Nicaraguas Klage vor dem IGH: Eilantrag abgewiesen
Der Internationale Gerichtshof lehnt Nicaraguas Antrag gegen Deutschlands Hilfe für Israel ab – und den deutschen Antrag, die Klage nicht zuzulassen.
Nicaragua hatte Deutschland am 1. März vor dem Gericht der Vereinten Nationen verklagt. Das autoritär regierte Land warf Deutschland vor, es unterstütze Völkermord und Kriegsverbrechen Israels an der palästinensischen Bevölkerung in Gaza. Damit verletze Deutschland seine völkerrechtlichen Pflichten aus der Genozid-Konvention und den Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht. Konkret verwies Nicaragua insbesondere auf deutsche Waffenlieferungen an Israel sowie auf die Einstellung von deutschen Zahlungen an das UN-Palästinenser-Hilfswerk UNRWA.
Zugleich stellte Nicaragua einen Eilantrag. Der IGH solle Deutschland per einstweiliger Maßnahme verpflichten, seine Waffenlieferungen an Israel sofort zu stoppen und die Finanzierung des UNRWA sofort wiederaufzunehmen.
Der IGH unter Leitung seines libanesischen Präsidenten Nawaf Salam hat den Eilantrag am Dienstag mit 15 zu 1 Stimmen abgelehnt. Die Umstände im konkreten Fall erforderten keine einstweiligen Maßnahmen des IGH. Nur der von Nicaragua benannte Ad-hoc-Richter Awn Shawkat al-Khasawneh, ein ehemaliger jordanischer Ministerpräsident, stimmte für den Eilantrag.
In dem elfseitigen Beschluss des IGH, der der taz vorliegt, folgen die Richter der deutschen Argumentation, dass die militärische Unterstützung Israels seit Beginn des Gazakriegs stark zurückgegangen ist.
Während Deutschland im Oktober 2023 noch Rüstungsexporte nach Israel im Wert von 200 Millionen Euro genehmigt hatte, sank der Wert im November auf 24 Millionen und im März 2024 auf 1 Million Euro. Zudem hätten 98 Prozent der militärischen Exportgenehmigungen seit Oktober 2023 keine Kriegswaffen betroffen, sondern sonstige militärische Ausrüstung wie Helme und Kommunikationsgeräte.
Der IGH sah auch keinen Grund, Deutschland zur Wiederaufnahme der Zahlungen an das Palästinenser-Hilfswerk zu verpflichten. Zum einen seien solche Zahlungen freiwillig, zum anderen hätten in den Wochen nach der deutschen Ankündigung eines Zahlungsstopps Ende Januar gar keine deutschen Zahlungen an UNRWA angestanden.
Deutschland hatte die Zahlungen an das Hilfswerk ausgesetzt, nachdem bekannt geworden war, dass mehrere seiner Mitarbeiter am Hamas-Terrorangriff vom 7. Oktober beteiligt gewesen sein sollen. Die Bundesregierung kündigte vorige Woche an, sie werde ihre Zahlungen wieder aufnehmen. Das UNRWA hatte eine Verbesserung seiner internen Kontrollen zugesagt.
Zugleich lehnte der IGH den deutschen Antrag ab, die Klage Nicaraguas wegen offensichtlicher Unzulässigkeit aus der Liste der anhängigen Fälle zu streichen. Deutschland hatte argumentiert, die Vorwürfe Nicaraguas richteten sich in erster Linie an Israel, obwohl Israel nicht verklagt worden sei. Möglicherweise wird die Unzulässigkeit der Klage Nicaraguas erst im Hauptsache-Verfahren festgestellt. Der IGH machte in seinem Eilbeschluss keine Ausführungen zum israelischen Vorgehen in Gaza. In einem von Südafrika beantragten Eilbeschluss vom Januar hatte der IGH erklärt, es gebe plausible Indizien für eine Verletzung der Genozid-Konvention in Gaza.
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