Neue Sitzordnung im Bundestag: Die Union muss weiter nach rechts
Mit den Stimmen der Ampel ändert der Bundestag die Sitzordnung im Plenarsaal. CDU und CSU müssen künftig neben der AfD sitzen – und sind sauer.
CDU und CSU empfänden das Verhalten der Koalitionsparteien als „Ausdruck von Respektlosigkeit“, ruft Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, in den Saal. Er kritisiert, dass der Antrag keinerlei Begründung vorsehe. Und dass die Koalition ursprünglich vorgesehen habe, ihn noch nicht einmal im Plenum zu diskutieren. Das Ganze habe „klar durchsichtig parteipolitische Gründe“.
Schon am Vortag hatte Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus dies scharf kritisiert. „Wie klein ist das denn?“, fragte er Richtung FDP. Die neue Koalition könne ihren Respekt vor der demokratischen Opposition „auch dadurch zeigen, dass Sie die 70 Jahre alte Sitzordnung in diesem Parlament respektieren“.
Johannes Vogel, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, dagegen betont, dass seine Partei schon 2017 beim Wiedereinzug in den Bundestag den Platz in der Mitte gefordert habe. Das aber sei an der Union gescheitert. Das Links-rechts-Schema der Politik sei nicht perfekt, sagt Vogel. „Aber das Links-rechts-Schema ist das, wonach das Plenum sortiert ist, es gibt nur eine Ausnahme: dass die Freien Demokraten nicht in der Mitte sitzen.“
Sogar Franz Josef Strauß wird ins Feld geführt
Vogel betont auch, dass die CDU 2018 in Hessen und die CSU in Bayern die Sitzordnung so geändert hätten, dass die FDP gegen ihren Willen als Puffer zur AfD fungieren musste. Und hätte nicht schon Franz Josef Strauß gesagt, dass es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe? „Franz Josef Strauß“, sagt Vogel, „soll seinen Willen bekommen.“
Irene Mihalic, Vogels Kollegin von den Grünen, verwies darauf, dass die Sitzordnungen in den Landtagen ganz unterschiedlich seien. Und betonte, man werde sich solidarisch mit dem Koalitionspartner verhalten. Ähnlich äußerte sich die SPD. Jan Korte von der Linkspartei attestierte der Union „Weinerlichkeit“. Und die Gleichsetzung von AfD und Linken, die gerade erst Brinkhaus wieder einmal vorgetragen habe, sei „typisch rechts“. Deshalb würde es schon passen, dass die Union neben der AfD sitzen solle.
Für die Union ist der Antrag nicht nur deshalb misslich, weil niemand neben pöbelnden AfD-Abgeordneten sitzen will. Die Sorge ist groß, dass die FDP als bürgerliche Kraft in der Koalition ihr den Platz in der politischen Mitte streitig machen und dauerhaft besetzen könnte. Dass sie ihn bereits jetzt optisch für die FDP räumen soll, ist an Symbolik kaum zu überbieten.
Das gilt auch für die andere Seite, das Heranrutschen an die AfD. Die Union steht nach ihrem Absturz bei der Bundestagswahl unter Beobachtung, ob sie in der Opposition der Versuchung widersteht, weiter nach rechts zu rücken. Das gilt umso mehr, weil in der CDU künftig Friedrich Merz, wirtschaftsliberal und konservativ, als Parteichef den Ton angeben könnte.
Der Antrag wird mit den Stimmen der Ampel und der Linksfraktion angenommen. Die Union votiert dagegen, die AfD enthält sich. Nach der Weihnachtspause soll der Bundestag in der Woche ab dem 10. Januar zu seiner nächsten Sitzung zusammenkommen. Bleiben den Bundestag-Handwerker:innen also drei Wochen, um die Sitze umzuschrauben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren