseiten und anderen alternativen Medien im Netz, kann man sehr sehen, wie viele und vor allem wie groß die Verletzungen sind, ganz zu schweigen von den Toten.

    Hier in Deutschland, wie man immer wieder liest: wird nach wie vor nach Oben gebuckelt und nach Unten getreten. Verantwortliche in Deutschland haben sorge, dass die Demonstrationen sich auf Deutschland und sogar auf ganz Europa ausdehnen könnten. Denn schaut man einmal an, dass trotz Lügen, was den Irak, Afghanistan Syrien, Ukraine Venezuela usw. angeht, wird sehr wohl noch illegale Umstürze, illegale Sanktionen und nicht zu letzt illegale Kriege mit Millionen Getöteten auf Grund von Lügen für rechtend erklärt?

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Laut Vorschrift dürfen die Patronen mit 4 Zentimeter Durchmesser nicht auf Kopfhöhe und nicht auf kurze Distanz verschossen werden. Diese Regel wird aber, wie auf Videos zu sehen ist, ständig missachtet."

    An dieser Stelle misst sich die Qualität des französischen Rechtsstaats. Werden die Straftäter*innen in Uniform sanktioniert? Werden Regelverstöße geahndet? Oder gibts nen Händedruck als Dankeschön?

    Gibt es Berichte, ob das beschriebene Verhalten der Polizist*innen untersucht wird?

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Es gibt eine ganze Reihe von Verfahren gegen Polizisten und Gendarmen, es laufen auch etliche Anzeigen von verletzten Demonstranten und auch Gruppen. Was dabei rauskommt bleibt abzuwarten, denn ich denke nicht wirklich, dass die Polizei in Frankreich anders gegen eigene Leute ermittelt als in Deutschland. Immerhin gibt es hier wohl eine art unabhängiger Untersuchung.

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Berichte gibt es. Die lauten so: "Ich kenne keine Übergriffe der Einsatzkräften, ich kenne einzig widerwärtige Gewalt der Demonstranten" (Innenminister Castaner).

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Politiker in Deutschland sprechen hier auch schon mal von einem "Fest der Demokratie".



    Ich nenne es 'Staatsterror'.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Das zu tun, ist Ihnen in unserem freien Land unbenommen. Doch wie benannten Sie denn vorher in Ihren Kommentaren das aggressive Vorgehen der Polizei in Venezuela oder die Foltergefängnisse Assads in Syrien? Wie war das mit den linken Doppelstandards?

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Hans aus Jena:

        ...Assad, Venezuela?



        Venezuela: Imperialismus 2.0



        Assad: Imperialismus (-versuch) 2.0

  • Endlich mal ein detaillierter Bericht über diese üblen Machenschaften der frz. Polizei, das wurde aber auch Zeit. Schon seit November wird demonstriert und schon seitdem, wird scharf geschossen. Der Verlust von Menschenleben wird in Kauf genommen. Ich glaube nicht, dass die meist völlig ungeschützten Demonstranten, im Gegensatz zu den robust verpackten Polizisten und Spezialkräften, damit rechnen müssen, Hände, Füße oder Augen zu verlieren, wenn sie gegen die neoliberale Politik des Präsidenten und der EU demonstrieren. Die Härte allerdings und auch die juristischen Winkelzüge, sind ja bereits aus Hamburg vom G20 bekannt. So langsam werden die sogenannten Demokratien zu Diktaturen, für die, die es wagen den Mund aufzumachen oder für mehr Gerechtigkeit zu demonstrieren. Ganz deutlich ist, dass sehr freundlich berichtet wird und zwar auf allen Kanälen, wenn mal wieder die EU bejubelt wird. Wenn systemische Fehler kritisiert werden, dann ist's aus mit lustig. Und bei allem Gefasel über demokratische Wahlen, so ist doch deutlich, dass die Eliten, die Fliehkräfte der neoliberalen Politik nur noch mit Gewalt unter Kontrolle halten können. Man sehe sich mal das Material an, was in Frankreich gegen die Gelbwesten, oder auch bei G20 in Hamburg aufgefahren wurde, die neuen Polizeigesetze (PAG), Überwachung des Internets, Kameras überall. Das hat eher was mit Aufstandsbekämpfung zu tun. Das ist weder gegen Rechts, von dort ging noch nie Gefahr fürs Kapital aus, noch gegen Terrorismus gerichtet, sondern gegen jene die aufstehen, weil das System nur noch für Lobbyisten und Konzerne wunderbar funktioniert und die Verarmung großer Teile der europäischen Bevölkerung billigend oder geplant in Kauf genommen wird.

  • Gab es in Deutschland, genauer: bei Stuttgart21 Demos, doch auch. Das demokratische Grundrecht der freien und friedlichen Meinungsäußerung ist auch bei uns schon lange abgeschafft.

  • Wo sollte jetzt im konkreten Fall der Skandal sein? Der Einsatz der Munition ist grundsätzlich zulässig, im Vorfeld des Einsatzes gab es Übergriffe und Sachbeschädigungen seitens der sogenannten Demonstranten und die Munition explodierte nach übereinstimmender Darstellungen anderer Medien in Wadenhöhe.

    • @DiMa:

      Haben Sie schon einmal davon gehört, dass es auch bezahlte Provokateure des Staates geben kann? Oder Söldner die ja auch bis heute in jedem Land der Welt ohne UN Mandat, Unruhe stiften kann, um gewählte aus dem Amt zu putschen? Entweder immer erst ökonomisch, sprich mit illegalen Sanktionen, und dann mit privaten Söldner Trupps, und zum Schluss militärisch? Siehe Ukraine, siehe Venuzuela, Irak, Afghanistan usw.? Noch nie davon gehört? Alleine seit dem 2 WK hat der westen mehr als 40 illegale Kriege mit Millionen Getöteten auf Grund von Lügen geführt, und führt sie noch? Wie viele illegale Putschs gehen auf das Konto des Westens,? Wie viele illegale Drohnen Einsätze? Wie viel illegaler westlicher Bombenterror?

       

      Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich.

      Die Moderation

    • @DiMa:

      "(...) Der Einsatz der Munition ist grundsätzlich zulässig (...)" (Dima)



      Da ist der schweizer Hersteller dieses Teufelszeugs aber eher einer etwas differenzierteren Meinung:



      www.watson.ch/schw...se-aus-der-schweiz



      Außerdem sollte man sich schon einmal überlegen welcher Form von Staatsraison man das Wort redet, wenn man keinen Skandal darin sieht wenn ein Präsident auf sein Volk schießen läßt.

    • @DiMa:

      Skandalös ist, dass der Einsatz zulässig ist.

    • @DiMa:

      "Der Einsatz der Munition ist grundsätzlich zulässig"



      Sagt wer?



      "die Munition explodierte nach übereinstimmender Darstellungen anderer Medien in Wadenhöhe."



      Dazu ein Zitat aus dem Artikel:



      "Eine Untersuchung soll nun klären, wie und warum er vermutlich von einer Granate vom Typ GLI-F4 verletzt wurde."



      Meine Schlussfolgerung ist daher, dass der "Vorgang" nicht eindeutig geklärt ist.

      • @Uranus:

        Was sollte daran unzulässig sein, wenn die Polizei gegen Rechtspopulisten vorgeht, die Brandsätze wirft, Autos abfackelt, gegen Demonstationsgesetze verstößt, Steine wirft, Büros von Politikern stürmt.

        Wehret den Anfängen!

        • @Rudolf Fissner:

          "Heute greifen die meisten Demonstranten nicht die Polizei an. Aber anstatt so zu handeln, dass die Gewalt reduziert wird, erhält die Polizei Befehle, sie zu grösserer Gewalttätigkeit zu treiben. Ich gebe nicht der Polizei die Schuld. Ich gebe denen die Schuld, die ihnen die Befehle geben". - Xavier Lemoine, Bürgermeister von Montfermeil, einer Stadt in den östlichen Vororten von Paris."



          Und - auch wenns nicht in Ihr Weltbild paßt - mehr dazu von Dr. Guy Millière, Professor an der Universität Paris:



          de.gatestoneinstit...unruhen-frankreich

  • Teuflisch. Man müsste einmal inne halten - alle, Otto-Normalo, Polizei, Unternehmer, Politik, Handwerker, Lehrer pp. - und darüber nachdenken, ob dieses kindische Gesellschaftssystem, etwas anderes kann es nicht sein, so profan ist es (auch wissenschaftlich), aus sich ständig wiederholenden Tätigkeiten, Arbeit, Gehalt, Ausgabe, Einnahme, Arbeit, Kriege ... leben, sterben, Kinder, Arbeit, Gehalt [...] pp., tatsächlich an Menschenleben geknüpft werden muss und ob man nicht einmal inne halten möchte.

    Manch Einen, sicherlich auch Aldi-Bereichsleiter, mag ja dieses Leben geheimnisvoll erscheinen - BWL ;-), "Wachstum" - alles so aufregend... Aber bitte, bei Lichte betrachtet ist das alles albern und irrational; es handelt sich im Grunde um des Typus eines Schneeballsystems - andere sperren "wir" wegen so etwas ein.

    • 9G
      92327 (Profil gelöscht)
      @Gerhard Krause:

      Wollen Sie ernsthaft an die Vernunft appellieren? Haben Sie die denn nicht die Kommentare hier im Forum gelesen?

  • Das "Regime" wurde demokratisch gewählt, auch wenn das Le Pen und Melenchon nicht passen und sie deshalb ind fröhlicher Einheit ihre Leute auf die Strasse schicken. Der Rest ist eine Mischung aus vielen wirklich betroffenen, Leuten die hier als Pegida/Wutbürger unterwegs wären, radikal-linken bis Autonomen und einfach auch vielen Typen mit hoher Affinität zu Gewalt. Die sind auch nicht "die französische Bevölkerung" wie hier einige Schreiben sondern eine Minderheit, auch wenn viele Franzosen (und auch ich) mit einem Grossteil der Forderungen durchaus konform gehen. Was hier einige Tausend Leute versuchen ist der Sturz einer demokratischen Regierung! Wer das gut findet sollte sich auch fragen lassen was denn dann danach kommt und ob es nicht als Präzedenzfall dient für die nächste gut organisierte und militante Gruppe die dann das Gleiche macht. Dann werden nicht mehr Wahlen entscheiden wie lange eine Regierungszeit dauert sondern der Mob der Strasse.

    • @Toulouse31:

      Da haben wir hier bei den TAZ-Kommentaren auch andere Berichte, sogar speziell aus Toulouse, die sich seltsamerweise auch mit meinen Beobachtungen und Gesprächen in Lyon decken.

      Die Gelbwesten agieren zwar eher aus dem Bauch heraus als aus dem Kopf, aber der Vergleich mit PEGIDA-Wutbürgern hinkt gewaltig, denn die Gelbwesten sind definitiv nicht rassistisch, auch wenn teilweise Menschen darunter sind, die aus der bildungsbürgerlich-liberalen Perspektive heraus als White Trash bezeichnet werden.

      • 7G
        74450 (Profil gelöscht)
        @Khaled Chaabouté:

        "die aus der bildungsbürgerlich-liberalen Perspektive heraus als White Trash bezeichnet werden"

        Das ist Ihre Wortwahl! Es gibt diesen Begriff in der liberalen Theorie nicht.

      • @Khaled Chaabouté:

        Es gibt eigene Erfahren mit derartigen Beschimpfungen, nicht aus Toulouse selber was eher radikal links dominiert ist aber aus der Umgebung, dazu gibt es dutzenden Videos solcher Übergriffe, von "Was willst du hier" bis hin zu "geh nach Hause" Sprüchen und echt handfesten Beleidungen und Angriffen.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Toulouse31:

      "auch wenn viele Franzosen (und auch ich) mit einem Grossteil der Forderungen durchaus konform gehen."

      Was sollte mensch auch gegen "soziale Gerechtigkeit" und "niedrigere Steuern" einzuwenden haben. Das sind Floskeln, die sich auch die Groko-Parteien in Deutschland auf die Fahnen geschrieben haben.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        "(...)"soziale Gerechtigkeit" und "niedrigere Steuern" (...) Das sind Floskeln,(...)" (Dhimitry)



        Soso! Soziale Gerechtigkeit und niedrige Steuern sind also "Floskeln", Ihrer Meinung nach.



        Es ist schon hoch interessant wie sich im Rahmen einer solchen Debatte die Geister scheiden, die Masken fallen, die Positionen klären, die vermeintlich linken Reihen auseinander differenzieren. Da wird nun deutlich wer auf welcher Seite steht, auf wen im Zweifelsfall Verlass ist und auf wen scheinbar geschossen werden darf.



        Dabei täten wir Deutsche uns ja noch relativ leicht damit eine gewisse Distanz zu halten. Schließlich geht es nicht um unser Land. Und trotzdem zeigen uns die sog. 'Bessergestellten', diejenigen die ihr Schäfchen im Trockenen wissen, unverblümt wessen Geistes Kind sie sind.



        Was los sein wird, wenn derartig heftige soziale Kämpfe bei uns laufen würden, da brauchen wir dann nicht lange zu spekulieren. Die Bruchlinie liegt offen zu Tage.

      • @74450 (Profil gelöscht):

        Es gibt ja einen ganzen Katalog an Forderungen, vieles davon ist auch immer noch Thema beim eingeleiteten Bürgerdialog. Die Gespräche die ich da gesehen habe waren teils echt sehr gut und konstruktiv, auch von teinehmenden GJ. Es gibt aber einen harten Kern die alles ablehnen und die Maximalforderung "Macron muss weg" nicht aufgeben. Das hat also nichts mit FLoskeln zu tun sondern mit einer intensiv geführten Diskussion.

    • @Toulouse31:

      Das eigentlich erstaunliche ist doch, dass die Regierung Macron diese Proteste hervorruft. Was macht die anderes als die davor? Es ist ja nun nicht Macron, der erstmals den Neoliberalismus in Frankreich einführt, das haben die Sozialisten genauso wie die Konservativen schon lange erledigt.



      Was ruft diese Gewalt hervor, den Protest, das Aufstehen?



      Das Dieselfahrverbot? Erhöhte Spritpreise? Dies hat die Bewegung entstehen lassen, erst danach haben sich die üblichen Verdächtigen mit emanzipatorischen Forderungen dran gehängt.

      • @siri nihil:

        Da mischen sich sicherlich viele Ursachen. Zum einen sind die Anhänger von Jean-Luc Melenchon auf der Strasse weil er schon in den Vorwahlen rausflog und eine Anti EU Politik fährt also im Gegensatz zu Macron. Gleiches, nur von rechts kommt von Le Pen. Dann gibt es noch die vielen Menschen, oft auch vom Land mit wenig politischer Bindung aber viel und berechtigter Wut über sinkende staatliche Präsenz auf dem flachen Land. Gerade bei jungen Leuten siegt auch einfach die Ungeduld, es wurde Macron gewählt weil sich von Reformen auch positive Veränderungen erhofft wurden und sieht jetzt, dass dies zum einen nicht so schnell geht und Macron andererseits auch vieles einfach grottenschlecht kommuniziert. Viele sind aber eben auch ziemlich pauschal "gegen alles" und haben hier jetzt ein Ventil und ein Gefühl von Macht und Teilhabe an einem Prozess gefunden. Das hat bei einigen auch durchaus einen sozialen Aspekt, und wenn es nur das Abhängen und Biertrinken an einem Kreisverkehr ist. Mensch hat was zu tun.

    • @Toulouse31:

      Newsflash: der Mob auf der Straße sind Wähler....

    • @Toulouse31:

      Ach ja! Wer für die Absetzung einer Regierung demonstriert, die in irgendeiner Weise demokratisch gewählt wurde, handelt undemokratisch. Klar. Weil Demokratie besteht aus alle soundsoviel Jahre mal wählen und dann gefälligst das Ergebnis fressen. Ja nach Standpunkt sind auch Erdogan, Putin, Al-Sisi, Trump etc. demokratisch gewählt worden (ebenso wie vor ein paar Generation in unseren Landen ein gewisser H.).

      Wer demonstriert um diese Leute zum Abtreten zu bringen, agiert auch antidemokratisch?

      "Das ist ja etwas ganz anderes!" höre ich manche Leute sagen - "Frankreich ist eine w i r k l i c h e Demokratie!"

      Naja, das ist alles relativ, auch in Frankreich tun Medienmacht, der Einfluss von Geld, Lobbyismus, Kirche usw. ihr übriges, um bestenfalls von "eingeschränkter Demokratie" sprechen zu können. Wenn man es auf einer linearen Skala einordnen wollte ist Frankreich sicher demokratischer als die heutige Türkei oder Russland.

      Aber so perfekt, dass jeder der eine "gewählte" (klingt bei manchen fast wie "von Gott eingesetzte") Regierung gerne absetzen möchte, automatisch antidemokratisch ist, ist die Demokratie in Frankreich sicher nicht.

      • @kritikderkritikderkritik:

        Für die Absetzung einer Regierung darf man natürlich demonstrieren.

        Aber hier fehlt ja zusätzlich noch jegliches Verständnis für Demokratie, in der halt zwangsläufig nicht alle gleichermaßen befriedigt werden können.

        Es ist das eine, gegen unliebsame Maßnahmen zu demonstrieren, aber etwas vollkommen anderes, eine demokratisch gewählte Regierung als "Regime" hinzustellen und alle, die die eigene Meinung nicht teilen, als "Kollaborateure" zu bezeichnen und damit bewusst auf die Kollaborateure mit der deutschen Besatzungsmacht zu verweisen.

        • @sart:

          "...Demokratie, in der halt zwangsläufig nicht alle gleichermaßen befriedigt werden können."

          ...und hier werden halt die deutlich Wohlhabenderen befriedigt, dann kann's ja nicht für alle reichen, ist halt Demokratie...

          "...als "Kollaborateure" zu bezeichnen und damit bewusst auf die Kollaborateure mit der deutschen Besatzungsmacht zu verweisen."

          Der Begriff "collaborateur" oder kurz "collabo" verweist nur im Deutschen auf die Vichy-Franzosen allein. Ähnlich dem Begriff "Champignons" ist die Bedeutung des Lehnworts deutlich enger als in der Herkunftssprache (frz. champignos = Pilze). Ähnlich "dinieren" (dt.: schick zu Abend essen - frz: zu Abend essen), "penetrieren", "Subordination" etc.



          "Collaborateurs" bezeichnet zunächst lediglich Menschen, die an etwas (nahezu, aber nicht komplett gleichberechtigt) mitarbeiten (vs. partenaires/Partner und auxiliaires/Gehilfen). Erst in einem bestimmten Kontext wird klar, dass dass die Pétainisten gemeint sind. Nach meiner Erfahrung ist bei Verwendung des Kurzwortes (collabo) häufiger der "Kollaboratör" gemeint als bei der Langform (collaborateur).

    • @Toulouse31:

      Man könnte natürlich auch sagen, dass das Volk, wenn es erkennt, dass die Wahlversprechen mitnichten umgesetzt werden, zwischen den Wahlen dafür sorgt, dass die mit Lügen gewählte Regierung nicht eine volle Amtszeit bekommt, um ihre Macht zu missbrauchen...

      • @Mainzerin:

        Macron hat nie das Blaue vom Himmel versprochen wie es einige vom rechten und linken Rand taten, die hier ja so gefeiert werden. Er hat genau die Reformen angekündigt, die er nun versucht umzusetzen. Dass ihn einige nur gewählt haben um Le Pen zu verhindern und nicht aufgrund seines Programms ist, Achtung Klartext: scheißegal. Er hat ein demokratisches Mandat. Jeder hat das Recht zu demonstrieren. Keiner hat das Recht zu revoltieren und das Demokratieverständnis Mandat in Frage zu stellen. Und wer die Nationalversammlung angreift, ist kein "Hitzkopf" sondern ein Feind der Demokratie.

        • @Multatuli:

          "Und wer die Nationalversammlung angreift, ist kein "Hitzkopf" sondern ein Feind der Demokratie."

          Und gehört in Schutzhaft genommen? Genau Ihr Argument wurde dafür schließlich schon mal ersonnen. Das bedeutet nicht automatisch, dass es falsch ist. Aber eben doch, dass man immer noch genau checken muss, ob es zur Situation passt.

  • Grüne und andere Neoliberale, die Macron quasi als Messias gefeiert haben, schweigen neuerdings sehr laut. Wagenknecht, die das System Macron von Anfang an durchschaut und kritisiert hatte, bekam ja hier im Land der Gartenzwerge dafür viel Schelte.



    Wann endlich distanzieren sich PolitikerInnen von diesem Macron und seine Gewaltorgien?

    • @Rolf B.:

      Die Gewaltorgien gehen auch und vor allem auf das Konto einer Querfront aus Gelbwesten. Wenn ich diese Typen hier durch Toulouse ziehen sehe, bekomme ich bei vielen das kalte Grausen.

      • @Toulouse31:

        "Wenn ich diese Typen hier durch Toulouse ziehen sehe, bekomme ich bei vielen das kalte Grausen."

        Was sollen diese Typen denn machen? Sich in Luft auflösen? Es gibt sie nun mal. Zu viele Typen ohne Perspektive.

        • @A. Müllermilch:

          Immerhin haben diese Leute jetzt jeden Samstag was zu tun, also freundliches Stadtzerlegen bei Dosenbier und Tränengas. Das ist doch schön....

  • Regeln werden missachtet! Das stimmt - aber auf beiden Seiten! Vergleichen wir das mit Polizeigewalt in unserem Land: Bei den Gewalteinsätzen einst in Stuttgart ging die Polizei illegal vor, wie nachträglich von Gerichten festgestellt wurde. Dort wurde mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen friedliche Demonstranten vorgegangenen. Die Proteste in Frankreich sind im Gegensatz dazu nicht gewaltfrei!

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @fvaderno:

      Die Proteste sind natürlich nicht gewaltfrei. Das ist ja immer eine zwiespältige Sache. Wären sie es, würde sich niemand weiter dafür interessieren.

      Militante Kämpfe, auch bei Streiks, haben in Frankreich eine lange Tradition. Wohl weil die Akteure wissen, dass man damit mehr erreicht. Und weil die Wut manchmal groß ist.

      Die Polizei allerdings verfügt über ein Waffenarsenal, dass sich sehen lassen kann. Und was die Härte angeht, scheint es sich knapp unterhalb des Schusswaffengebrauchs zu bewegen.

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Mit Verlaub: das ist ein ziemlicher Unsinn. Wenn ausreichend Menschen teilnehmen würden, würde man sich auch dafür interessieren. Glauben Sie, es würde ignoriert werden, wenn 100.000, 200.000 oder 300.000 Menschen demonstrieren würden? Friedliche Proteste haben 1989 übrigens für den Fall des Eisernen Vorganges gesorgt. Umgekehrt wird ein Schuh draus: eben weil die Zahl der Gelbwesten so gering ist, versucht man offensichtlich medienwirksamer Gewaltanwendung das Interesse zu wecken.

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Sophokles:

          Als 1981 300.000 Demonstrantinnen und Demonstranten am Kanzleramt vorbeidemonstrierten, soll Helmut Schmidt gesagt haben:

          "Die Karawane zieht weiter."

          Den Beweis ihrer pazifistischen Behauptung bleiben Sie schuldig. Der eiserne Vorhang ist gefallen, weil die Russen das so wollten, nicht weil sie in Leipzig geplärrt haben:

          "Kommt die D-Mark bleiben wir, kommt sie nicht, gehen wir zu ihr."

      • @88181 (Profil gelöscht):

        Wobei ja geschossen wird - offenbar auch mit explosiver Munition. Ich denke, Sie wollen aber auf "scharfe" Munition hinaus, richtig?

        • 8G
          88181 (Profil gelöscht)
          @Uranus:

          Ja, ich dachte an scharfe Munition. Das gab es in Demokratien meines Wissens nur in Italien während der Zeiten der Autonomia Operaia.

          Diese sehr militante Bewegung konnte durch ihre Kämpfe Lohnerhöhungen von 20% und mehr durchsetzen.

          Ein Parole war: "Agnelli, (Fiat-Besitzer), die Fabrik wird dein Vietnam."

          Hat geklappt.

        • @Uranus:

          Ist das hier ein Ratespiel?

  • Bei solchem Vorgehen in irgendeinem EU-Land östlich der Oder und südlich der Donau hätte man der Regierung sofort sämtliche europäischen Institutionen an den Hals gehetzt.



    Monsieur darf aber alles...

    • @agerwiese:

      Wenn Rechtspopulisten anfangen mit Brandsätzen zu werfen, sollten Linke diese nicht in Schutz nehmen.

  • Man kann nur hoffen, dass Monsieur Macron nicht ungeschoren davonkommt. Zumindest sollte er so schnell wie möglich aus seinem Amt gejagt werden.

  • Das Regime verstümmelt Demonstranten und die Welt sieht zu. Was muss noch passieren, bis die internationale Gemeinschaft eingreift.

    • @luetzowplatz:

      Das Regime verstümmelt ... Man kann es schlecht noch unsachlicher ausdrücken. Die internationale gemeinschaft soll eingreifen: Vielleicht sollte die Welt unter dem Kommando von 'Luetzowplatz' einmarschieren. Da Frankreich Atommacht ist, sollte dies mit einer atomar bewaffneten Armee geschehen?

    • 9G
      98589 (Profil gelöscht)
      @luetzowplatz:

      Die internationale Gemeinschaft soll eingreifen?



      Wer? Wie? Wo?

      Diese Gemeinschaft würde genauso handeln bei Protesten, denke ich mal.

      Es wird aufgerüstet gegen Demonstranten, Hambacher Forst winkt um die Ecke! Das ist fast schon ein militärischer Angriff, wenn Menschen derart verletzt werden.

      • 9G
        98589 (Profil gelöscht)
        @98589 (Profil gelöscht):

        Der Rentner im Stuttgarter Schlosspark war unbewaffnet. Hatte weder Pflasterstein noch Sonstiges.



        Er ist blindgeschossen worden.



        Das ist einem Polizisten bisher noch nicht passiert.



        Diese nämlich schiessen in Vollschutzkleidung auf Menschen, die diese nicht haben.



        Das ist keine gerechte Auseinandersetzung oder?

        Ich lehne Gewalt in jeglicher Form ab.



        Wenn es sozialer, gerechter zuginge braucht niemand zu schiessen, werfen und andere verletzen.

      • @98589 (Profil gelöscht):

        "Das ist fast schon ein militärischer Angriff, wenn Menschen derart verletzt werden."



        Das sagen auch die Polizisten, welche von Molotow-Cocktails, Pflastersteinen oder Zwillenkugeln getroffen und z.T. schwer verletzt werden.