Pflege im Coronahotspot Görlitz: Den Schuss nicht gehört

In Görlitz hat sich die Corona-Situation so verschärft, dass positiv getestetes Pflegepersonal arbeiten muss. Verantwortlich ist das Land Sachsen.

Soldaten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr kleiden sich auf der Corona-Station im Städtischen Klinikum Görlitz mit Schutzkleidung ein

Im Landkreis Görlitz kommen nun auch Fachkräfte der Bundeswehr den Kliniken zu Hilfe Foto: Robert Michael/dpa

Es ist eine riesengroße Farce: Im sächsischen Görlitz, einer der Corona-Hotspots der Stunde, wird Pflegepersonal eingesetzt, das positiv auf das Virus getestet wurde. In der ostsächsischen Stadt ist der Pflegenotstand inzwischen so gravierend und die Corona-Lage so dramatisch, dass es ohne die Hilfe der positiv Getesteten, Symptomfreien in ihren speziellen Schutzanzügen nicht mehr zu schaffen ist. An sich ist das legal und sowohl vom Robert-Koch-Institut als auch von Gesundheitsminister Jens Spahn abgesegnet – „in Ausnahmefällen“, wie es in einer Regelung heißt. Auch das Landrats­amt Görlitz garantiert offiziell, dass infizierte Pflegekräfte auch nur mit infizierten Patient:innen in Kontakt kommen.

Doch die Pflegekräfte selbst können darüber nur den Kopf schütteln: Angesichts der Notlage kann gar nicht garantiert werden, dass es keinen Kontakt mit Nichtinfizierten gibt – oder aber, dass bei allen das Virus überhaupt entdeckt wird. Und: Dieses Risiko muss eingegangen werden – sonst liegen die Pflegebedürftigen am Ende alleine in ihren Betten. Im Klartext heißt das: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine positiv getestete Pflegekraft eine nicht infizierte Person ansteckt.

Wenn in Deutschland auch zehn Monate nach Ausbruch der Pandemie noch immer ein derart eklatanter Pflegenotstand herrscht, dann hat man den Schuss nicht gehört. Das Klatschen und die Schokolade, die Bonuszahlungen und das öffentliche Lob: All das kann den Notstand nicht lösen. Der Personalschlüssel muss aufgestockt, die Gehälter müssen erhöht werden, die gesellschaftliche Notwendigkeit der Pflegearbeit muss endlich entsprechende Anerkennung bekommen.

„Wir haben dieses Virus unterschätzt, alle miteinander“, sagte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer am vergangenen Mittwoch. Aber das stimmt nicht. Nicht „wir alle“ haben es unterschätzt, sondern die sächsische Landesregierung. Dass nun in Görlitz Pflegekräfte fehlen, die gesund und Corona-negativ sind, ist ein Armutszeugnis der sächsischen Gesundheitspolitik. Man hätte es besser wissen müssen.

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Sarah Ulrich arbeitet als freie Reporterin vor allem zu den Schwerpunkten Machtkritik und -missbrauch, Rechte Gewalt, Soziale Bewegungen und Feminismus.

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