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Olympia-Bewerbung abgeschicktDer Norden greift wieder nach den Ringen

Hamburg hat seine Olympiabewerbung eingereicht. Zusammen mit Schleswig-Holstein will man grünere, nachhaltigere Spiele. Linke und „Nolympia“ zweifeln.

Der Sportsenator freut sich auf „Festivalatmosphäre“: Andy Grote (SPD, stehend) auf der Bühne im Hamburger Feldstraßenbunker Foto: Frank Peters/Witters Sportfotografie

Hamburg taz | Nachhaltig, grün, dem Weltfrieden zuträglich: Mit echten buzz words warfen am Sonnabendmittag in einer Hamburger Mehrzweckhalle die Red­ne­r:in­nen um sich. Immerhin ging es um ein Konzept für die Austragung olympischer sowie paralympischer Sommerspiele: Das war kurz zuvor von Hamburg (und Schleswig-Holstein) beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) eingereicht worden – so wie auch schon die Konzepte Berlins und der Rhein-Ruhr-Region; am Abend werde er „bei Markus Söder“ in München sein, sagte Volker Bouffier, DOSB-Vorstand mit besonderen Aufgaben und derzeit viel mit kleinem Rollkoffer unterwegs.

Gekommen war auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Kiel freilich ist in allen vier Bewerbungskonzepten als Nebenstandort beteiligt. Wie weit möchte man da Günthers nun bekundeter „Sympathie“ für norddeutsche Spiele glauben?

Die Frist endete am 31. Mai – auf den letzten Drücker wurde also eine norddeutsche „Kick-off-Veranstaltung“ ausgerichtet, um wenigstens die Eckpunkte unter die Leute zu bringen. Die Presse war geladen, aber auch der Sport. Denn dass von Olympischen Spielen gerade auch der Breitensport profitieren werde, der ja so wichtige sozial kittende, auch inkludierende Aufgaben stemmt: Das war den Verantwortlichen erkennbar wichtig.

Überhaupt sollten aber alle Menschen in der Stadt „etwas von den Spielen haben“, so Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin (Grüne). Kein Elitenprojekt wollte man betrommeln, hoch oben im Bunker gleich neben dem Millerntor-Stadion, in dem die Hockey-Wettbewerbe ausgetragen würden, sollte man sich durchsetzen bei DOSB und Internationalem Olympischen Komitee.

Spiele sollen sich der Stadt anpassen

Der erklärte Clou: „Die Spiele sollen sich Hamburg anpassen, nicht umgekehrt.“ Was Fegebank wörtlich sagte, unterstrich auch SPD-Sportsenator Andy Grote. Und Tschentscher sagte: „Die Bewerbungen früherer Jahrzehnte bestanden darin, dass eine Stadt umgebaut wurde, um Olympische Spiele zu ermöglichen. Und dieses Prinzip haben wir umgedreht.“

Das Konzept verspricht kurze Wege, ÖPNV-Anbindung und Barrierefreiheit, aber vor allem die Nutzung bestehender Infrastruktur, also von Stadien und Arenen in Hamburg und Kiel. In Hamburg sieht es die Austragung von 38 Disziplinen vor, drei in Kiel (Segeln, Handball und Rugby). Ganz woanders würden Kanuslalom, Schießen und Vielseitigkeitsreiten abgehalten.

Im Volkspark indes soll groß investiert werden in ein neues Stadion, das künftig Heimat des HSV werden, aber längst nicht nur dem Sport offen stehen soll: „Wenn große Popstars nur wenige Konzerte in Deutschland geben“, so Grote, „dann werden sie das künftig in Hamburg tun.“ Freilich: Das muss auch ohne Olympia-Zusage passieren, denn das bestehende HSV-Stadion wird sich laut Grote nicht ewig ertüchtigen lassen, zumindest nicht bei angemessenem Aufwand: Spätestens Mitte des Jahrhunderts sei da Schluss.

Auch was da nun als etwaiges Olympisches Dorf gehandelt wird, trägt in Teilen seit Jahren einen anderen Namen: Die „Science City“ ist ein längst angegangenes Entwicklungsprojekt im Stadtteil Bahrenfeld. Wo irgendwann geballte Spitzenforschung Platz finden soll, könnten das vorher und auf Zeit die internationalen Ath­le­t:in­nen tun. Wenn Grote nun auch noch darüber sprach, dass Hamburger Kinder absehbar fünf verlässliche Schulstunden Sport pro Woche haben, weil das ja gut sei für sie und für uns alle: Dann erhärtete das den Verdacht, dass manches eh in irgendwelchen Schubladen Liegende da Eingang gefunden hat.

Wer glaubt, dass die Olympischen Spiele keine Schulden in Milliardenhöhe für Hamburg bringen, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten

Heike Sudmann, Linksfraktion

Unterbelichtet: die Geldfrage

Nicht beeindruckt zeigte sich am Sonnabend die Hamburger Linke und erinnerte ganz uneuphorisch ans schnöde Geld: „Wer glaubt, dass die Olympischen Spiele keine Schulden in Milliardenhöhe für Hamburg bringen, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten“, erklärte etwa die Vize-Fraktionsvorsitzende Heike Sudmann.

Parallel zum „Kick-off“ mit Funktionären und Fahnenträgerinnen richtete die Initiative „Nolympia“ draußen vor dem Bunker eine „Mahnwache“ aus. Und Teilnehmende eines antirassistischen Fußballturniers beim benachbarten FC St. Pauli bildeten als Menschenkette das Wort „NOLYMPIA“. Es bleibt spannend: Auch Hamburg muss bis Ende Juni 2026 per Referendum klären, wie es um die Akzeptanz steht – 2015 war das erst mal das Aus für Hamburgs Olympische Pläne.

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6 Kommentare

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  • Dass ein Großereignis wie Olympia neben all der berechtigten Kritik auch eine gewisse Euphorie und Impulse in eine Stadt bringen kann, hat Paris letztes Jahr vor Augen geführt.

    Umso ärgerlicher, wenn Hamburg dann zwar solche Ambitionen hegt, dies dann aber völlig wie mit heißer Nadel gestrickt aussieht. Beispiel? Von der "Science City" in Bahrenfeld ist jetzt seit über fünf Jahren die Rede, die im vergangenen Jahr vorgestellten Pläne wirkten aber selbst dafür noch reichlich unkonkret. Von Olympia zu jenem Zeitpunkt aber noch kein Wort.

    Entlarvend dabei die Frage der ÖPNV-Anbindung: Wurde zu Beginn der Science-City-Planungen vor Jahren noch betont, wie essentiell die (damals so bezeichnete) S32 für das Gelingen an diesem Standort sei, so ist völlig offensichtlich, dass die Realisierung des westlichen Arms der S6 bis zu möglichen Spielen in 2040 absolut unrealistisch ist.

    Hamburgs Verkehrspolitik leidet an einer Schein-Wende: Sozialdemokraten, die sich nicht vom Auto lösen können und daher sich nur auf teure und niemals rechtzeitig fertigzustellende Tunnellösungen für den ÖPNV oder wahlweise Vaporware wie autonome Bussbeschleunigung einlassen können. Ein No-Go für Olympia.

  • Sie können es nicht lassen und wie blöd kann man sein, die Stadt plant wieder, sich ein Fiasko zu organisieren.



    Der Gewinn der ganzen Sache ..., nun gut, das kann sein, dass Menschen in Mexiko oder Ruanda plötzlich wissen, wo Hamburg ist, sonst kommt wenig dabei rum.



    Schon jetzt hat die Infrastruktur mit Tourismus genug zu tun und die letzten Großprojekte haben eine eklatante Schwäche der Stadt offengelegt.



    Wer das übersieht oder übersehen will, der wird sein Fett weg bekommen. Die Olympiade bringt der Stadt überhaupt nichts ein, gerade über eine Periode von 20 Jahren hochgerechnet, steht da ein Minus. Und die Stadt hat immer noch 40.000 Menschen in Unterkünften, eine mittelmäßige Uni, unzufriedene Kita-Eltern und und und ... Der Themenspeicher, den die Regierung anzugehen hat, ist lang, vielleicht ist das hier der eigentlich Punkt, man zündet die Nebelkerze Olympia und lenkt ab?



    Aber nicht lange, dann gibt's dafür eine Quittung. Bei der SPD sind renommierte Abgeordnete gerade aus der Bürgerschaft gewählt worden - soll das fortgesetzt werden? Möchte da mal jemand gegensteuern? Oder Ablenken?



    Brot und Spiele damit die Römer ruhig bleiben?

  • Olympia in Deutschland? Unbedingt.



    Für den Frieden auf der Welt, ein Miteinander der Völker, Kulturen und Religionen! Für Nachhaltigkeit, Diversität und Erbsensuppe! Welcher Kleingeist will da von Milliarden-Investitionen reden? Von einem unkontrollierbaren Klüngel der Verbände? Von Korruption und Doping? Wo es dann doch auch bei uns so schöne Bilder geben könnte wie in Paris? Ein Sommermärchen? Vielleicht schon 2036 zur Erinnerung an die Spiele von 1936? Die wurden 1931 mit nur fünf Jahren Vorlauf vergeben. Und die Zeitenwende vom 30. Januar 1933 war dem IOC nicht Grund genug zur Revision der einmal getroffenen Entscheidung.

  • taz: *Hamburg hat seine Olympiabewerbung eingereicht*

    In Hamburg fehlen tausende Sozialwohnungen, in den Geschäftseingängen der Mönckebergstraße und dem Jungfernstieg "stapeln" sich schon die Obdachlosen. Und die Hamburger Universität schaut auch so aus, als ob sie dringend mal instandgesetzt und modernisiert werden sollte. Aber man möchte in der Hansestadt lieber das 'Olympische Feuer' für ein paar Wochen brennen lassen, dafür dann Grünanlagen zerstören und noch mehr Geld zum Fenster rauswerfen, beziehungsweise das Geld in der olympischen Feuerschale verbrennen.

    **Wer glaubt, dass die Olympischen Spiele keine Schulden in Milliardenhöhe für Hamburg bringen, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.** [Heike Sudmann, Linksfraktion]

    Wer verdient eigentlich an den Olympischen Spielen? - "Das IOC nimmt mit den Spielen zig-Milliarden US-Dollar ein. An die Athleten geht nur ein winziger Bruchteil davon." [ZDF heute, August 2024]

  • Kann man die Olympischen Spiele nicht jedes Mal in Griechenland veranstalten? So wie früher halt? Also ich meine vor 2000 Jahren.



    Diese Wettbewerbe um den Standort sind einfach nur eine riesige Geldverbrennung und Bestechungsorgie und haben nichts, aber auch gar nichts mehr mit Sport oder dem olympischen Gedanken zu tun!

    • @Semon:

      Interessant ist, wer bei diesen Bewerbungen frühzeitig aussteigt, darunter viele US-Städte, die schnell merken, dass sich das nicht stemmen lässt, dass es eklatant mehr kostet, als es überhaupt einbringen kann. Ein festern Ort nimmt natürlich den Kick raus, aber eigentlich ist Olympia vom Ort her gesehen, echt der letzte Mist, wahrscheinlich würden die Griechen die Spiele aber nicht freiwillig 'übernehmen'.