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Neue Pisa-Studie zu LesekompetenzDeutschland ist Mittelmaß

Die neuen Pisa-Ergebnisse sind ernüchternd. Zuständige Politiker scheinen ratlos, die Opposition spricht von einem Weckruf – und kritisiert die Groko.

Klappt es mit dem Lesen? Das hängt stark davon ab, auf welche Schule die Schüler:innen gehen Foto: Ikon/imago

Berlin taz | Bundesbildungsministerin Anja Karliczek bemühte sich gar nicht erst, die Situation schönzureden. Sie sei wirklich besorgt, sagte Karliczek am Dienstag anlässlich der Vorstellung der neuen Pisa-Studie. Der Ländervergleich der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit, OECD, weist Deutschland seit 2001 einen Platz im Mittelfeld zu. Doch während es nach dem ersten Pisa-Schock eine große Dynamik gab, sehe sie diese heute nicht mehr, so Karliczek. „Wir brauchen einen Aufbruch in der Bildungspolitik. Mittelmaß kann nicht unser Anspruch sein“, mahnte die CDU-Politikerin.

Drei Ergebnisse der Studie gäben ihr besonders Anlass zur Besorgnis: Der Anteil der leistungsschwachen Schüler:innen steigt seit 2009 wieder an. Der aktuellen Studie zufolge können rund 21 Prozent der Jugendlichen in Klasse 9 gerade mal auf Grundschulniveau lesen. Jungen sind besonders betroffen, sie sind außerdem abgerutscht. Und: Der Zusammenhang zwischen Herkunft und Leseleistungen von Schülern wird stärker.

Damit legt Karlizcek zumindest den Finger in die Wunden und appellierte an die ebenfalls anwesenden Vertreter der Länder, in Zukunft besser zusammenzuarbeiten. Doch die Länder, namentlich Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, hatten Karliczek gerade abblitzen lassen, als es um einen gemeinsamen nationalen Bildungsrat ging.

Die Reaktion des amtierenden Präsidenten der Kultusministerkonferenz und hessischen Ressortchefs Alexander Lorz, CDU, auf die Ergebnisse der Pisa-Studie ist denn auch eher hilflos. Gefragt, was denn jetzt nötig sei, um den Anteil der sehr schwachen Leser:innen zu verringern und das Schulsystem gerechter zu machen, meinte Lorz, er habe auch kein „Zauberrezept“.

Scharfe Kritik an Bildungspolitik der Groko

Er verwies auf die gemeinsame Strategie zur Förderung leistungsschwacher Schüler und Schülerinnen und das gemeinsame Bund-Länder-Programm für Brennpunktschulen. „Das ist das Beste, was uns eingefallen ist“, meinte Lorz. Doch das ist recht wenig. Die gemeinsame Strategie ist schon vor zehn Jahren aufgesetzt worden und legt gemeinsame Ziel, aber keine länderübergreifenden Maßnahmen fest. Und mit dem Programm für Brennpunktschulen werden in den nächsten zehn Jahren rund 200 Schulen erreicht – nicht einmal 1 Prozent der allgemeinbildenden Schulen in Deutschland.

Die Reaktionen auf die Ergebnisse der Pisa-Studie fielen denn auch recht harsch aus. Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen Margit Stumpp nannte es beschämend, dass der Bildungserfolg in Deutschland nach wie vor stark vom Elternhaus abhängt. „Die aktuelle Studie muss ein Weckruf sein.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte, sieht die Bundesregierung in der Pflicht. „Am schlechtesten im Pisa-Test hat die Bundesregierung abgeschnitten.“ Es gebe kein deutlicheres Zeichen für Politikversagen, als wenn die Zukunft von Kindern abhängig von ihrer sozialen Herkunft sei.

Doch zuständig für die Schulpolitik sind vor allem die Länder. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Bärbel Bas kritisiert den Ausstieg der Länder aus dem Bildungsrat. „Wir halten am Ausbau der Ganztagsbetreuung fest und wollen den geplanten gesetzlichen Anspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule bis zum Jahr 2025 umsetzen“, so Bas. „Dies geht nur, wenn Bund und Länder zusammenarbeiten.“

Der Schwerpunkt der aktuellen Studie lag wie auch im Jahr 2000 auf den Lesefähigkeiten der Neuntklässler:innen. Aktuell erreichen deutsche Schüler:innen im Durchschnitt knapp 500 Pisa-Punkte und damit das Niveau 3 auf einer Skala von 1 bis 6. Anders als vor 20 Jahren, als Deutschland mittelmäßig, aber unterdurchschnittlich abschnitt, liegen die Jugendlichen nun sogar leicht über dem Durchschnitt der OECD-Staaten.

Die Schere zwischen unten und oben geht auf

Die Verbesserungen der deutschen 15-Jährigen sind jedoch nur bedingt auf gestiegene Lesekompetenzen zurückzuführen – im Vergleich zur zweiten großen Lesestudie von 2009 sind diese sogar gleich geblieben –, sondern darauf, dass frühe Pisa-Sieger wie Schweden oder Finnland abgesackt sind. Die Spitzengruppe rekrutiert sich aus chinesischen Provinzen und Singapur.

Hinter dem deutschen Durchschnitt steckt außerdem eine besorgniserregende Entwicklung: Die Schere zwischen den starken und den schwachen Leser:innen geht auf. So ist der Anteil der sehr schwachen Leser:innen auf dem Kompetenzniveau 1 oder im Vergleich zur Pisa-Studie mit gleichem Schwerpunkt im Jahre 2009 gestiegen. Aktuell gelten fast 21 Prozent der Neuntklässler:innen als schwache Leser:innen.

Das heißt, sie können die Grundidee eines Textes mittlerer Länge nicht erkennen und keine Zusammenhänge herstellen. Besonders betroffen sind Jungen. Der Anteil von besonders leseschwachen Jungen liegt seit 2009 unverändert bei einem Viertel, wobei die Gruppe derjenigen, die kaum oder gar nicht lesen können, sogar gewachsen ist.

Andererseits ist auch die Gruppe der starken Leser:innen gewachsen. Auf den oberen beiden Kompetenzstufen lesen 11 Prozent der Jugendlichen.

Gymnasien hui, alle anderen pfui

Schaut man sich an, auf welche Schularten sich diese Gruppen verteilen, dann ergibt sich ein sehr klares Bild. Die Leseschwachen sammeln sich an den nicht gymnasialen Schularten, die Lesestarken an den Gymnasien. An den Schulen ohne Abitur können 29 Prozent der Schüler:innen Texte nicht so lesen, dass sie deren Sinn erkennen. Die Leistungsspitze ist fast gar nicht vertreten.

An den Gymnasien gelten dagegen nur 2 Prozent der Schüler:innen als leseschwach, mehr als ein Viertel der Jugendlichen verfügt aber über sehr hohe Kompetenzen. „Diese Jugendlichen bringen somit ausgezeichnete Voraussetzungen für die weitere schulische und berufliche Ausbildung mit“, heißt es im deutschen Pisa-Band. Dagegen liefen Menschen mit niedrigen Basiskompetenzen mehr denn je Gefahr, ausgegrenzt zu werden, so OECD-Vizegeneralsekretär Ludger Schuknecht in einer Presseerklärung.

Der Studie zufolge ist die Konzentration von leistungstarken und -schwachen Schülern auf bestimmte Schularten in Deutschland besonders ausgeprägt. „Grund dafür ist die frühe Selektion und Aufteilung auf verschiedene Schultypen“, heißt es in der Ländernotiz der OECD für Deutschland.

Da das Elternhaus in Deutschland eine entscheidende Rolle bei der Wahl der weiterführenden Schulart meist nach Klasse 4 spielt, verwundert es nicht, dass der Zusammenhang zwischen Herkunft und Lesekompetenzen im internationalen Vergleich überdurchschnittlich stark ausfällt. Im Vergleich zur Studie von 2009 hat sich die soziale Abhängigkeit von Kompetenzen sogar noch verstärkt.

Schüler:innen leiden unter Lehrermangel

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch, wenn die mathematischen und naturwissenschaftlichen Leistungen der Schüler:innen betrachtet werden, die in der aktuellen Studie im Nebenfach getestet wurden. Diese haben sich im Mittel gegenüber der letzten Untersuchung im Jahr 2015 verschlechtert.

Chancengerechtigkeit bleibe eine Herausforderung für das deutsche Schulsystem, so die OECD. Sie merkt an, dass Schulleiterinnen und Schulleiter in Deutschland deutlich häufiger über eine mangelnde Ausstattung mit Personal und Sachmitteln klagten als ihre Kolleginnen und Kollegen im OECD-Schnitt. Gleichzeitig seien sozioökonomisch benachteiligte Schulen stärker mit Personalmangel konfrontiert als sozioökonomisch begünstigte Schulen.

In den ergänzenden Befragungen zur Studie haben Schulleiter:innen angegeben, dass 70 Prozent der Schüler:innen in Brennpunktschulen von Unterrichtsausfällen durch Lehrermangel betroffen seien. An begünstigten Schulen traf es nur 34 Prozent der Schüler:innen.

Für die aktuelle Studie wurden weltweit 600.000 Neuntklässler:innen in 79 Ländern getestet. In Deutschland bearbeiteten gut 5.500 Schüler:innen aus 223 Schulen die Aufgaben, und zwar ausschließlich digital.

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39 Kommentare

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  • Georg Schramm (Kabarettist): „Vielleicht wird die Produktion von PISA-Idioten wissentlich in Kauf genommen, weil ein gerüttelt Maß an Dummheit förderlich ist, weil dann der Urnenpöbel nicht bemerkt, welche Gestalten sich bei den Parteien schon zusammengesammelt haben.“

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Ricky-13:

      Das "vielleicht" können wir gestrost streichen.

    • @Ricky-13:

      Welches Leseverständnis fördert solche Erkenntnisse zu Tage?

  • Wer sein Kind liebt, gibt ihm ein Buch, kein Handy!

    • 0G
      08439 (Profil gelöscht)
      @Faunino:

      Auf einem Handy kann das Kind lesen, aber mit einem Buch nicht telefonieren oder im Internet surfen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    The same procedere as last year/ time ...

    Was soll bei einem Land, in dem politisch fast alle in die MITTE drängen, anderes herauskommen als Mittelmäßigkeit? 'Mitte' kann nur der wahrnehmen, der sich zuvor auch die Ränder angeschaut hat. Deutschland hat auf dem rechten Auge eine steinalte partielle Sehschwäche.

    Wer in Bildung Geld steckt, wird sich über gebildete Menschen freuen können. Wer eine Schwarze Null zu seinem Credo macht, wird auch Nullen ernten.

    Rüstung runter - Bildung rauf,



    anders wird der Zeiten Lauf.

    • 0G
      08439 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Bildung, verehrter Herr Leiberg, braucht nicht Geld, sondern Muße.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @08439 (Profil gelöscht):

        Danke für die Beleerung.

        Bildung braucht Geld UND Muße. Übung ist auch nicht zu verachten.

        • 0G
          08439 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          Ein wenig Geld braucht's schon, aber an Ihrem eigenen Beispiel lässt sich ermessen, dass Geld nicht hinreichend ist, Muße hingegen schon. Denn schließlich weiß, wer Ihre klugen Beiträge aufmerksam liest, dass sie mit dieser weitaus mehr gesegnet sind als mit jenem.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @08439 (Profil gelöscht):

            Oha - und holladihüh.

            Nach Ihrem ebenso tiefen wie freundlichen Griff ins Honigtöpfchen wäre es ein Frevel, mich in nächster Zeit zu rasieren. Das muss denn bis zum Neuen Jahr warten. Das Gute im Schlechten: Männer im Alter müssen nicht (mehr) schön sein.

            Da liest offenbar jemand meine Beiträge sehr aufmerksam. Wenn Sie mich schon als Kronzeugen nehmen: für meine Bildung hatte ich zunächst die Chance, mit BaFöG gefördert zu werden, später - berufsbegleitend - Fortbildungen selbst zu finanzieren.

            Wir stellen fest: Bildung braucht auch Neugier und Motivation.

            Danke für die semantischen Blumen ... Wenn ich jetzt noch von "Jenem" mehr hätte.

            • 0G
              08439 (Profil gelöscht)
              @76530 (Profil gelöscht):

              Neugier und Motivation, ja! Wer aber ist dafür verantwortlich, dass beides fließt bei einem Menschen. Viele würden wohl heute noch sagen, die Eltern, aber das ist wohl eher Ausrede für jene, die solche verantwortungsvollen Eltern hatten. Dennoch haben selbige es bei mir nicht vermocht, mich auf den "Pott" zu setzen. Das musste ich ganz allein machen. Aber ich verstehe jetzt, warum Geld für Sie, aber nicht für mich wichtig ist.

              • 7G
                76530 (Profil gelöscht)
                @08439 (Profil gelöscht):

                Ab einem gewissen Alter ist Schluss damit, Eltern zu den Alleinschuldigen für eigene Fehler zu machen.

                In früheren Zeiten hatten sie einen großen Anteil für den Start ihrer Kinder ins Leben, mittlerweile sind sie von anderen Instanzen abgelöst worden. Mit der Digitalisierung ganz besonders.

                Was Neugier und Motivation angeht: ein Mensch kann dazu von außen angestoßen werden. Ausbilden und kultivieren muss das ein Jeder selbst.



                Von daher: Zustimmung zu Ihrer Geschichte von Ihnen und Ihrem Töpfchen.

                Wollen Sie mir Ihren letzten Satz noch erläutern?

                • 0G
                  08439 (Profil gelöscht)
                  @76530 (Profil gelöscht):

                  Letzter Satz: na, weil ich aus einer Familie komme, die mir jede Freiheit gelassen hat, meinen Weg zu gehen. Druck gab es so gut wie keinen. Und wohlhabend war sie auch in einem Maße, dass ich mich um Geld erst zu sorgen brauchte, als ich selbst eine Familie gründete.

                  • 7G
                    76530 (Profil gelöscht)
                    @08439 (Profil gelöscht):

                    Sie Glückspilz.

                    Meine Familie (Motto: Knüppel zwischen die Beine - und anderswohin) war so ziemlich der Gegenentwurf. Sie haben den WK 2 mitgemacht. Das hat geprägt. Indirekt auch mich.

                    • 8G
                      88181 (Profil gelöscht)
                      @76530 (Profil gelöscht):

                      Werter Mitforist, in der Sache, die wir neulich oberflächlich besprachen, wäre es notwendig, dass Sie gegenüber der kommune eine Freigabe ihrer Adresse bewirken.

                      • 7G
                        76530 (Profil gelöscht)
                        @88181 (Profil gelöscht):

                        Gut. Wird erledigt.

                        Wenn ich morgen auf meinen zweiten Geburtstag einen Schoppe petze, denke ich gerne auch an Sie und die tollen Jahre in den 1970ern und 1980er in MR. ;-)

                        • 7G
                          76530 (Profil gelöscht)
                          @76530 (Profil gelöscht):

                          +++ Correction +++

                          ... an meinem zweiten (zusätzlichen) Geburtstag ...

                          Kryptonia was calling.

                    • 0G
                      08439 (Profil gelöscht)
                      @76530 (Profil gelöscht):

                      Ich bin auch davon überzeugt, obwohl ich nie Anzeichen von Revanchismus bemerkt habe, dass das Flüchtlingstrauma meinen Altvorderen schwer zu schaffen gemacht hat. Das hat zu einem sozialen Abstieg geführt, der im Grunde erst mit meiner Generation wieder annähernd ausgeglichen war. Der Tenor war in etwa, dass "wir" es bei allem Unbill und Verlust doch sehr gut hätten. Schmalhans war indes Küchenmeister, nicht weil er keine Mittel hatte, sondern weil man sich eingedenk war, wie viel Glück man hatte, von 8 Kindern nur eines und keinen Erwachsenen im Krieg verloren zu haben. Konsumverzicht hat also Pate gestanden und ist heute sozusagen mein Lebensmotto (obwohl es da noch so einiges zu verzichten gäbe...).

                      • 7G
                        76530 (Profil gelöscht)
                        @08439 (Profil gelöscht):

                        Das klingt für mich sehr bewegend.

                        Und was Verzicht und Teilen angeht: dies wird das Programm der Zukunft sein müssen, um Menschen, Natur und Erde zu erhalten.

                        Ich habe mich unter dem Diktat des Faktischen nach anfänglichem Widerstand ergeben. Für einen Hedonisten, also lasterhaften Menschen, gibt es einfachere Lernaufgaben.

                        Doch wie schrieb schon Hermann Hesse: Auf einfache Wege schickt man nur die Schwachen. Da ist etwas dran. Auch wenn Schwache auf schweren Wegen stark werden können ...

  • 0G
    07954 (Profil gelöscht)

    Wäre jetzt mal ein erstes gutes Betätigungsfeld für Frau Esken, um ihre Kritiker zu überzeugen. Thema passt zu ihrer Kompetenz: Elternbeirat und Digitales. Vorwärts Genossen!

  • Bildunterschrift: „Klappt es mit dem Lesen? Das hängt stark davon ab, auf welche Schule die Schüler:innen gehen“



    Mit Verlaub: Nein! Hierfür genügt die Schule (egal, welcher Qualitätsstufe) nicht! Wichtig ist die ständige Übung, auch und vor allem in der Freizeit. Mir selbst kam zugute, dass es in meinem Elternhaus keinen Fernseher gab und auch PC und Smartphones, die mich hätten ablenken können, waren damals noch nicht üblich. Also „verschlang“ ich Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, die mir in die Hände kamen und erwarb so die „Lesekompetenz“ (= lesen + verstehen).



    Was die Überschrift betrifft („Deutschland ist Mittelmaß“): Auch meine eigenen schulischen Leistungen lagen, mal abgesehen vom Lesen, eher in der „Mitte“, was mich durchaus wurmte. Ich bin rückblickend froh, dass meine Eltern mir auf den Weg gaben: „Du musst nicht immer der Erste sein, aber gib acht, dass du nicht der Letzte bist!“.



    Könnte auch für D. insgesamt gelten!

  • .... "Deutschland deutlich häufiger über eine mangelnde Ausstattung mit Personal und Sachmitteln klagten als "....

    Da fehlen natürlich Bezugspunkte. Wie ist die Ausstattung, absolut und im Verhältnis zum BSP?



    Gibt es eine Vergleichsgruppe über die Klagebereitschaft, sprich, vielleicht ist das Klagen ja eine soziokulturelle Eigenschaft der hiesigen Gesellschaft.



    Es gibt keine Berufsgruppe die nicht über mangelnde Ausstattung klagt, sei es Polizisten, Richter, Pfleger, Bauern,



    Lehrer, Erzieher, sogar Abgeordnete.

  • (also Schrott, der zur dringend notwendigen Verbesserung des Bildungssystems eher nicht beiträgt.)

  • Wie wär's mal mit Kritik an der PISA-Studie. Die kommt von der OECD, ist ein Werkzeug des Neoliberalismus und ist Schrott, der Stress und Aktionismus in der Schule verursacht.

    • 0G
      08439 (Profil gelöscht)
      @Hanno Homie:

      Es wundert mich auch sehr, dass in den Medien kaum je eine kritische Haltung zu dieser sogenannten PISA-Studie eingenommen wird. Wenn überhaupt, so ist Bildung bestimmt nicht anhand standardisierter Stichproben messbar.

      Dass viele nicht mehr korrekt schreiben oder anspruchsvolle Texte lesen können, ist ja nun auch nicht gerade neu. Das gilt ebenso für die fehlende Durchlässigkeit für Kinder aus "bildungsfernen Elternhäusern". Hier könnte man durch eine Einheitsschule nachhelfen. Das tun die meisten Länder ja schon, insofern sie u.a. das Gymnasium zu einer solchen machen und sich dann wundern, dass es den Abiturienten an Allgemeinbildung mangelt.

      Warum wir keine Schulformen etablieren können, die einerseits Grundfertigkeiten vermitteln und andererseits auch den verschiedenen Gaben der Menschen halbwegs gerecht werden kann, verstehe ich nur, wenn ich davon ausgehe, dass es in Wahrheit nicht um Bildung, sondern um Ausbildung geht. Bei Ausbildung kommt aber meist nur das heraus, was hineingesteckt wird.

  • Höchste Zeit, das deutsche "geteilte Schulsystem" in die Tonne zu kloppen.

    Besonders eklig das Detail, dass Menschen, die sich selbst als "Christ(inn?)en" bezeichnen mit Zähnen und Klauen für dieses höchst ungerechte System kämpfen. Warum nur.

    • @tomás zerolo:

      Was ist denn gerecht?

    • @tomás zerolo:

      Und wir orientieren uns dann an den Besten, also nicht Skandinavien sondern, Singapur, Japan oder Taiwan ?

      Da würde ich gerne mal sehen was hier los wäre wenn die Anforderungen auf das Niveau angehoben werden und der Leitspruch ist, "nur unter Druck entstehen Diamanten!"

      • @Sven Günther:

        Die Schulsysteme in Japan, Singapur, ... sind ungeteilt. z.B. geht in Japan fast jeder auf eine Oberschule.

        Diese Oberschulen sind aber nur formal gleich, und unterscheiden sich stark im Niveau und im Lehrangebot. Man weiß welche gut ist und wo man hin will, und es gibt unterschiedlich schwere Zugangstests die man bestehen muss um auf eine bessere Schule zu kommen, was wieder Voraussetzung ist um auf eine Uni zu kommen.

        So hat man dort de facto auch Hauptschulen und Gymnasien, sie heißen nur gleich.

      • @Sven Günther:

        Orientieren heisst nicht kopieren. Finnland wäre vielleicht näherliegend.

        Lenken Sie nicht ab -- hier in Deutschland haben wir bereits einen moderneren Ansatz in Form der Gesamtschulen -- immer wieder von der CDU (und dem kleinen Kläffer an ihrer Seite) torpediert.

        • @tomás zerolo:

          Ich hab überhaupt nichts gegen gemeinsames Lernen, nur das deutsche Gesamtschulmodell macht die guten Schüler schlechter und die Schlechten nicht erheblich besser, darum bin ich dagegen.

        • @tomás zerolo:

          Deshalb schneiden Bundesländer mit Gesamtschulen wie z.B. NRW auch im Ländervergleich immer so viel schlechter ab als Bayern und BaWü...

  • Kommunizierende Röhren halt.



    Wenn die große Politik mit übergeordneten Organsiationen einen Test aufsetzen..dann kommt ein Lesetest für 15 Jährige heraus(!) der dann in den großen internationalen Medien und wohl auch Kongressen als große Aussage validiert und diskutiert wird.



    "Ja wohlan" sage ich nur!



    Wenn wir dann in der Wirtschaft Uni-Absolventen kriegen die sich einfach mal vorstellen sollen oder einen Sachverhalt erläutern oder einfach mal telefonisch einen Sachstand eines Projekts abzufragen haben wirds schon manchmal recht durchwachsen...



    Die sachliche und fachliche Ausbildung erfolgt immer mehr in den Betrieben und nicht an den (Hoch-)Schulen. Daher null Erkenntis außer einer neuerlichen Nabelschau von Politik, Wissenschaft, Medien.



    Mir scheint, dass die drei genannten immer weniger auf dem Schirm haben was denn so an der Basis benötigt wird. Natürlich auch die (Konzern-) Wirtschaft selbst schuld vor lauter überkandidelter Human Ressource Abteilungen und Recruiting Officer und wichtigster Work life Balances die von den Consultants per Junior und Senior Kumpanen in den Markt gedrückt wird. Ich nehme an, dass sind die gleichen die auch bei der Effizienz-Initiative PISA die Strippen ziehen.



    Wohl dem Land, dass sich das alles leisten kann anstatt über Inhalte zu reden.

    • 0G
      08439 (Profil gelöscht)
      @Tom Farmer:

      Unsere HR-Leute suchen dauernd nach kompetenten Leuten und bitten verstärkt die Mitarbeiter um Vorschläge oder Referenzen. Ich denke, die sind weniger überkanditelt, als vielmehr recht bodenständig (down-to-earth).

  • Das ist nicht nur beim Lesen so, sondern auch beim Schreiben. Als Uni-Mitarbeiter schockiert es mich in den Klausuren immer wieder auf's Neue, daß etwa ein Viertel der Studenten keine grammatisch korrekten Sätze bilden kann — und das sagt bekanntlich noch nichts über die inhaltliche Seite der Antworten aus. Das Abitur verdient die Bezeichung "Hochschulzugangsberechtigung" m. E. nicht länger.

    • 0G
      07954 (Profil gelöscht)
      @S.R.:

      Ja genau, man könnte das Abitur abschaffen denn es beschreibt nicht mehr eine Uni-zugangsreife. Besser wären gleich Aufnahmeprüfungen für jeden einzelnen Studiengang, die bundesweit für jedes Fach die Eignung prüft und von Uniprofs beaufsichtigt werden. Dann relativiert sich unser 3gliedriges System schnell und wir schaffen Fairness bei den Vergaben.

    • 0G
      08439 (Profil gelöscht)
      @S.R.:

      Da können Sie sich glücklich schätzen. Vor 20 Jahren, als ich dieses zweifelhafte Vergnügen hatte, waren es eher drei Viertel. Wenn ich die Messlatte so hoch gelegt hätte, wie sie bei uns noch hing, hätte ich fast jede Arbeit wegen solchen "Formalien" eine Note herabstufen müssen. Mit der Fähigkeit des Ausdrucks war es auch nicht weit her. Dumm war nur, dass dies auch den Inhalt oft genug im Nebel ließ. Aber wahrscheinlich lag das an meiner Unfähigkeit, inhaltlich komplexe, aber formal defizitäre Texte zu verstehen. Die jungen Menschen heute scannen vor allem, sie lesen nicht mehr irgendwas Satz für Satz. Und so schreiben sie auch. Man wird sich daran gewöhnen müssen, weil der TGV ohnehin schon abgefahren ist und wir noch im D-Zug mit Dampflok sitzen.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @08439 (Profil gelöscht):

        Willkommen im Kreis der Freunde und Förderer der bildhaften Sprache.

        'Mein' früherer Schuldirektor war erfüllt von ähnlichen Bildern, die er bei unserer Abi-Feier zum Besten gab. Er sprach davon, dass der Zug längst abgefahren sei und er nur dastehen könne und winken.

        Keiner von uns - damals jungen - Schnöseln hat ihn verstanden. Wie traurig. Nach Ihrem Post spüre ich ihn in seiner Melancholie. Jetzt geht es mir ähnlich wie vermutlich ihm damals.

        • 0G
          08439 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          Vielleicht ist es die Erkenntnis, etwas ob des Wissens um die Vergeblichkeit des Widerstands dagegen gehen- oder fahrenlassen zu müssen, die das Alter einläutet. Die Bildung, die man uns vermitteln wollte, ist wohl museal geworden - was heute darunter verstanden werden soll, vermag ich jedenfalls nicht mehr so recht zu begreifen. Als Vollzeitbeschäftigter in einem "agilen" Unternehmen merke ich aber, dass es an Fertigkeiten mangelt, deren Herausbildung bei uns einmal im Mittelpunkt gestanden hat, obwohl man in dieser Beziehung freilich auch nur bedingt erfolgreich war. Anstelle der Fertigkeiten scheinen nun Soft-Skills zu treten. Nur: wenn alles weich wird, fehlt Rückgrat und ohne Rückgrat fehlt Kraft und Orientierung. Das ist leider der Eindruck, der sich mir aufdrängt und damit diese blödsinnige Befürchtung, früher sei vielleicht doch manches besser gewesen.