Krieg im Gazastreifen: Langes Warten in Nahost
Die Gespräche zwischen Israel und der Hamas laufen, doch ein Deal ist nicht sicher. Derweil gelangt nun Hilfe via Grenzübergang Erez nach Gaza.
Nach allem, was bekannt ist, hat Israel bereits Zugeständnisse gemacht. So sollen etwa in einer ersten Phase zunächst nur 33 der noch rund 100 lebenden Geiseln freigelassen werden – im Gegenzug zur Freilassung von zwanzigmal mehr palästinensischen Gefangenen. Doch der Hamas geht der Entwurf offenbar einerseits zu weit, andererseits nicht weit genug. Einem angeblichen Entwurfstext zufolge, den die libanesische Zeitung al-Achbar veröffentlichte, verpflichtet sich „die palästinensische Seite“, auf einen Wiederaufbau militärischer Infrastruktur zu verzichten. Gleichzeitig ist nur von einer „nachhaltigen Ruhe“ die Rede – nicht von einem Ende des Krieges.
Auch Äußerungen von Regierungschef Benjamin Netanjahu weisen darauf hin, dass Israel nicht bereit ist, der Forderung nach einem sofortigen Kriegsende nachzukommen. „Wir werden in Rafah einmarschieren und die dortigen Hamas-Bataillone ausschalten – mit oder ohne Abkommen“, sagte Netanjahu jüngst. In die Stadt im Süden von Gaza haben sich Teile der Hamas, aber auch Hunderttausende Zivilist*innen zurückgezogen.
Derweil hat am Mittwoch ein Hilfskonvoi mit 30 Lkw den Grenzübergang Erez zwischen Israel und dem nördlichen Gazastreifen passiert, der nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin erst seit einigen Wochen vereinzelt für Hilfslieferungen genutzt wurde. Nach dem Hamas-Großangriff auf Israel am 7. Oktober war Erez komplett geschlossen worden. Der Konvoi am Mittwoch kam aus Jordanien.
Erez gilt als einer der schnellsten Wege, um der Bevölkerung in Nordgaza Hilfe zukommen zu lassen. Dort also, wo das Risiko einer Hungersnot am höchsten ist. Bislang mussten Hilfskonvois die Übergänge Rafah und Kerem Schalom in Südgaza nutzen, wo sich die Lkw aber stauen. Kürzlich hatte Israel neue Zugangspunkte im mittleren und nördlichen Gazastreifen geöffnet, die aber laut Medienberichten kleiner sind als Erez.
Wer für die öffentliche Ordnung sorgen soll? Unklar
Zu den Lieferungen über Land sind in den vergangenen Wochen Airdrops hinzugekommen, an denen sich auch Deutschland beteiligt. Dabei werfen Flieger Paletten etwa mit Konservendosen, Reis oder Mehl aus der Luft ab. Im März landeten zudem auch Schiffe, die in Zypern abgelegt waren, an einem provisorischen Pier vor Gaza an. Die Seeroute wurde nach israelischen Luftangriffen auf Fahrzeuge von World Central Kitchen, bei denen sieben Mitarbeitende der Hilfsorganisation getötet wurden, zwischenzeitlich nicht mehr genutzt. Mittlerweile legen Schiffe aus Zypern aber wieder ab, steuern allerdings den Hafen von Aschdod in Israel an.
Doch die See- wie auch die Luftrouten ist nicht so effizient wie der Landweg, warnen NGOs. Schiffslieferungen sind mit logistischen Risiken verbunden und brauchen die Genehmigung von verschiedenen Seiten. Bei den Airdrops sind bereits Menschen getötet worden, von Paletten erschlagen oder beim Versuch ertrunken, die Pakete aus dem Meer zu fischen.
Frei von Risiken ist aber auch der Landweg nicht: Erst am Mittwoch teilte Jordanien mit, israelische Siedler im Westjordanland hätten zwei Hilfskonvois auf dem Weg nach Gaza attackiert. Laut Nachrichtenagentur Reuters haben vier Männer in der Nähe der Siedlung Ma'ale Adumim die Konvois angegriffen; die israelische Polizei habe sie festgenommen.
Der israelische Oberst Mosche Tetro hofft, Erez nun täglich öffnen zu können. Ziel sei es, täglich 500 Lkw mit Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu lassen – in etwa so viel wie vor dem 7. Oktober.
Eine Aufstockung der humanitären und anderweitiger Hilfe ist auch in dem Entwurf enthalten, über den Israel und die Hamas al-Achbar zufolge verhandeln. Demnach sollen in einer ersten, rund sechswöchigen Phase israelische Truppen aus Teilen Gazas weiter abziehen, um Hilfslieferungen und die Rückkehr von Zivilist*innen zu ermöglichen. 500 Lkw mit Hilfsgütern und Gütern für den Wiederaufbau, darunter 50 Tankwagen, würden täglich die Grenze passieren. Wer für die öffentliche Ordnung in dem Gebiet sorgen soll, bleibt in dem Text hingegen offen.
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