Offener Brief an Familienministerin Paus: Wickelvolontariat als Gesetz

Männerverbände fordern bezahlte Vaterschaftsfreistellung. Die steht zwar im Koalitionsvertrag, wurde aber verschoben.

Ein Baby liegt auf einer Wickelkommode, im Fokus ist die Windel

Deutschland hinkt bei der Vaterschaftsfreistellung hinterher Foto: plainpicture

Stellen Sie sich vor, Sie werden Vater und dürfen Ihre Partnerin nicht nur bei der Entbindung begleiten, sondern auch Tage oder Wochen nach der Geburt des Kindes – und das auch noch bezahlt. Eine Illusion? In Frankreich, Belgien, Estland, Bulgarien, Israel, Ungarn ist das bereits der Fall, und häufig parallel zu Elternzeit und Elterngeld.

Warum können andere Länder diese Vaterschaftsfreistellung, wie das in der gleichstellungsorientierten Fachsprache heißt, und Deutschland hinkt wieder einmal hinterher? Das fragen sich auch 19 gleichstellungsorientierte Männer- und Vätervereine, die am Sonntag, dem Internationalen Vatertag (nicht zu verwechseln mit dem Bollerwagen-Vatertag zu Christi Himmelfahrt), Familienministerin Lisa Paus (Grüne) einen offenen Brief geschrieben haben. „Väter brauchen Zeit, um ihre Vaterschaft aktiv leben zu können“, heißt es darin: „Wir sind davon überzeugt: Partnerschaftliche Elternschaft gelingt am besten, wenn Väter frühzeitig eine Beziehung zu ihren Kindern aufbauen und Betreuungsverantwortung übernehmen können – so wie sich das viele Väter heute wünschen.“

Nun könnte man einwerfen, Männer können auch ohne Vaterschaftsfreistellung früh eine enge Bindung zu ihren Kindern aufbauen und erst recht Verantwortung übernehmen. Schließlich gibt es Vätermonate, Elterngeld, Teilzeit auch für Männer, mehr Rechte für getrennte Väter. Doch das reicht nicht, finden nicht wenige moderne Eltern. Es bestehe „noch immer eine Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit“, heißt es jedenfalls im offenen Brief: „Um diese zu schließen, braucht es veränderte Rahmenbedingungen.“

So sieht das eigentlich auch die Ampelregierung und hat in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, Eltern stärker dabei zu unterstützen, Job und Familie partnerschaftlicher organisieren zu können. Ein zentraler Punkt dabei ist die bezahlte Vaterschaftsfreistellung von zwei Wochen. Die sollte bis zum Sommer umgesetzt sein – auch gemäß einer Vorgabe des Europaparlaments. Die Richtlinie 2010/18/EU schreibt allen EU-Mitgliedsstaaten vor, die darin verankerte bessere Vereinbarung von Erwerbs- und Sorgearbeit bis August 2022 in nationales Recht umzusetzen. Doch genau das steht in Deutschland jetzt zur Disposition.

70 Prozent junger Männer wollen aktive Väter sein

Die Ampelkoalition begründet dies unter anderem mit den Regelungen, die es hierzulande bereits gibt, also mit dem Elterngeld und der Elternzeit. Geplant sei nun, heißt es, eine „zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes“ in einem eigenen Gesetz zu regeln. „Ein konkretes Datum zur Einführung dieser wichtigen familienpolitischen Leistung ist damit vom Tisch“, sagt Dag Schölper, Geschäftsführer vom Bundesforum Männer: „Auch ist politisch nun offen, wie diese Leistung konkret ausgestaltet sein soll.“

Die unterzeichnenden Väter- und Männerverbände, darunter das Väter-Experten-Netzwerk, die Gemeinschaft der katholischen Männer Deutschlands, die Landesarbeitsgemeinschaft Jungen-Männer-Väter in Mecklenburg-Vorpommern, fordern, dass die zweiwöchige bezahlte Vaterschaftsfreistellung nach der Geburt „zügig noch im Jahr 2022 umgesetzt werden“ müsse.

Der offene Brief sollte bei Familienministerin Paus auf Zustimmung stoßen. Die Grüne steht für eine gekoppelte Finanz- und Sozialpolitik und gehört zu den Ar­chi­tek­t:in­nen der Kindergrundsicherung. Aus ihrem Haus kommt der Väterreport, demzufolge rund 70 Prozent der jungen Männer sagen, sich stärker als ihre Väter an der Erziehung und Betreuung der Kinder beteiligen zu wollen – und das bereits tun. Das bewerten sie als „persönlichen Gewinn“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.