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Peruanischer Bergführer gegen RWEKläger hält Gerichtsexperten für befangen

Eigentlich sollte am Montag ein Urteil im Klimaprozess gegen RWE fallen. Nun gibt es aber Vorbehalte gegen den Gutachter des Gerichts.

Klimaklage: Der Bergführer Saul Luciano Lliuya klagt gegen das Energieunternehmen RWE Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Berlin taz | Am kommenden Montag sollte ein erstes Teilurteil im Prozess des peruanischen Bergführers Saúl Luciano Lliuya gegen den RWE-Konzern gesprochen werden. Nun hat das Gericht den Termin auf Ende Mai verschoben: Die Klägerseite hält den Gutachter des Gerichts für befangen und hat dementsprechend einen Befangenheitsantrag gestellt. Das teilte das Gericht am Mittwoch mit.

Lliuya verklagt RWE, weil er den Konzern dafür mitverantwortlich macht, dass sein Haus von einer Überschwemmung bedroht ist. Über seiner Heimatstadt schwillt ein Gletschersee aufgrund der Erderhitzung an, die RWE durchs jahrzehntelange Kohle-Verbrennen mitverursacht hat. Sollte es zu einem Fels- oder Eissturz kommen, argumentieren Lliuyas Anwält*innen, könnte eine Flutwelle Lliuyas Haus beschädigen oder zerstören.

Ob dieses Risiko tatsächlich besteht, war vor wenigen Wochen Gegenstand zweier Verhandlungstage. Das Gericht hatte einen Gutachter bestellt, den Darmstädter Geotechnik-Professor Rolf Katzenbach. In seinem Gutachten stellte er fest, dass eine Überflutung von Lliuyas Haus „praktisch unmöglich“ sei. Selbst in diesem unwahrscheinlichen Fall fließe das Wasser langsam und mit höchstens 20 Zentimetern Höhe.

Lliuyas Anwältin Roda Verheyen machte diese Einschätzung „fassungslos“: Katzenbach sei offensichtlich kein Experte fürs Hochgebirge. Er unterschätze die durch die Erderhitzung wachsende Gefahr durch Felsstürze und tauenden Permafrost. Das Gutachten der Klägerseite errechnet ein Flutrisiko von 30 Prozent in den nächsten 30 Jahren.

Gutachter und Kläger wollen sich nicht äußern

Von einer Befangenheit Katzenbachs war während der Prozesstage allerdings nicht die Rede. Was die Klägerseite Katzenbach vorwirft, ist nicht bekannt. Er wollte sich gegenüber der taz nicht zum Befangenheitsantrag äußern, auch die Klägerseite gibt keine Auskunft. Darauf hätten sich alle Prozessbeteiligten geeinigt, teilten Katzenbach und die NGO Germanwatch übereinstimmend mit. Germanwatch unterstützt die Klägerseite.

Lliuya will, dass RWE für Schutzmaßnahmen in Huaraz bezahlt. Damit ist die Klage die erste ihrer Art, weil es nicht um die Einhaltung von Klimazielen geht, sondern um konkreten Schadenersatz. Sollte Lliuya gewinnen, könnten auch andere Leute fossile Konzerne auf Schadensersatz verklagen. CO2 auszustoßen würde plötzlich sehr, sehr teurer.

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28 Kommentare

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  • Asche auf mein Haupt...



    Ich habe tatsächlich Kläger und Beklagte vertauscht...



    Zähneknisch...



    Aber danke fürs Lesen und sie aufmerksamen Kommentare...

  • Es ist einfach nur irre, wie hier die Selbstzerstörung unseres Landes von Germanwatch und Konsorten rücksichtslos vorangetrieben wird.

    Saúl Luciano Lliuya weiß davon nichts.

  • Die ganze Sache hat keinen Aussicht auf Erfolg.



    Aber nehmen wir mal an, diese Klage würde positiv beschieden: Jeder Gödel, der irgendwo auf dem Globus Pech mit dem Wetter hat, könnte dann ein deutsches Unternehmen verklagen.

  • Noch schnell etwas Brimborium der Klägerseite bevor das Ding durch ist. Auch etwas traurig, wie manche Kollegen der Juristerei ihre Einkünfte mehren müssen - ohne ihren Mandanten Hilfe zukommen zu lassen, wohlgemerkt.

  • Befangenheit rügt man eigentlich, bevor ein Ergebnis des Gutachtens vorliegt - nicht weil einem das Ergebnis nicht gefällt.

  • Interessant zu wissen wäre auch, wieviel Steuergeld die "NGO" erhält, und wieviel davon in den Taschen von Anwälten lnadet. Und sollte der Prozeß verloren gehen, wer wirklich die Kosten trägt. Direkt oder indirekt der Steuerzahler? Superreiche Spender, die zu faul für die Mühen der Realpolitik sind? Ausländische NGOs, die ihr Geschäftsfeld ausweiten wollen? Fragen über Fragen...

  • taz: *Kläger hält Gerichtsexperten für befangen*

    Das wird wohl auch so sein, denn Rolf Katzenbach ist wohl eher ein "Experte" für den börsennotierten Energieversorgungskonzern RWE AG, als ein geologischer "Sachverständiger" für schmelzende und abstürzende Gletscher.

    Herrlich ist auch mal wieder, dass hier in den Kommentaren der umwelt- und klimazerstörende Energieversorgungskonzern RWE AG verteidigt wird. Haben solche Leute eigentlich keine Kinder, und sie aus diesem Grund den Irrsinn der Großkonzerne deshalb einfach ignorieren und sogar schönreden können?

    • @Ricky-13:

      Und worauf gründet Ihre Behauptung, dass Prof. Katzenbach "wohl eher ein "Experte" für den börsennotierten Energieversorgungskonzern RWE AG" ist?

      Irgendwelche Fakten, oder ist das nur ein aus Ihrer politisch bedingten RWE-Abneigung entstandenes "Gefühl"?

  • Wer seine politische Agenda über Gerichte durchsetzt, höhlt die Gewaltenteilung aus und sägt am Rechtsstaat. Das ist alles, nur nicht demokratisch.

    Um Politik durchzusetzen sind in einer Demokratie die Parlamente da. Wer es nicht schafft, dort Mehrheiten zu realisieren und sie deswegen umgeht, ist ein Antidemokrat.

    • @fleischsalat:

      LOL, Och. Aber wenn RWE für die Weiternutzung von Kohle agitiert, den Braunkohlebergbau ausweitet, die Nutzung von EE hintertreibt, die Klimawandel-Leugner-Szene unterstützt, dann ist das - natürlich - in Ordnung, gell?

      • @Kaboom:

        Selbstverständlich. Das 'Agitieren', also das Werben um seine Agenda, ist in elementarer Bestandteil der Demokratie. Auch darf man Institutionen und Personen unterstützen, die die eigenen Interessen vertreten. Problematisch würde es, wenn RWE Klimakritiker z.B. Klima-Aktivisten verklagen würde auf Hass-Rede und alleine durch ihre Anwaltsmacht diese finanziell mundtot machen würde. Oder RWE-kritische Publikationen verklagen würde, z.B. die taz, um ihr ihren Status als Presseorgan zu nehmen.



        Sie merken vielleicht, dass meine Beispiele gar nicht so weit hergeholt sind und welche Gefahr davon ausgeht, wenn man Gerichte instrumentalisiert. Die Rechten sind übrigens nicht blöd. Sie haben von den Linken gelernt und werden das auch weiterhin tun.

  • Es ist doch klar das RWE jedes nur erdenkliche Mittel nutzen wird.

    Die haben doch nichts zu verlieren. Außen sie verlieren den Prozess.

    Einen Richter für befangen zu erklären kommt ja generell nciht gut an und zieht in der Regel auch den Zorn der Juristen auf sich.

    Aber so einen Gutachter ... den kann man ja ungestraft anpissen.

    • @Bolzkopf:

      Haben Sie den Artiekl überhaupt gelesen? Nicht REW erklärt den Gutachter für befangen sondern die Gegenseite...

    • @Bolzkopf:

      Aber RWE hat doch den Gutachter nicht Befangenheit unterstellt sondern der Kläger aus Peru.

    • @Bolzkopf:

      Sie haben aber schon mitbekommen, das der KLÄGER, also der Bergführer Saúl Luciano Lliuya, den Gutachter für befangen hält und nicht RWE?

    • @Bolzkopf:

      Es ist nicht RWE, die den Gutachter für befangen erklären will.... Artikel bitte noch einmal sorgfältig lesen!

  • Wenn es in einem Prozess schlecht läuft und/oder man den Prozess in die Länge ziehen will (weitere Gerichtstage -> mehr Geld für die Anwälte) , stellt man einen Befangenheitsantrag. Auch wenn dieser abgelehnt werden sollte (meistens der Fall), hat man



    a) wieder einige Prozesstage gewonnen



    b) einen Grund für eine Klage vor der nächsten Instanz



    c) kann diesen für Publicity nutzen

  • Grundsätzlich ist die Klage sehr begrüßenswert. Jetzt allerdings in allerletzter Sekunde einen Befangenheitsantrag zu lancieren, nur weil einem das Gutachten nicht gefällt, klingt eher nach Panikreaktion statt echter anwaltlicher Arbeit.

    Die Erfolgsaussichten von Befangenheitsanträgen sind schon unter normalen Bedingungen extrem gering. In diesem Fall, wo man über Monate nichts am Gutachter auszusetzen hatte und auf einmal Befangenheitsgründe finden will, nachdem man das Ergebnis bekommen hat, dürfte der Antrag absolut aussichtslos sein.

  • Das ist eine Publicity-Aktion von Germanwatch, die schwerwiegende Folgen haben kann. Der peruanische Bergführer kannte RWE bestimmt noch nicht, bevor er von denen zu der Klage überredet wurde.

    Dass es RWE ist, liegt daran, dass es ein deutsches Unternehmen ist. In den meisten anderen Ländern wäre so ein Unsinn nicht zugelassen worden.

    Ich kann nur hoffen, dass diese Farce bald beendet wird.

  • Ich kann noch immer nicht nachvollziehen, warum hier nur gegen RWE geklagt wird, und nicht gegen all die klimaschädlichen KI-Rechenzentren, gegen Fracking in den USA, gegen die Öl-Industrie.

    Damit, dass Germanwatch die Klage finanziert und wieder auf höhere Spenden hoffen kann, kann es nicht zusammenhängen.

    • @Alfur:

      Das wird wohl damit zusammen hängen, dass das deutsche Nachbarschaftsrecht keine Anwendung auf Unternhmen in anderen Staaten Anwendung findet.

    • @Alfur:

      "Schuld daran sei der Klimawandel, für den er den Energiekonzern RWE mitverantwortlich macht. Einer Studie zufolge ist RWE für 0,38 Prozent aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Und so hat der Bergführer berechnet, dass RWE anteilig rund 20.000 Euro für Schutzmaßnahmen am Gletschersee bezahlen soll."

      www.tagesschau.de/...%20bezahlen%20soll.

      Ergo RWE wird anteilig verantwortlich gemacht.

      • @Erwin1.:

        Und was macht er mit 0,38 % Anteil an den Kosten für den Schutz seines Hauses. 0,38 % Schutz wird wohl nichts bringen.

    • @Alfur:

      Viele Beklagte hätten die Prozesskosten erhöht, im Erfolgsfall eignet sich ein einzelner großer Gegner auch besser, um ein Exempel zu statuieren, und etwas spitzfindig könnte man darin auch ein Indiz dafür sehen, dass die Klägerseite ihre Erfolgsaussichten nicht allzu hoch einschätzte.

    • @Alfur:

      Vielleicht hängt es doch gerade damit zusammen. Wäre vergleichbar mit den Aktionen der DUH.

      • @WederLinksNochRechts:

        10 Jahre Verfahren mit Reisen von Richtern nach Peru und das obwohl alle wissen, dass der Prozess nicht gewonnen wird. Das ist eine mit Steuergeldern üppig finanzierte Werbemaßnahme für bestimmte NGO.

      • @WederLinksNochRechts:

        Alles klar!