Neue Wirtschaftsprognose: Unsinniges Schuldentilgen
Die Coronakrise ist für Deutschland ökonomisch beherrschbar. Gefährlicher ist die unselige Schuldenbremse, die den Klimaschutz behindert.
A uf den ersten Blick wirken die Konjunkturaussichten nicht besonders erfreulich: Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr um einen Prozentpunkt nach unten korrigiert. Doch das klingt dramatischer, als es ist. Die Volkswirte hegen nämlich keinen Zweifel daran, dass es demnächst steil bergauf gehen wird. Insgesamt sagen sie ein Plus von 3,7 Prozent voraus.
Noch ist Lockdown, aber die Forscher gehen davon aus, dass spätestens im Sommer Läden, Gaststätten und Hotels wieder öffnen können. Sobald aber die Deutschen in die Kneipen stürzen und auf Reisen gehen, entsteht automatisch wieder Wachstum.
Deutschland hat also Glück. Die Coronakrise ist heftig, aber ökonomisch beherrschbar. Das zeigen auch die neuesten Schätzungen für den Staatshaushalt. Die Defizite steigen zwar weiter und dürften 2021 bei minus 159 Milliarden Euro liegen – aber dies entspricht „nur“ 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ein Staatsbankrott sieht anders aus.
Die Gefahr lauert nicht bei den Schulden – sondern sie liegt darin, dass sich künftige Bundesregierungen darauf versteifen, die Kredite allzu schnell zurückzuzahlen. Denn die unselige „Schuldenbremse“ schreibt vor, dass Kredite wieder abgebaut werden müssen. Also ist momentan der Plan, ab 2026 jedes Jahr 18 Milliarden Euro in die Schuldentilgung zu stecken. Selbst das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hält diesen Spareifer für unsinnig und gefährlich.
Völlig falsche Prioritäten
Es gäbe deutlich bessere Optionen, das Staatsgeld zu investieren – zum Beispiel in den Klimaschutz. Denn Deutschland steckt in einem Dilemma: Einerseits ist Wachstum nötig, damit die Wirtschaft langfristig stabil bleibt, aber gleichzeitig führt genau dieses Wachstum dazu, dass die Emission von Treibhausgasen nicht schnell genug sinkt.
Einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden wird sicher nicht einfach. Es gelingt aber garantiert nicht, wenn der Staat völlig falsche Prioritäten setzt und lieber Schulden tilgt, als in den Klimaschutz zu investieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen