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Papst äußert sich zu GazaScharfe Worte aus Rom

Franziskus fordert eine Untersuchung zum Völkermordvorwurf gegen Israel. Ein UN-Sonderausschuss kam erst kürzlich zu dem Schluss, dass bestimmte Merkmale darauf hinweisen.

Papst Franziskus Foto: Claudia Greco/reuters

Berlin taz/dpa | Papst Franziskus hat sich dafür ausgesprochen, dass die internationale Gemeinschaft den Vorwurf untersuchen soll, ob Israel im Gazastreifen einen Völkermord begeht. „Manchen Experten zufolge hat das, was in Gaza geschieht, die Merkmale eines Völkermordes“, schreibt das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in einem neuen Buch, aus dem die italienische Zeitung La Stampa vorab zitiert. Es ist seine bislang schärfste Kritik am Vorgehen Israels in Gaza.

Israel steht wegen der vielen zivilen Opfer und der katastrophalen Versorgungslage in Gaza weltweit in der Kritik. Vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag läuft eine von Südafrika erhobene Völkermordklage gegen Israel. Im Mai hatte zudem der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag Haftbefehle unter anderem gegen Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wegen der Kriegführung beantragt. Israel weist diese Vorwürfe kategorisch zurück und kommentierte die Äußerungen des Papstes zunächst nicht.

Ein UN-Sonderausschuss kam erst kürzlich zu dem Schluss, dass die Politik und die Praktiken Israels im Gazastreifen „mit den Merkmalen eines Völkermordes übereinstimmen“. In einem Bericht, der am vergangenen Donnerstag veröffentlicht wurde, beschuldigte der UN-Sonderausschuss zur Untersuchung israelischer Praktiken das Land, „Hunger als Kriegsmethode“ einzusetzen, was zu „massenhaften zivilen Opfern und lebensbedrohlichen Bedingungen“ für die Palästinenser führe, wie es in einer Pressemitteilung dazu heißt. Das Komitee, das 1968 zur Überwachung der israelischen Besatzung eingesetzt wurde, erklärte in seinem Jahresbericht zudem, dass Israel im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, ein „Apartheidsystem“ unterhalte.

Bei einem israelischen Angriff im Norden des Gazastreifens kamen in der Stadt Beit Lahia beim Beschuss eines Hauses mindestens 17 Palästinenser ums Leben, teilte der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz mit. Nach Darstellung von Bewohnern der Stadt schlugen zwei israelische Raketen in das Haus ein. Das Gebäude sei dadurch völlig zerstört worden. Unter den Opfern seien auch Frauen und Kinder, hieß es.

Erst am Sonntag sollen beim Bombardement eines fünfstöckigen Wohnhauses in Beit Lahia 72 Menschen ums Leben gekommen sein. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Das israelische Militär nahm dazu nicht Stellung. (dpa)

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4 Kommentare

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  • Ein zweifellos unbequemer Papst, dem die FAZ zuruft :"Schuster, bleib bei deinem Leisten."

    So war es auch bei den katholischen, rechten Medien in Frankreich, als er von Marseille aus gegen das "Grab Mittelmeer" predigte, während ihnen jeder Ertrunkene mehr als ein Migrant weniger erscheint: Er solle sich lieber darum kümmern, die leeren Kirchen zu füllen.

    Nichts tut so weh wie die Wahrheit.

  • Wenn der Papst differenzierte Stellungnahmen verfasst zu humanitären Fragestellungen und den Hintergründen der zur Diskussion und Beurteilung anstehenden, auch gerichtlich annoncierten Völkerrechtsverletzungen, hat er sich vielleicht auch exemplarisch für die Staatengemeinschaft folgende Frage gestellt:



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    www.faz.net/aktuel...mord-19639378.html



    /



    Auf die Einzelheiten der Beurteilung bin ich sehr gespannt.

  • Franziskus mag im Kopfe haben, dass Palästinenser und Libanesen häufig auch Christen sind, dass hier das Heilige Land verwüstet wird.



    Vielleicht macht er aber auch einfach nur das Herz auf für das unnötige Leid der Zivilbevölkerung und benennt das.

    Wenn einer partout keinen Frieden möchte (Netanyahu), muss freilich selbst ein Papst noch lange beten. Biden sollte seine letzten Monate nutzen, um dem Israelischen Autokraten die US-Zähne zu zeigen. Um nicht die Stellung der USA durch Völkerrechtsmissachtung zu unterminieren.

  • Oh, der Vatikan meldet sich zu Wort.

    Wäre ja toll gewesen, wenn er das auch mal beim Holocaust getan hätte. Schweigend bei der großen Judenjagd zugeschaut und sich 80 Jahre später immer noch nicht entschuldigt.

    Auch mit dem Terror der Hamas gegen Israelis am 07.10.2023 kein Problem?

    ZEIT: "Die Haltung des Vatikans verstört"



    www.zeit.de/2023/4...rror-stellungnahme

    Tja, die Christen bleiben sich treu, hatten sie doch schon den "Gottesmord" im Jahr 160 aus der Aussage des Bischofs Melito von Sardes: „Gott ist ermordet worden“ den Juden in die Schuhe geschoben, das größte denkbare, universale und unaufhebbare Verbrechen.

    Wir erinnern uns: Jesus war von einem römischen Statthalter verurteilt und von römischen Soldaten ans Kreuz genagelt worden.

    Hat dieser Papst eigentlich schon mitgekriegt, vom wem der Krieg gegen Israel gepusht wurde?

    Keinerlei Kritik an dem herrschenden Großayatollah, dem Vertreter des kommenden Mahdi?

    Dem Papst sei die Rede der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller empfohlen:

    www.faz.net/aktuel...lgen-19759496.html