Neuer Pariser Klimaschutzplan: Tempo 50 auf der Autobahn
Proteste von Opposition und Kraftfahrern verunsichern die Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt nicht. Sie verfolgt die Verkehrswende weiter.
Außerdem möchte die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo im Rahmen des neuen Programms zur Bekämpfung der Luftverschmutzung auch in allen 20 Arrondissements Fußgängerzonen oder Bereiche mit eingeschränktem Fahrzeugverkehr einrichten. Die vielen Touristenbusse sollen definitiv aus dem Zentrum verbannt werden. Die grün-rot regierte Hauptstadt wäre damit einmal mehr klimapolitisch vorn – und Automobilisten, Wirtschaftsverbände sowie kommunale Opposition sind jetzt schon empört.
Hidalgo will sich jedoch von neuerlichen Protesten nicht aufhalten lassen. Im Frühling hatte sie eine Bürgerbefragung zu ihrer Klimapolitik initiiert. Diese stieß auf relativ wenig Echo, aber die allermeisten der 6.575 Stellungnahmen waren negativ. Rund 1.800 Kommunalpolitiker*innen des Pariser Großraums, angeführt von der konservativen Vorsitzenden der Hauptstadtregion Île-de-France, Valérie Pécresse, forderten die Bürgermeisterin auf, „auf ihr einseitiges Vorhaben zu verzichten“. Die Tempoverminderung sei kontraproduktiv und schaffe zusätzliche Stockungen, was wiederum „dramatische Folgen für die Luftqualität“ hätte. Man geht davon aus, dass in Paris mehr als 7.000 zusätzliche Todesfälle pro Jahr auf schmutzige Luft zurückzuführen sind.
Wer den „Périphérique“, der gerade 50 Jahre alt wird, aus alltäglicher Erfahrung kennt, muss sich allerdings fragen, ob es überhaupt noch schlimmer kommen kann. Vor allem am frühen Vor- und am Spätnachmittag bilden sich vor allem im Süden und Osten der insgesamt 35 Kilometer langen Ringautobahn lange Staus, nicht nur vor den Ein- und Ausfahrten. Die tatsächliche Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt zu diesen Stoßzeiten allenfalls 35 Stundenkilometer, insgesamt tagsüber rund 50 und während der Nacht 60. Dies aber nur, weil es auch Strecken gibt, wo der Verkehr mit der aktuellen Höchstgeschwindigkeit 70 rollt.
Mehr Tempo durch weniger Tempo
Die Stadtregierung geht deshalb davon aus, dass eine einheitliche Temporeduktion den Verkehr zumindest tags nicht verlangsamen, sondern beschleunigen könne. 2014 hatte die Senkung von Tempo 80 auf 70 messbare Verbesserungen der Belastung erbracht und die Zahl der Unfälle um 15 Prozent verringert.
Hidalgo geht es vor allem um die Klimaziele, die nur mit drastisch weniger Verbrennerautos und der Umstellung auf umweltfreundlichere Transportmittel erreicht werden können. Im Visier hat sie darum vor allem die „Auto-Solisten“ – Fahrzeuge, in denen nur eine Person sitzt. An dieser Linie hält sie fest, auch wenn sie das 2026 die Wiederwahl kosten könnte.
Noch ist indes nichts beschlossen. Die Vorschläge der Koalition aus Sozialisten, Grünen und Kommunisten werden im Dezember debattiert, bevor Ende des Jahres über sie abgestimmt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich