Plakatkampagnen vor der Wahl: Nichtssagend und austauschbar
Die Parteien wollen mit inhaltsleeren Wohlfühlplakaten punkten. Dabei gäbe es einen simplen Weg, die Wahlkampf-Slogans gehaltvoller zu machen.
E s gibt sie, die unentschiedenen Wähler, die noch immer nicht wissen, wem sie bei der anstehenden Bundestagswahl ihre Stimme geben wollen. Und das, obwohl ja eigentlich von allen im Parlament vertretenen Parteien seit Jahren oder Jahrzehnten bekannt ist, wofür sie politisch stehen. Aber vor allem die Generation derer, die zur Meinungsbildung nicht auf Twitter, Tiktok oder blauhaarige Youtuber zurückgreifen, können noch immer Wahlplakate ausschlaggebend sein.
Umso peinlicher ist die Inhaltsleere vieler Poster, die derzeit im ganzen Land Laternenpfähle und Verkehrsinseln zieren. Was genau will uns ein mild lächelnder Armin Laschet (CDU) mitteilen, wenn er „Gemeinsam für ein modernes Deutschland“ wirbt? Was stellt sich Olaf Scholz (SPD) unter „Respekt für dich“ vor? Wohl gemerkt ist Scholz Kanzlerkandidat der Partei, die mit der Einführung von Hartz IV die Entwürdigung von Millionen Armen und Arbeitslosen in einer „Grundsicherung“ forciert hat, die auf einem zynischen Gängelungs- und Überwachungssystem aufbaut.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es durchaus auch Wahlplakate mit konkreten Inhalten gibt. Die SPD wirbt etwa auch großflächig mit ihrer Forderung nach einer Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro pro Stunde.
Dennoch lässt sich bei allen großen Parteien ein gewisser Hang zu großen, aber unbestimmten Worten wie „Zukunft“, „Kompetenz“ und „Respekt“ erkennen. Worte, die gut klingen, aber wenig bedeuten, wenn man sie nicht mit Inhalten auskleidet. Doch eben diese Unbestimmtheit dürfte der Grund für die nebulösen Formulierungen sein. Man überlässt den Wählern einfach die Interpretation – auch wenn die womöglich gar nicht zum Parteiprogramm passt. Ein „modernes Deutschland“ heißt für manche vielleicht Breitband-Internet und autonome Flugtaxis, für andere dagegen gesellschaftliche Vielfalt, gegenderte Sprache und Lastenräder.
Zumindest eine Partei ist originell
Apropos: Die Grünen haben mit ihrer Plakatkampagne besonders tief in die Phrasenkiste gegriffen. „Zukunft passiert nicht, wir machen sie“, heißt es da beispielsweise. Diese Vorstellung entspricht allerdings nicht den physikalischen Grundlagen des uns bekannten Universums. Die Zukunft passiert unabhängig von den Gestaltungswünschen der Grünen.
Das politische Bildungserlebnis der Plakatkampagnen könnte übrigens mit einer ganz simplen Faustregel verbessert werden. Die Parteien müssten sich nur vor der Publikation eines jeden schnöden Slogans fragen, ob ihn so auch eine andere Partei verwenden könnte. Bei vielen Sprüchen ist das der Fall. Beispiel Grüne: Auf ihren Plakaten heißt es: „Unser Land kann viel, wenn man es lässt“. Ein Spruch, den mit entsprechenden Untertiteln jede Partei verwenden könnte.
Für die FDP: „Deshalb Leistungsträger entlasten, Steuern runter, Bürokratie abbauen“. Die AfD könnte titeln: „Deshalb raus aus der EU, Masseneinwanderung stoppen“. Die SPD könnte schreiben: „Und Olaf packt das an“. Die Phrasendrescher können viel, wenn man sie nur lässt.
Zumindest bleiben die Nonsens-Sprüche nicht unpersifliert. Die politischen Satiriker der PARTEI machen sich seit Jahren über die Kampagnen der Konkurrenz lustig. Statt ernsthafter Botschaften punkten sie mit Gaga-Sprüchen („Die Erde ist eine Scheide“) oder trollen die einfallslosen Poster der Konkurrenz mit humorvollen Gegenplakaten. Unter ein AfD-Schild mit der Botschaft „Arbeit, Wohlstand, Freiheit, Sicherheit“ schrieb sie in Essen: „Geld, Freibier, Sex, Weltfrieden“. Doch die Satiriker um den EU-Abgeordneten Martin Sonneborn stellen auch eine Forderung auf, die angesichts der stumpfsinnigen Posterkampagnen bei frustrierten Wählern Anschluss finden könnten. „Wahlplakate verbieten!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Israel und Hisbollah
Waffenruhe tritt in Kraft