Neuer Haushalt der Ampelkoalition: Umverteilen in die falsche Richtung
Der jetzt endlich beschlossene Haushalt der Bundesregierung ist genau das, für was ihn die Kritiker aus allen Reihen halten: ein Armutszeugnis.
S elten sind sich Vertreter:innen von Organisationen politisch entgegengesetzter Richtungen so einig: Ob Unternehmensvereinigungen, Sozialverbände, Umweltorganisationen oder Gewerkschaften – sie kritisieren den Haushalt der Ampelregierung massiv. Bei allen Unterschieden verbindet sie eine Einschätzung: Die Ampel investiert nicht genug in die kaputtgesparte Infrastruktur und den klimagerechten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Sie riskiert den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Branchen.
Die Vertreter:innen der Organisationen liegen völlig richtig. SPD, Grüne und FDP verabschieden einen Sparhaushalt, der ein großes Unvermögen dokumentiert: Sie sorgen weder dafür, dass die Konjunktur stabilisiert wird, noch, dass die Klimaziele erreicht werden. Gleichzeitig treiben sie die Umverteilung von unten nach oben voran.
Bei vielen Kritiker:innen der Haushaltsbeschlüsse steht die Schuldenbremse im Fokus, weil diese Vorgabe die Geldbeschaffung für Investitionen blockiert. Ja, es wäre besser, die Schuldenbremse würde abgeschafft oder wenigstens reformiert. Aber: Der ständige Ruf danach verstellt den Blick auf das, was trotz Finanzierungsblockade mit ein wenig gutem politischen Willen möglich wäre. Statt Spielräume zu nutzen, entlastet die Ampel systematisch Wohlhabende. Die gewährten Steuererleichterungen überkompensieren bei Gutverdienenden die Belastungen durch diverse steigende Abgaben, Leute mit wenig oder mittleren Einkommen haben unterm Strich weniger. Die Ampel sorgt selbst dafür, dass ihre Spielräume beim Haushalt kleiner werden. Um die Lücken zu schließen, wird der Rotstift angesetzt. Aber nicht da, wo es sinnvoll wäre: In den Ausbau von Autobahnen fließt viel Geld, bei Radwegen und Schiene wird gespart. Die massiv steigenden Militärausgaben werden nicht infrage gestellt. Gleichzeitig wird im Entwicklungshilfeetat drastisch gekürzt – obwohl die Ampel versprochen hatte, dass diese Gelder mit denen für die Bundeswehr steigen sollten. Haushaltslöcher mit Kürzungen bei Bürgergeldbeziehenden zu stopfen, die die Kontrolle über ihr Leben verloren haben und als „Totalverweigerer“ gebrandmarkt werden, ist niederträchtig. Erst recht, wenn umweltschädliche Subventionen wie das Dienstwagenprivileg für Topverdienende nicht angerührt werden.
Viele Bürger:innen lehnen diese Prioritätensetzung ab. Die Ampel regiert gegen eine wachsende Mehrheit. Der Preis dafür ist hoch: eine dramatische Rechtsverschiebung. Die FDP mag das nicht stören. Aber es ist unfassbar, dass Grüne und SPD bereit sind, diesen Preis zu bezahlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut