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Mit Regenschirmen wollen Carla Hinrichs und ihre Mit­strei­te­r:in­nen vor dem Reichstagsgebäude auf sich aufmerksam machen Foto: Piotr Pietrus

Neuausrichtung des AktivismusParlament im Kuppelzelt

Die ehemalige Letzte Generation will sich neu erfinden und organisiert statt Straßenblockaden nun Bürgerräte. Kann das erfolgreich sein?

Mitsuo Iwamoto
Von Mitsuo Iwamoto aus Berlin

A ls Jascha Rohr anfängt, den Teilnehmenden ins Wort zu fallen, spürt man, wie die Stimmung kippt. Der Philosoph und Unternehmer gilt als so etwas wie der Papst der Bürgerbeteiligung. Der 49-Jährige hat den Bürgerrat Ernährung des Bundestags moderiert, will der Demokratie ein Update verpassen. Aber jetzt wird er ungeduldig.

Es ist der letzte Samstag im Mai, Tag 2 des „Parlaments der Menschen“. Mit der Versammlung will die Letzte Generation ein Comeback feiern. Ihr neuer Name: Neue Generation.

Rund 50 Personen hat die Neue Generation auf der Wiese vor dem Bundestag versammelt. Gemeinsam sinniert man über eine bessere Welt, meditiert, fühlt den Frust über die politischen Zustände und schreibt ihn stichpunktartig auf hellrote Karten. Wie eine Blume angeordnet liegen sie in der Mitte des Zelts.

Aber jetzt, wo Rohr die Frustkärtchen in Kategorien zusammengefasst hat und das Parlament in sieben Kleingruppen teilen will, regt sich Widerstand. „Die Themen hängen doch alle miteinander zusammen“, findet jemand.

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Einer, der besonders laut wird, ist Rainer Trent (Name geändert). Der Mittvierziger kommt aus einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt, arbeitete bis vor Kurzem in einer Fabrik und ist heute zum dritten Mal in Berlin. Er trägt ein weißes T-Shirt, eine schwarze Bauchtasche, in seiner Hand hält er eine Plastikflasche. Als er ans Mikro tritt, sagt er: „Das ist mir alles zu undifferenziert! Entschuldigt, aber das passt mir nicht.“

Das „Parlament der Menschen“ ist ein Experiment. Und die Erfüllung eines lang gehegten Traums. Denn seit die Letzte Generation mit ihrem Hungerstreik den Bundestagswahlkampf 2021 aufmischte, gibt es eine zentrale Forderung: die Einberufung eines Bürgerrats zur Beschließung von Sofortmaßnahmen gegen die Klimakrise.

Der Gedanke dahinter: Dürften endlich die einfachen Menschen bestimmen, frei von Wirtschaftslobbys und Parteitaktik, dann würde sich Deutschland effektiv der Klimakrise entgegenstemmen. Schließlich gibt es in der Bevölkerung seit Jahren stabile Mehrheiten für mehr Klimaschutz.

Vor vier Jahren hätte man dieses Vertrauen in die einfachen Menschen wohl noch als gesunden Optimismus bezeichnen können. Damals gingen Hunderttausende für Klimaschutz auf die Straße, Olaf Scholz gewann auch mit Klimakanzler-Plakaten die Bundestagswahl.

Aber ist ein Bürgerrat heute immer noch das richtige Instrument? In einer Zeit, in der die Erderhitzung erst vom Krieg in der Ukraine, dann von steigenden Preisen und schließlich von der Migrationspolitik aus der Öffentlichkeit verdrängt wurde? Und CDU und AfD im Bundestag­ eine Mehrheit haben?

Auf hellroten Karten halten die Teilnehmenden ihren Frust fest Foto: Piotr Pietrus

Um zu beweisen, dass das mit dem Bürgerrat eine gute Idee ist, hat die Neue Generation ein imposantes Kuppelzelt auf die Wiese vor dem Bundestag gekarrt. Für den Auftakt des Wochenendes hat die Neue Generation neben Jascha Rohr gleich eine ganze Reihe von politischen B-Promis gewinnen können.

Zum Beispiel Marco Bülow, langjähriger SPD-Abgeordnete, der 2018 frustriert aus der Partei austrat. Die Autorin Kübra Gümüşay, die sich mit ihrer Imagination Agency dem Erträumen von gerechteren Zukünften verschrieben hat. Und Marlene Engelhorn, Millionen-­Erbin und Steuergerechtigkeits­aktivistin.

Mit ihrem Glauben an das transformative Potenzial von mehr Bürgerbeteiligung ist die Neue Generation zumindest nicht allein.

Zurück im Zelt bei Rainer Trent und Jascha Rohr, der eine Arbeiter, der andere Philosoph, Gründer, Moderator. Dass Trent heute hier ist, überrascht ihn selbst ein wenig. Eigentlich lebe er eher zurückgezogen, mache sich viele Gedanken zur Politik, sagt er später im Gespräch. Er schaue gerne Geschichtsdokus auf Youtube, höre Deutschlandfunk. Sein größter Frust: die Ungerechtigkeit auf der Arbeit. „Immer dieses ‚Ober schlägt Unter‘“, sagt er.

Als Trent sich wieder hingesetzt hat, nimmt Jascha Rohr einen tiefen Atemzug und sagt dann: „Lasst uns jetzt noch mal ein paar Stimmen hören“.

Ein Teil des Ärgers der Gruppe scheint aus einer Unklarheit über den Zweck des „Parlaments der Menschen“ selbst zu kommen. Angekündigt hatte die Neue Generation, dass die Versammlung drei Tage lang die Frage „Wie drängen wir den Einfluss von Geld auf unsere Demokratie und Gesellschaft zurück?“ diskutieren solle. Gefragt nach dem, was sie politisch bewegt, sprechen die Teil­neh­me­r:in­nen über Naziaufmärsche in Nürnberg, die Konzentration von Macht und Geld, die Geringschätzung von Fakten im öffentlichen Diskurs, den Verlust von Empathie gegenüber Migrant:innen.

Das ist mir alles zu undifferenziert

Rainer Trent, Teilnehmer des „Parlaments der Menschen“

Am Samstagvormittag aber verkündet Jascha Rohr dann, die Neue Generation wolle, dass sich das Parlament auf eine Art Charta für eine bessere Demokratie einige, die sie durch ihre Straßenproteste in die Öffentlichkeit tragen könne.

Miriam Krämer passt das erst mal gar nicht. Die 60-Jährige ist aus Aalen angereist, seit Langem aktivistisch organisiert, hat erst kürzlich wieder Zeit im Gefängnis verbracht, weil sie einen Militärflughafen besetzen wollte. „Grundsätze wie die Charta der Menschenrechte haben wir doch schon genug“, sagt sie. „Jetzt brauchen wir was Konkretes.“

Als wieder etwas Stille einkehrt, bedankt sich Rohr für den Aufstand gegen seine Autorität als Moderator. Und erklärt dann: „Jetzt sind wir am Kern dessen, worum es hier geht. Nämlich die Frage: Wie treffen wir gemeinsam Entscheidungen? Und wie balancieren wir dabei das Gleichgewicht zwischen produktiver Struktur und individuellen Bedürfnissen?“

Wie treffen wir gemeinsam Entscheidungen? Genau diese Frage richtet die Letzte Generation seit dem ersten Tag ihres Bestehens immer und immer wieder an Politik und Öffentlichkeit. Bisher gab es von dort mal passive, mal wutentbrannte Antworten zurück. Aber auch vier Jahre, einen Hungerstreik, dutzende Straßenblockaden und eine Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung später, hat die Gruppe noch nicht genug.

Carla Hinrichs war einmal das dominierende Gesicht der Letzten Generation. Eine Hassfigur für ganz Auto-Deutschland, fast schon eine Heilige für an der Klimakrise verzweifelnde Jugendliche. Viereinhalb Jahre Jurastudium ließ die 28-Jährige links liegen, um die Bewegung mit aufzubauen.

Beim „Parlament der Menschen“ steht sie als Sprecherin eher im Hintergrund, schießt Fotos, malt in der Sonne Banner für anstehende Proteste der Neuen Generation. Fragt man sie, was hinter der Neuausrichtung ihrer Gruppe steckt, dann gibt sie zwei Antworten. Eine persönliche, eine strategische.

Im Schatten eines Baums erzählt Hinrichs von ihrem kleinen Bruder. Er hatte sich unabhängig von ihr der Letzten Generation angeschlossen. Einmal saßen sie zusammen auf der Straße, als ein Passant ihm aus dem Nichts brutal in den Rücken sprang. „Das hat in mir nachhaltig was kaputt gemacht“, sagt Hinrichs. Eigentlich glaube sie an das Gute in jedem Menschen. Aber nach dem Angriff habe sie sich gefragt: „Für welche Gesellschaft mache ich das alles eigentlich?“

Aber auch strategisch merkte die Gruppe, dass sie nicht stur weitermachen konnte, wie bisher. „Das Wachrütteln durch die Straßen­blockaden hat nicht mehr im gleichen Maße funktioniert, weil die meisten sich entschieden hatten“, sagt Hinrichs. Die Erzählung der letzten Generation, die die Klimakatastrophe noch abwenden könne, funktionierte nicht mehr.

„Wir dachten, dass man nur laut genug Alarm schlagen müssen, damit sich etwas ändert“, sagt Hinrichs. Aber jetzt sei klar: „Das Klima lässt sich innerhalb des bestehenden Systems nicht retten.“ Deshalb brauche es eine friedliche, demokratische Revolution.

Wie diese aussehen könnte, will die Neue Generation an diesem Wochenende vormachen.

Im Zelt war Jascha Rohrs Intervention erfolgreich. Die Gruppe gibt ihm das Vertrauen, erst mal so weiterzuarbeiten, wie er vorgeschlagen hat. Nächster Programmpunkt: Theaterspielen in Kleingruppen. Pantomimisch sollen die Par­la­men­ta­rie­r:in­nen erst den Ist-Zustand, dann die bessere Zukunft und schließlich die Bewegung vom einen ins andere darstellen.

In der Geldgruppe spielt die 60-jährige Miriam Krämer eine Superreiche. Und hat sichtlich Spaß dabei, von den anderen Gruppenmitgliedern Hefte, Stifte, Brillen und Halstücher einzusammeln, um sich mit ihnen dann hinter einer Reihe von Stühlen zu verbarrikadieren.

Ergebnis der Gruppenarbeit: Tax the Rich.

„Aber wie gehen wir eigentlich damit um, wenn ein repräsentatives Parlament der Menschen nicht für Tax the Rich ist?“, fragt Pauline Schumacher, 21. Sie engagiert sich für Klimagerechtigkeit, trägt am nächsten Tag ein Sea-Watch-T-Shirt. „Ich hab das Gefühl, weil wir hier politisch so homogen sind, denken wir, man müsste nur die einfachen Leute in Verantwortungspositionen bringen und dann wird alles gut. Aber das spiegelt unsere Gesellschaft gerade, glaub ich, nicht wider.“

Das Parlament der Menschen vor dem Bundestag Foto: Piotr Pietrus

Im „Parlament der Menschen“ ist man unter sich, unter Linken. Viele der Teil­neh­me­r:in­nen laufen barfuß durch das Zelt, über das vegane­ Essen der Küfa beschwert sich hier niemand.

Ein repräsentativer Bürgerrat ist ein administrativer Kraftakt, der schnell mehrere hunderttausend Euro kostet. Deshalb hat die Neue Generation einfach über ihre E-Mail-Verteiler und Social-Media-Accounts für die Teilnahme geworben. Aus 300 Be­wer­be­r:in­nen wählte man dann eine Gruppe aus, die nach Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund und Bildungsabschluss die deutsche Bevölkerung möglichst gut abbildet.

Das Resultat: Ein „Parlament“ von Sympathisanten. Die konservativste Wortmeldung in zwei Tagen: ein 18-jähriger Schüler, der sich Sorgen darüber macht, Emp­fän­ge­r:in­nen eines bedingungslosen Grundeinkommens könnten mit dem Geld vielleicht auch Drogen kaufen. Schnell eingehegt von etlichen therapeutisch-menschenfreundlichen Gegenreden.

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Rainer Trent gehört hier zu den Ausreißern. Von der Versammlung erfuhr er über den Newsletter der Neuen Generation. Auf den sei er im Internet eher zufällig gestoßen, sagt er. Direkten Kontakt zu der Organisation habe er noch nie gehabt. Aber auch wenn er größtenteils progressiv zu sein scheint: mit seiner Offenheit für eine Zusammenarbeit mit der AfD sorgt er in manchen Gruppen für Eklats.

Was macht die Neue Generation so sicher, dass ein echter Bürgerrat Politik in ihrem Sinne machen würde? „Wir glauben, dass Menschen im Grunde gut sind“, sagt Hinrichs. Sie weiß, dass in einen Bürgerrat auch AfD-Wähler:innen gelost werden würden. Aber sie besteht darauf, dass ein Raum, in dem Menschen einander respektvoll zuhören, sich verstehen und vertrauen lernen, am Ende auch zu einer besseren Politik führen würde.

Trotzdem kommt auch bei Hinrichs immer wieder der Zweifel auf, ob Menschen wirklich so gut seien. Gerade bei Konfrontationen mit der Polizei. Als sie kürzlich versuchte, die Springer-Druckerei zu blockieren, habe ein Polizist sie extra grob behandelt und sich darüber lustig gemacht, dass sie sich auf der Rückseite ihres Schilds verschrieben hatte, sagt Hinrichs später am Telefon. Mit ihrem zivilen Ungehorsam, der auch unter neuem Namen weitergeht, will die Neue Generation den Forderungen aus dem „Parlament der Menschen“ Nachdruck verleihen.

Die Gründe dafür, dass der Bundestag die Lebensgrundlagen nicht ausreichend schütze, sieht Hinrichs vor allem in politischen Machtzwängen und dem Einfluss von Wirt­schafts­lob­by­is­t:in­nen. Aber ist diese Analyse in Zeiten, in denen sich selbst viele Grüne in der Öffentlichkeit nicht trauen, das Wort Klimaschutz in den Mund zu nehmen, nicht etwas naiv?

Will man Carla Hinrichs eine Emotion entlocken, die zumindest ein wenig an Wut erinnert, dann reicht dafür das Wort „naiv“. „Ja, wir greifen nach den Sternen“, sagt sie dann. „Vielleicht ist es unrealistisch, dass das in meinem Leben noch umgesetzt wird. Aber ich will es versuchen. Weil ich diese kleinen Veränderungen sehe, bei mir selber und bei Menschen um mich herum. Auch eine Gesellschaft kann sich verändern.“

Am Sonntagmittag hat Rainer Trent noch einen Impuls für das Abschlussdokument. Könne man statt „Wir wollen eine Politik, die …“ nicht schreiben: „Wir machen eine Politik, die …“ Denn: „Ich will nicht um eine Politik bitten, ich will machen.“ Später wird Trent erzählen, dass er noch nie so lange und vor so vielen Menschen gesprochen hat.

Zum Schluss beschließt die Gruppe eine Liste von Grundwerten, sie liest sich wie ein grünes Mini-Grundgesetz. Die Forderungen: mehr Klimaschutz, weniger Einfluss von Geld und mehr direkte Demokratie.

Aber vielleicht ist das, was genau im Zelt beschlossen wird, gar nicht so wichtig.

Denn der Grund dafür, dass die Neue Generation zehntausende Euro an Spendengeldern sammelt und Wochenenden durcharbeitet, um ein Zelt vor den Bundestag zu stellen, sind wohl kaum die größtenteils erwartbaren Grundsätze.

Es ist der Prozess und die Legitimation, die die Gruppe ihrem Protest damit wieder einhauchen will. Es ist das Bild des weißen Kuppelzelts, umgeben von Menschen, vor der imposanten Fassade des Reichstags. Das „Parlament der Menschen“ gegen das „Parlament des Profits“. Wir da unten, gegen die da oben. Und die Neue Generation als das Sprachrohr all jener, die das nicht länger hinnehmen wollen.

Am Ende ist es linker Lehrbuch-Populismus in Zeiten von ungleicher Vermögensverteilung und Klimakrise.

Als Jascha Rohr am Sonntag aus dem „Parlament der Menschen“ tritt, ist er erschöpft, aber auch halbwegs zufrieden. Sein Fazit: „Ich würde mir wünschen, dass mehr Bürger:innen, die sich beschweren, einfach mal ein Zelt vors Rathaus stellen, um darüber zu reden.“

Pantomimisch sollen die Par­la­men­ta­rie­r:in­nen erst den Ist-Zustand, dann die bessere Zukunft und schließlich die Bewegung vom einen ins andere darstellen

Aber ob ein geloster, repräsentativer Bürgerrat auch wirklich bessere Politik machen würde? Da ist er sich unsicher. „Ich persönlich will nicht von einem gelosten Bürgerrat regiert werden“, sagt er. Das Losverfahren sei für ihn eine Technik, mit der man gut repräsentative Meinungsbilder einholen könne. Eine Art Fokus-Gruppe.

„Echte demokratische Selbstbestimmung ist das für mich aber nicht. Die entsteht erst dann, wenn alle Bür­ge­r:in­nen selber und souverän ihre eigene Stimme einbringen oder sie selbstbestimmt an andere übertragen können“, sagt er. Die Neue Generation lässt sich davon nicht beirren. Sie planen Anfang Oktober schon ihr nächstes „Parlament“.

Am Sonntagmittag, als der Großteil der Bewegungs­parla­men­tarier:innen bereits abgereist ist, beginnt im Kuppelzelt vor dem Bundestag die Einstimmung auf die Widerstandswelle der Neuen Generation. Die beinhaltete in den Folge­tagen unter anderem eine Blockade­aktionen gegen den Springer-Konzern.

Bei den Vorbereitungen sitzt auch Rainer Trent noch dabei. „Aus Interesse“, wie er später sagt. Bei einem Anruf am nächsten Tag erreicht man ihn im Dienst: beim Spülen in der Sammelunterkunft der Neuen Generation.

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20 Kommentare

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  • Ich finde den Umschwung richtig gut. Klar, man kann immer alles verbessern, aber anstatt zu trotzen, wird jetzt wirklich versucht, die Diskussion in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. Ich finde destruktive Proteste nach wie vor wichtig – aber nachdem man alle Augen auf sich gezogen hat, muss man anfangen, etwas zu bewegen. Hach, die Kids werden langsam erwachsen :)

  • Wenn wideer nur 25% der Wähler vertreten sind,m dann kann man es auch gleich lassen.

  • Die Umsetzung der LG ist in manchen Fällen als schwierig zu bewerten. Aber dennoch zeigt die Aktion der LG, dass es ein Defizit im rein repräsentativen System der bundesrepublikanischen Demokratie gibt. Bürgerinnen und Bürger wollen und sollten auch beteiligt werden. Über das wie und Format lässt sich streiten. Aber Bürgerräte sind dafür ein guter Anfang dies kontrolliert und moderierend umzusetzen, sowie in die richtigen "Kanäle" zu lenken. Allgemein sollte als Anfang der Bürgerrat als Instrument und die direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung in den Kommunen gestärkt werden. Denn gerade in der Kommunalpolitik lässt sich Bürgerbeteiligung und Selbstwirksamkeit trainieren. Vielleicht führt dies zu einem besseren Diskurs in der Bundesrepublik, aber auch einem besseren Gefühl von Selbstwirksamkeit. Zusammenfassend wäre dies vielleicht auch ein Weg mit dem Erstarken der AfD umzugehen.

    • @Hamburger in Istanbul:

      Du hast wohl nicht das Wahlprogramm der AFD gelesen. Die AFD ist ebenfalls für die direkte Demokratie und mehr Bürgerbeteiligung. Das ist kein Nachteil für die AFD sondern ein Vorteil

    • @Hamburger in Istanbul:

      Sie wissen schon, dass gerade die AFD sich um mehr "direkte Demokratie" im Rahmen von Volksabstimmungen auf Bundesebene bemüht? Ob der Weg der LG geeignet wäre gegen das Erstarken der AFD vorzugehen, darf deutlich bezweifelt werden.

  • Das Problem derartiger Initiativen von Aktivisten ist, das aus einer Blase heraus vorgetriggert wird. Das Problem ist also die Organisation von Repräsentanz und damit die Glaubwürdigkeit.

    Die letzte Generation ist beispielsweise nicht sonderlich dafür bekannt, sonderlich boomerfreundlich zu sein. Allein diese Fronthaltung nimmt die Letzte Generation als ehrlichen Makler aus dem Spiel.

    Vielleicht sollten die Aktivisten bei Jürgen Habermas zu deliberativer Demokratie nachfragen. Könnte zielführend sein.

  • Es mag ein gewisser intellektueller Fortschritt sein, wenn man seine politischen Forderungen nicht mehr durch destruktive Handlungen erzwingen möchte, sondern durch ein selbsternanntes Scheinparlament - aber letztlich steckt die gleiche Verachtung für die Demokratie dahinter, der gleiche totalitäre Denkansatz.

  • Schönes Foto!



    SO Macht man/frau Werbung für die Demokratie!



    Das gilt genauso für die gesamte Strategie.



    Wie aus dem Artikel hervorgeht, ist Demokratie nicht einfach.



    Die Neubildung von Gegenstrukturen will strukturiert sein!



    Diese, häufig ermüdende, Erfahrung haben wohl Alle in linken Kreisen bereits gemacht.



    Ich musste für mich letztlich feststellen, dass dadurch selten demokratischere Strukturen gefunden wurden.



    Das soll nun aber nicht abwerten!



    Der Weg ist das Ziel!



    Ich begrüße es, dass Menschen sich die Arbeit machen, die Demokratie zu verbessern.



    Viele wird es zu besseren DemokratInnen machen und das ist ein guter Anfang.



    Es ist nämlich das Gegenteil von trump.



    Menschen müssen überzeugt werden, dass Klimaschutz auch für sie persönlich wichtig ist.



    Da braucht es langen Atem.



    trump hat es da leichter.



    Linke Diktaturen hatten wir schon, eine Klimadiktatur wäre ebenso falsch.



    Das Thema kommt ( un-) glücklicherweise ja immer wieder von Selbst auf.



    Wichtig, hier am (Erd-) Ball zu bleiben.



    Die neue Generation ist mir sympathisch.



    Es ist geradezu innovativ, all dem Schlechten positive Ideen entgegen zu setzen.



    Letztlich braucht es gar nicht Alle um Etwas zu bewegen!

  • "Am Ende ist es linker Lehrbuch-Populismus in Zeiten von ungleicher Vermögensverteilung und Klimakrise"

    Klingt für mich auch so. Ich wünsche der Neuen Generation auf ihrem jetzigen Weg aber alles Gute.

  • Leider ist das ein ziemlich realitätsferner Haufen. Wenn man etwas ändern will, dann muss man bei uns in Deutschland an das System halten. Angefangen ganz unten bei den Gemeinde- und Stadtparlamenten, Kreisparlamenten, dann Landtagen und Bundestag.



    Aber sich herablassen und auf Gemeinde etwas zu bewirken ist dieser Generation schon zuzumuten. Wollen sie aber anscheinend nicht. Und dann beschweren dass sie eigentlich niemand mehr ernst nimmt.

  • Neues Bürokratiemonster? Wozu Bürgerräte?



    Ich kann den Gemeinderat wählen, den Stadtrad, den Kreisrat, den Landtag, den Bundestag, die EU-Abgeordneten. Dies sind alles repräsentative Organe der repräsentativen Demokratie. All dies ist bereits "Das „Parlament der Menschen“, den von ihnen wurden sie gewählt. Jetzt noch Bürgerräte zu etablieren halte ich für ein weiteres Bürokratiemonster und unnötig.



    Ich wünsche ihnen daher keinen Erfolg.

  • Man will also seine Agenda vorbei am gewählten Parlament durchsetzen. Was ich nicht verstehe: Wenn bei der letzten Wahl mehrheitlich rechte Parteien gewählt wurden, dann dürfte doch ein zufällig geloster Bürgerrat ebenfalls stark rechtslastig sein?



    Wie würde eigentlich die taz über eine Initiative Rechtsradikaler und der AfD für Bürgerräte reagieren? Die Kritik am Parlamentarismus hört sich sehr ähnlich an.

  • Es ist halt immer blöd wenn die Leute in einer Demokratie immer das falsche wählen. Ausweg: Man gründet sein eigenes Parlament wo nur die Leute sind die die eigene Meinung teilen.

    Es gibt eine ganze Menge von "Parlamenten/Volksvertretungen" die nach dem Prinzip funktionieren. Ich denke da an China, Russland, usw.

  • Vielen Dank für den ausführlichen Einblick in das Parlament der Neuen Generation. Und wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich genau solche Zustände erwartet, was man positiv aber auch negativ sehen kann.



    Positiv zu vermelden ist, dass politische Diskussionen (außerhalb des Parteienbetriebs) wichtig sind. Früher gab es an jeder Ecke den sonntäglichen Stammtisch; ein "offenes" Podium bei dem es nicht immer nur gesittet von statten ging. Dort hatte aber niemand die Vorstellung, dass dies direkte Auswirkungen auf die Parlamente hätte.



    Hier und heute ist die Lage eine andere. Das was in den Öffentlichen Parlamenten geschieht, passt vielen nicht (mehr) und sie hätten gerne direkte Mitsprache. Das Wort Demokratie hat genau dabei seinen Ursprung. Man kann aber nicht alle zu Wort kommen lassen und schon gleich gar nicht jede Empfindlichkeit berücksichtigen. Das würde den Betrieb lahmlegen.



    Unsere repräsentative Demokratie mag nicht perfekt sein, aber ich empfinde sie als eine stabile, ausgewogene und schlussendlich auch effektive Regierungsform.

    "Nächster Programmpunkt: Theaterspielen in Kleingruppen" Kann es sein, dass es sich irgendwie auch Beschäftigungstherapie handelt?

  • Es ist gut wenn man Träume hat, auch wenn die Umsetzung unrealistisch ist. Dass sich die jungen Menschen in Ihrer Freizeit nach Feierabend oder im Urlaub für ihre Ideen engagieren finde ich gut, solange andere Menschen nicht massiv behindert werden, wie das die sogenannte letzte Generation tat. In Deutschland sind alle 4 Jahre freie Wahlen des Parlaments bei der alle Wähler bestimmen welche Politik sie wollen.



    Ich persönlich möchte nie von einem ausgelosten Bürgerrat regiert werden.



    Das würde mir die Möglichkeit der Mitbestimmung nehmen.

  • Schönes Protest-Spektakel.



    In einer Zeit, in der sich Linke dadurch kennzeichnen, dass sie barfuß laufen, über veganes Catering nicht meckern und statt fundierter Kritik an der warenproduzierenden Gesellschaft kritisieren, Geld habe "zu viel Einfluss auf die Demokratie", bleibt dieses Spektakel aber reines Simulakrum, welches sich dienlich den herrschenden Verhältnissen einbettet. Ich denke an den Engel der Geschichte und bin ein bisschen traurig, dass die "letzten" oder "neuen" Generationen so tun, als ob sie das Rad neu erfinden müssten.

  • Stammtische, ähm Bürgerräte, gibt es doch in jeder Kneipe. Die müssen gar nicht groß neu organisiert werden. Einfach mal auf die Bürger auch zugehen!

  • "„Ich hab das Gefühl, weil wir hier politisch so homogen sind, denken wir, man müsste nur die einfachen Leute in Verantwortungspositionen bringen und dann wird alles gut. Aber das spiegelt unsere Gesellschaft gerade, glaub ich, nicht wider.“"



    Da war tatsächlich mal eine Teilnehmerin einen Gedankengang lang in der Realität verortet, immerhin👍



    Ansonsten ein absolut sinnloses 'aus der Bubble, für die Bubble' - hätte man tatsächlich 40 Menschen aus der Republik gelost, hätte man ja tatsächlich mal Tacheles unter normalen Bürgern reden können, ohne Lobbyisten oder strategisch denkende Politiker, aber dann müsste man 4 Linke, 8 Rechte und 28 Menschen aus der Mitte losen - da käme am Ende ja keine Klimapolitik raus, also war man lieber "unter sich, unter Linken", wie es der Artikel sagt, dazu barfuß und vegane­ Küche - mehr Klischee geht nicht.



    In der Realität gab's bei der letzten Wahl an der die LG teilgenommen hat 0,x% für die Bewegung. Da hilft auch kein Holzpavillion vorm Bundestag.



    Das Interesse war denn auch mehr als spärlich - die Wiese, auch auf dem Foto im Artikel recht gut zu sehen, war mehr als spärlich besucht - und das in Berlin, dem Epizentrum der Bewegung...

  • Aus meiner Sicht wurde zu wenig unkonventionell gedacht. Und das Bedingungslose Grundeinkommen wurde durch Intervention einer Führungsfigur der LG/NG abgeschossen, die nicht selbst dem "Parlament" angehörte. Dabei wäre das mal eine Idee, die sich im Heute implementieren lässt und trotzdem (voraussichtlich) eine größere Transformation anstossen würde. Und die Soziales und Schutz der Lebensgrundlagen zusammenbringen würde. Und v.a.: Von der praktisch alle Menschen direkt profitieren würden (Soziale Sicherheit). Aus meiner Sicht eine verpasste Chance.



    Was sonst so alles "beschlossen" wurde, war inhaltlich schon in Ordnung, blieb aber wirklich sehr erwartbar und lockt glaube ich niemanden hinter dem Ofen hervor.

    Den Vorwurf der "Naivität" lasse ich persönlich mir gerne machen, das halt ich für eine Stärke. Man denke an "Des Kaisers neue Kleider"...

    Ich war gelostes Mitglied dieses "Parlaments".

  • "Wie treffen wir gemeinsam Entscheidungen?" Als gäbe es nicht das erprobte Instrument der parlamentarischen Demokratie. Nichts beweist besser als dieser Artikel den Unfug von "Bürgerräten als Ersatzparlament für jene, deren Vorstellungen im demokratischen Prozess keine Mehrheit gefunden haben