Neubiberg und sein Bürgermeister: Wie die CSU eine Drogenaffäre in den eigenen Reihen aussitzt
Die CSU steht für eine restriktive Drogenpolitik. Oder doch nicht? Der Umgang mit dem Kokainkonsum eines CSU-Bürgermeisters wirft Fragen auf.
Thomas Pardeller hat das Zeug zu einer historischen Figur. Er könnte als der Mann in die Annalen der CSU eingehen, der für eine Kehrtwende seiner Partei in der Drogenpolitik gesorgt hat. Dem zuliebe die bisherige Null-Toleranz-Haltung gegenüber Drogenmissbrauch mit einem Zusatz versehen wurde: Wir greifen hart gegen Drogenkonsum durch – es sei denn, der Konsument ist einer von uns. Das mag ein bisschen übertrieben sein. Aber eben nur ein bisschen.
Der Reihe nach: Thomas Pardeller ist seit Mai 2020 Bürgermeister von Neubiberg. Die Gemeinde liegt im Münchner Speckgürtel, grenzt im Südosten an die Landeshauptstadt. Rund 14.000 Einwohner hat sie und gibt sich unspektakulär. Bekannt ist sie vor allem als Sitz der Bundeswehr-Universität München.
Doch die Nachrichten, die man zuletzt von hier vernahm, hatten nichts mit der Uni zu tun, sondern mit dem CSU-Mann Pardeller. Der wurde Mitte Oktober vor dem Palais Club am Münchner Hauptbahnhof von der Polizei gestellt. Bei sich hatte er offenbar 0,2 Gramm Kokain. Weil er den Beamten einen Behälter mit verdächtigem weißen Pulver nicht herausgeben wollte, brachten diese den 37-Jährigen zu Boden, fesselten ihn und nahmen ihn vorläufig fest.
Wenige Tage später, die Sache war gerade bekannt geworden, wandte sich Pardeller mit einer Erklärung auf Facebook an die Öffentlichkeit. Von einer „Riesendummheit“ sprach er darin. Er habe in den vergangenen eineinhalb Jahren zwei Großeltern verloren, was eine große Leere in ihm hinterlassen habe. Deshalb habe er sich „zu oft in lange und exzessive Partynächte geflüchtet – in der Hoffnung, den Schmerz und die Unruhe in mir vergessen zu können“. Er werde die nächsten vier Wochen nutzen, mit therapeutischer Hilfe seine persönliche Situation aufzuarbeiten. Danach werde er „mit neuer Stärke, Demut und Klarheit zurückkehren“.
Einen starken Bürgermeister könnte die CSU tatsächlich gut gebrauchen. Am 8. März sind Kommunalwahlen, die Partei hatte im Juni dafür gestimmt, wieder mit Pardeller in die Wahl zu gehen.
Warum die Eile?
Nun hätte natürlich nahegelegen, den vierwöchigen Krankenstand des Bürgermeisters abzuwarten, sich in Ruhe über das Schlamassel, in das man geraten war, und die eventuell daraus zu ziehenden Konsequenzen Gedanken zu machen. Das jedoch wollte die örtliche CSU auf keinen Fall. Noch bevor sich Pardeller selbst zu Wort meldete, hatte seine Partei eine Mitteilung herausgegeben: Man wolle unbedingt an diesem „herausragenden Bürgermeister“ festhalten, solle doch der Wähler entscheiden. Schließlich habe Pardeller in einer privaten Krise gesteckt, niemandem außer sich selbst geschadet und stehe zu seinem Fehler.
Warum die Eile? Woher nimmt die Partei die Sicherheit, dass ihr Bürgermeister nach der kurzen Therapie wieder den Anforderungen seines Amts und des Wahlkampfs gewachsen sein wird? Und schließlich gäbe es noch die eine oder andere weitere Frage: Seine Partei hält Pardeller zugute, dass er in einer Krise steckte. Dies trifft jedoch auf viele Menschen zu, die in den Drogenkonsum schlittern. Wie verträgt sich die nachsichtige Haltung in der Causa Pardeller mit der restriktiven Politik gegen Drogenkonsum? Und ist es wirklich CSU-Konsens, dass Drogenkonsumenten nur sich selbst schadeten und vor allem Mitgefühl verdienten? Schließlich gäbe es ohne Drogenkonsum keinen Rauschgifthandel.
Auch dass der Bürgermeister Widerstand gegen Polizeibeamte geleistet haben soll, ist ein Umstand, zu dem eine klare Positionierung der CSU interessant gewesen wäre, die für solcherlei Benehmen sonst wenig Verständnis aufbringt.
Die taz hat diese und andere Fragen dem Ortsvorsitzenden Bernhard Rott, aber auch dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, Florian Hahn, der dem CSU-Kreisverband München-Land vorsteht, sowie der Landesleitung gestellt. Antworten gab es keine.
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