Politische Haltung in Covid-Hotspots: Kriegen AfD-Fans eher Corona?
Soziolog:innen untersuchen einen möglichen Zusammenhang zwischen hoher Zustimmung zur AfD und hohen Coronazahlen.
Bautzen, Görlitz, Erzgebirge: Sachsen ist die derzeit am stärksten vom Coronavirus betroffene Region. Die Zahl der festgestellten Infektionen steigt täglich, die 7-Tage-Inzidenz liegt bei 276, in einigen Landkreisen sogar bei über 400.
Es gab in den vergangenen Tagen viele Fragen nach Ursache und Wirkung. Wer in Sachsen lebt und sich bewegt, merkt vor allem eines: Ein Großteil der Menschen hier macht sich nicht viel aus Maskenpflicht und Abstandsregeln. Sogar der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte vergangene Woche, man habe das Virus „unterschätzt“ – während er monatelang eine Politik der Lockerungen und Eigenverantwortung im Umgang mit der Pandemiebekämpfung gefahren ist.
Doch auch bei einem anderen Thema ist Sachsen Spitzenreiter: Das Land kommt bei diversen Umfragen auf den bundesweit höchsten Zustimmungswert für die AfD. Rund 26 Prozent der Sachsen würden aktuell bei Bundestagswahlen die rechtspopulistische Partei wählen. Gibt es da einen Zusammenhang?
Dieser Frage geht nun ein Forschungsteam um den Soziologen Christoph Richter des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) aus Jena nach. Die Forscher:innen untersuchen, ausgehend von der These, dass AfD-Sympathisant:innen sich weniger oder nicht an die Regeln zur Eindämmung der Pandemie halten, die Zusammenhänge und möglichen Wirkungsweisen der Einstellungsmuster und Pandemieentwicklung.
Am Anfang steht der Effekt
Denn: Viele in der AfD unterstützen Proteste gegen die Coronapolitik, sympathisieren mit Querdenkern oder haben sich bereits verharmlosend oder leugnend über Corona geäußert.
So hat es der Direktor des IDZ, Matthias Quent, auf Twitter erläutert. Es sei „naheliegend, dass soziale und politische Orientierungen Einfluss in Sozialräumen sowohl auf Wahlergebnisse als auch auf die Verbreitung von Corona nehmen und dabei rechter Populismus und Extremismus den Zusammenhalt und die Bekämpfung der Pandemie gefährden“, erklärt er in dem Thread.
Quent betont jedoch gleichermaßen, dass es bei den statistischen Untersuchungen zwar Korrelationen, also Zusammenhänge, gebe, man jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht von Kausalzusammenhängen sprechen kann.
Heißt: Es gibt einen „starken und bedeutsamen“ statistischen Effekt der beiden Variablen, der jedoch nichts über den Einfluss der einen auf die andere verrät. „Hohe AfD-Ergebnisse und hohe Inzidenzwerte könnten gleichzeitig existieren, ohne dass eins das andere beeinflusst“, so Quent auf Twitter. Demnach sind die Zusammenhänge auch nicht in allen Bundesländern so signifikant.
Ob und wie die beiden Faktoren sich also tatsächlich beeinflussen, wollen die Soziolog:innen nun untersuchen. Da die Untersuchung noch relativ am Anfang steht, will das Team um Soziologe Richter derzeit keine Anfragen dazu beantworten.
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