Nicht verimpftes AstraZeneca-Vakzin: Ein politisches Versagen
1,3 Millionen Impfdosen liegen ungenutzt in den Lagern. Die Politik ist aufgefordert, den wirksamen Schutz schleunigst unter die Menschen zu bringen.
W as in Deutschland derzeit mit dem Corona-Impfstoff von AstraZeneca passiert, ist ein Skandal. Obwohl er hoch wirksam ist, die Geimpften also zuverlässig gegen schwere Krankheitsverläufe und den Tod schützt, wird er derzeit kaum genutzt: Von rund 1,5 Millionen gelieferten Dosen liegen 1,3 Millionen ungenutzt auf Halde. Die Politik schiebt die Verantwortung für diesen untragbaren Zustand den zu impfenden Menschen zu:
Viele von ihnen lehnten es demnach ab, sich mit AstraZeneca impfen zu lassen, weil sie lieber das noch etwas wirksamere Mittel von Biontech haben wollen. Eine solche Haltung, einen sehr guten Schutz zum jetzigen Zeitpunkt abzulehnen, um dann deutlich später einen noch etwas besseren Schutz zu erhalten, ist tatsächlich sehr kritikwürdig. Doch die Impfzahlen zeigen, dass das Hauptproblem ein anderes ist.
Gemäß den Empfehlungen der Impfkommission werden mit AstraZeneca in Deutschland nur Menschen im Alter bis zu 65 geimpft. In der ersten Prioritätsgruppe macht diese Altersgruppe aber nur einen kleinen Teil aus. Es sind die Angestellten von Pflegeheimen und der besonders gefährdete Teil des medizinischen Personals. Und die sind zum größten Teil bereits geimpft.
Schuld am ungenutzten Impfstoff ist also nicht primär die Unwilligkeit der Menschen, sondern vor allem die fehlende Flexibilität der Politik. Das heißt nicht, dass sie den Impfstoff für alle freigeben sollte, wie es jetzt schon teilweise gefordert wird. Grundsätzlich ist eine Priorisierung schon sinnvoll. Was jedoch längst hätte passieren müssen, ist, dass die Länder anfangen, auch Menschen aus der nächsten Prioritätsgruppe eine Impfung mit AstraZeneca zu ermöglichen.
Teilweise ist noch nicht mal geklärt, wie diese, etwa als Kontaktperson von Pflegebedürftigen, ihre Berechtigung nachweisen sollen. Solche Verzögerungen sind nicht mehr hinnehmbar. Denn jeder Tag, an dem Impfstoff ungenutzt bleibt, kostet Menschenleben, die man hätte retten können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren