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Nur Minderheiten hassen KlimaschutzWer sagt’s der Union?

CDU und CSU zeigten zuletzt so wenig Willen wie die FDP, Verantwortung fürs Klima zu übernehmen. Dabei kommt es doch auf die Konservativen an.

Auf ihr Auto verzichten wollen die Wenigsten Foto: Jochen Eckel/imago

N eulich wollte ich herausfinden, was die Grünen eigentlich dafür bekommen haben, dass sie das Klimaschutzgesetz preisgegeben haben. Was hatten sie in der Koalition für sich herausgeschlagen dafür, dass das Klimaschutzgesetz aus einem Forderungskatalog an jedes einzelne Ministerium in eine Absichtserklärung eines regierenden Gesamtverbands verwandelt wurde?

Von der Leyens „Green Deal“ wird von Unionstruppen seit Monaten desavouiert

Die Klimaschutzpflichten gehen damit vom einzelnen Minister – das Maskulinum kann hier stehen bleiben, denn die Neuregelung soll ja vor allem Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) schützen – auf das Kollektiv über. Das ist, als würde man den WG-Küchenputzplan mit Datum und Namensnennung durch ein Gruppenbekenntnis ersetzen: „Jetzt wollen wir alle gemeinsam schauen, dass die Küche aber auch wirklich sauber bleibt!“

wochentaz

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Jedenfalls erbrachte meine Recherche kein Ergebnis. Es war nicht herauszufinden, welches Zugeständnis die Grünen der FDP dafür abgerungen haben, dass der Verkehr vom Klimaschutz jetzt ausgenommen wird. „Es ist eigentlich unfair, derzeit überhaupt danach zu fragen“, hörte ich stattdessen. Wir hätten bekanntermaßen seit einem Jahr einen Backlash. Soll heißen: Mit der Forderung nach Klimaschutz braucht derzeit niemand den Kopf zu heben – die brüllenden Kohlenstoff-Verbrenner-Truppen rücken sonst direkt wieder mit schwerem Gerät aus.

Ja, da kann man dann wohl nichts machen, da muss man den Planeten halt einer irren Minderheit opfern. Denn es ist ja weiterhin nur eine Minderheit, die Klimaschutz für verzichtbar hält. Das gilt auch Richtung Europawahl. Eine schöne Studie der Universität Oxford, der Berliner Humboldt-Uni und der Hertie School in Berlin hat das vor wenigen Wochen herausgearbeitet.

Auf die Konservativen kommt es an

In Deutschland befürworten demnach 53 Prozent, Frankreich 57 Prozent und in Polen 51 Prozent von insgesamt 15.000 Befragten einen ehrgeizigeren Klimaschutz. Gegen mehr Klimaschutz sind in Deutschland und Polen 30 Prozent und in Frankreich 23 Prozent. Unschwer zu erkennen ist, dass die Dürre der vergangenen Jahre in Frankreich weit mehr Menschen bewegt hat als weiter östlich.

Unterm Strich fanden die Wissenschaftler Folgendes heraus: Die Leute befürworten Klimaschutz, der mit staatlichen Investitionen in Infrastruktur und Wirtschaft arbeitet, aber die meisten bestehen darauf, weiter ein Verbrenner-Auto zu fahren, ob in Frankreich, Polen oder Deutschland. Kaum jemand glaubt, dass Klimaschutz seinen Job oder die Wirtschaft gefährde – Klimaschutz ist vor allem eine ideologische Sache, wie es aussieht. Weshalb, sagt Nils Redeker, einer der Autoren der Studie, „es sehr stark darauf ankommt, wie insbesondere die konservativen und Mitte-Parteien jetzt ihre Haltung zum Klima darstellen. Denn die Leute orientieren sich da an den Parteien, die sie eh unterstützen.“

Okay, das ist natürlich nur eine mittelgute Nachricht. CDU und CSU zeigten zuletzt ebenso wenig Willen wie die FDP, Verantwortung für planetare Angelegenheiten zu übernehmen. Stattdessen stänkert jetzt auch Friedrich Merz gegen das Verbrenner-Aus ab 2035. Der Green Deal der eigenen „Spitzenkandidatin“ Ursula von der Leyen wird von Unionstruppen seit Monaten nach Kräften desavouiert.

Es ist komplett unbefriedigend, dass CDU und CSU ausgerechnet in dem Augenblick, da sowohl Demokratie als auch Klima ernsthaften Prüfungen ausgesetzt sind, von Männern gelenkt werden, denen man alles Mögliche nachsagen kann, nicht aber seriöse und nachhaltige Urteilsbildung. Kann die nicht irgendwer in die Pflicht nehmen, dem die auch zuhören? Wolfgang Schäuble ist tot. Ich bin mir nicht sicher, ob kluge Thinktanks und Politstudien­autorInnen ihn ersetzen können.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.