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Nach der Wahl zum BundeskanzlerMerz kritisiert US-Regierung für „absurdes“ Deutschlandbild

Trumps Regierung solle sich in puncto AfD aus der deutschen Innenpolitik „heraushalten“, fordert Kanzler Merz. Bei AfD-Verbot bleibt er zurückhaltend.

Die Neuen: Das Kabinett von Friedrich Merz hat erste Entscheidungen getroffen Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Berlin afp/dpa | Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat die Parteinahme der US-Regierung für die deutsche AfD kritisiert und ein klärendes Telefonat mit US-Präsident Donald Trump angekündigt. Die US-Regierung verbreite derzeit „absurde Betrachtungen der Bundesrepublik Deutschland“, sagte Merz am Dienstagabend in einem Interview im ZDF. Aus der deutschen Innenpolitik müsse sich die US-Regierung „heraushalten“. Merz bezog sich dabei auf die Unterstützung der US-Regierung für die AfD und die Kritik der USA an der Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als rechtsextremistisch. „Ich werde am Donnerstag mit dem amerikanischen Präsidenten telefonieren“, sagte Merz. Er kenne Trump bislang nicht persönlich, werde aber „offen“ mit ihm reden.

„Ich würde gerne die amerikanische Regierung ermutigen und ermuntern, die Innenpolitik in Deutschland Innenpolitik sein zu lassen und sich aus diesen parteipolitischen Betrachtungen weitgehend herauszuhalten“, sagte Merz weiter. Er selbst habe sich nie „in den amerikanischen Wahlkampf eingemischt und einseitig Partei ergriffen“, sagte Merz. Zur Unterstützung der USA für die AfD sagte er: „Ich hatte von Amerika bisher immer den Eindruck, dass sie unterscheiden können zwischen extremistischen Parteien und Parteien der politischen Mitte.“

Trump hat bislang anders als eine Reihe anderer westlicher Staats- und Regierungschefs Merz noch nicht zu seiner Wahl zum Bundeskanzler gratuliert. Glückwünsche kamen jedoch vom US-Außenministerium. „Wir werden weiterhin mit Deutschland und seiner neuen Regierung zusammenarbeiten, um für die Sicherheit der Vereinigten Staaten und Europas zu sorgen“, sagte die Sprecherin des State Department, Tammy Bruce, am Dienstag vor Journalisten in Washington.

Merz: Israel bereitet uns „allergrößte Sorgen“

Der neu gewählte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich beunruhigt über das aktuelle Vorgehen Israels im Gazakrieg gezeigt. „Israel macht uns allergrößte Sorgen“, sagte Merz am Dienstagabend in der ARD-Sendung „Brennpunkt“. Er kündigte an, dass der neue Außenminister Johann Wadephul (CDU) bereits am Wochenende in seinem Auftrag zu Gesprächen nach Israel reisen werde. „Israel hat das Recht, sich zu verteidigen gegen diesen brutalen Angriff der Hamas-Terroristen“, sagte Merz. Es müsse aber „auch ein Land bleiben, das den humanitären Verpflichtungen gerecht wird“ und Völkerrecht einhalte. „Die humanitäre Hilfe im Gazastreifen, die muss geleistet werden“, betonte Merz.

Er wollte sich nicht zum konkreten Ziel der Reise von Wadephul äußern. Die Reise werde gerade gemeinsam vorbereitet, sagte er. Merz ging in dem Interview nicht auf die Frage ein, ob er trotz eines internationalen Haftbefehls und des jüngsten Vorgehens Israels im Gaza-Krieg weiter Regierungschef Benjamin Netanjahu nach Deutschland einladen würde.

Merz bei AfD-Verbot zurückhaltend

In der Debatte über ein AfD-Verbot hat sich der neue Bundeskanzler Friedrich Merz zurückhaltend geäußert. „Zehn Millionen Wählerinnen und Wähler der AfD, die können Sie nicht verbieten“, sagte der CDU-Vorsitzende am Abend im ARD-Fernsehen. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch einstuft, was die Debatte über deren Verbot neu befeuert hat.

Merz räumte ein, dass diese Einstufung auch seinen Blick auf die AfD verändert habe. Bevor die Bundesregierung Konsequenzen zieht, müsse aber das Gutachten des Verfassungsschutzes sorgfältig ausgewertet werden. In erster Linie müsse die neue Koalition allerdings dafür sorgen, dass die Ursachen für ein solches Wählerverhalten beseitigt werden.

Kabinett streicht zum Auftakt 25 Posten

In seiner ersten Sitzung hat das neue Bundeskabinett von Union und SPD beschlossen, die Zahl der Beauftragten, Bevollmächtigten und Koordinatoren der Regierung um 25 zu kürzen. Einen entsprechenden Beschluss fassten Kanzler Friedrich Merz (CDU) und seine 17 Bundesministerinnen und -minister am späten Dienstagabend im Kanzleramt, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen erfuhr. Keine vier Stunden zuvor war die Regierung im Bundestag nach der Zitterpartie bei der Kanzlerwahl im Bundestag vereidigt worden.

In der rund 45-minütigen Sitzung beschloss die Regierung außerdem einen Organisationserlass, in dem die Aufgabenverteilung zwischen den Ministerien festgelegt wird. Unter anderem ist darin geregelt, dass die internationale Klimapolitik vom Auswärtigen Amt ins Umweltministerium verlagert wird und wie das neue Digitalministerium strukturiert ist. Es erhält Zuständigkeiten aus dem Kanzleramt und fünf Ministerien, vor allem aus dem Innenministerium.

Dass ein großer Teil der bisher 43 Beauftragten-Posten gestrichen werden soll, haben Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart. Damit wollen sie ein Signal setzen, dass sie es mit dem Bürokratieabbau ernst meinen. Zum Teil geht es um Ämter, die frühere Regierungen zusätzlich geschaffen und mit Personal ausgestattet hatten. Einige der Funktionen, die es künftig nicht mehr geben soll, wurden dagegen von Beamtinnen und Beamten ausgeübt, die ohnehin für das jeweilige Ministerium tätig waren, weshalb durch die Streichung nicht unbedingt eine Kostenersparnis zu erwarten ist.

In Zukunft nicht mehr geben soll es unter anderem folgende Funktionen:

– Den Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung für Migrationsabkommen: Die dem Innenministerium zugeordnete Stelle wurde erst Anfang 2023 geschaffen. Bevollmächtigter wurde der FDP-Politiker Joachim Stamp. Er verhandelte vor allem mit Regierungsbeamten von Staaten, die zu mehr Engagement bei der Rücknahme ihrer ausreisepflichtigen Staatsbürger bewegt werden sollten. Schon gleich nach seiner Ernennung hieß es aus der Union, das sei eine Aufgabe, die das Ministerium gut ohne einen solchen Bevollmächtigten erfüllen könne.

– Den Meeresbeauftragten gibt es seit September 2022. Das Amt ist im Umweltministerium angesiedelt, wo eine neue Unterabteilung Meeresschutz geschaffen wurde.

- Im Bundesverkehrsministerium gab es bislang einen Koordinator für Güterverkehr und Logistik und den Beauftragten für den Schienenverkehr sowie eine Radverkehrsbeauftragte.

- Nach dem Amtsantritt von Ex-Außenministerin Annalena Baerbock wurde im Auswärtigen Amt die neue Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik geschaffen. Jennifer Morgan – vormals Geschäftsführerin von Greenpeace International – übernahm den Posten.

- Ebenfalls von der Ampel-Regierung geschaffen wurde die Funktion der Botschafterin für feministische Außenpolitik.

Zu den Beauftragten der Bundesregierung, die bleiben sollen, zählen:

- Der im Auswärtigen Amt angesiedelte Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein.

- Der Opferbeauftragte. Er ist der zentrale Ansprechpartner für die Anliegen von Opfern und Hinterbliebenen terroristischer Straftaten.

Außerdem gibt es Beauftragte des Bundestages. Dazu gehören etwa:

- Die Bundesdatenschutzbeauftragte. Der Bundestag hatte vor einem Jahr die Bonner Juristin und Digitalexpertin Louisa Specht-Riemenschneider zur neuen Bundesdatenschutzbeauftragten gewählt.

- Seit März 2024 gibt es den Polizeibeauftragten des Bundes beim Deutschen Bundestag. Das Amt bekleidet seither der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch.

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18 Kommentare

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  • Ich fürchte, Herr Merz wird in Gesprächen mit Herrn Trump mit solchen robusten Formulierungen nicht weit kommen. Etwas diplomatischer ließen sich unsere Anliegen auch formulieren. Hoffentlich reicht sein Golf-Handicap wenigstens, um Trump zu beeindrucken.

  • Die Kritik von Herrn Merz an das deutschlandbild der US Regierung ist zwar berechtigt, dennoch ist die Kritik der Amis doch recht nah an dem kruden deurschlandbild das Merz von seiner vorgängerregierung hatte " linke und grüne spinner " waren ja im Februar nicht nur hier in der Kommune sondern nach Merz seinem deutschlandbild auch an der Macht.



    Mir bleibt es ein Rätsel wieso die standhaften neinsager im ersten Wahlgang Merz im 2. Wahlgang wählen konnten. Aber wer weiss, vieleicht wurde Merz ja auch nur dank afd und rechten grünen Stimmen zum neuen Kanzler, irgendwoher müssen die 325 ja sager ja im 2. Wahlgang her kommen.

  • "Aus der deutschen Innenpolitik müsse sich die US-Regierung „heraushalten“."→ Interessante Auffassung, sich aus der Innenpolitik anderer Länder herauszuhalten. Gab es da nicht diverse Reden führender deutscher Politiker, die versucht haben die US Wahlen zu beeinflussen, inkl. einer diesbezüglichen Rede unseres Staatsoberhauptes?

    Durchaus spannend, dass wir uns eine Einmischung in unsere inneren Angelegenheiten verbitten, selbst aber ungefragt Meinungen zu allem und jedem auf der Welt haben.

    Vielleicht sollten wir - bevor wir wieder auf "am deutschen Wesen soll die Welt genesen" zurückfallen - uns in Zurückhaltung und Demut üben.

    • @Kriebs:

      Richtig, Einmischung ist unsere DNA. Wir mischen uns in den USA ein, in Frankreich, in Ungarn, in Serbien, Rumänien, Türkei usw.



      Deswegen ist es auch okay, wenn die USA sich bei uns einmischt.



      Ansonsten macht Merz ein deutlich bessere Figur als der Scholz.

    • @Kriebs:

      Es ist ein gravierender Unterschied, ob sich eine Welt-/Supermacht politisch einmischt, die Truppen und militärische Standorte hier hat oder ein Land mit einem zwar wesentlichen Absatzmarkt, aber mit Abhängigkeiten von der militärischen Schutzmacht! Abgesehen davon gehtes auch immer umdie Art und Weise. Da stehen wir mit unserem Protest eher nicht alleine!



      Ich denke, im Moment schaut es eher so aus, als ob man denkt, alle müssten das System "great again" übernehmen und sonst nichts!

      Demut dürfte für sehr viele Staaten zur Zeit angezeigt sein, interessiert aber die aktuellen Machthaber nicht im geringsten. Deutschland ist nicht damit gemeint.

  • Vielleicht ist nicht alles in D absurd, aber einiges kann schon zu dem Gedanken verleiten.

  • Merz Bemerkungen zu USA und Israel, bin ich positiv überrascht. Hoffentlich nicht nur heiße Luft.

  • „Zehn Millionen Wählerinnen und Wähler der AfD, die können Sie nicht verbieten“



    Er hats auch (noch?) nicht verstanden.

    Das Grundgesettz sagt - sinngemäß - ausdrücklich, dass es auf Antrag und durch entsprechende Entscheidung des Verfassungsgerichts verbietbar ist, dass Wähler eine Verfassungsfeindliche Partei wählen konnen.



    Warum steht das denn da so, Herr Merz?

  • Hier hat Merz uneingeschränkt recht, kann ja auch mal vorkommen. Ich hoffe er bleibt dem Kurs treu und dient sich nicht Trump an.

    • @Hans Dampf:

      Wieder nur die Überschrift gelesen?



      („Merz bei AfD-Verbot zurückhaltend")

  • In erster Linie müsse die neue Koalition allerdings dafür sorgen, dass die Ursachen für ein solches Wählerverhalten beseitigt werden."



    Eine schöne Ankündigung, die wohl auch genau das nur bleiben wird. Die CDU hat selber einen Wahlkampf gemacht, der zentral das Problem der Migration thematisiert hat, sprich die Union hat selber Wind in die Segel der AfD geblasen. Und das wollen sie jetzt korrigieren? Daran glaube ich nicht. Es ging doch mit Dobrindt gerade schon los, Abweisung an den Grenzen, auch wenn Menschen nicht in anderen EU-Staaten registriert wurden.



    Das Verbot muss m.M. kommen, bevor die AfD kommt. Und richtig, man kann 10 Mio. Wähler nicht verbieten, aber man kann ihnen die Option nehmen, Deutschland in eine autoritäre, rassistische Diktatur umzuwandeln. Und ne Brandmauer hält einen Großbrand nicht lange auf. Natürlich sollten die demokratischen Parteien, sich das zu Herzen nehmen, dass es eine große Frustration gibt. Aber mit Steuererleichterungen für Superreiche, hohen Rüstungsausgaben, maroder Infrastruktur und niedrigen Ausgaben für den sozialen Wohnungsbau schafft man das nicht.

  • Ich versuche gerade mir vorzustellen, wie das aussehen könnte, wenn Merz mit Trump "verhandelt".



    Ich glaube nämlich nicht, daß Trump jemanden ernst nimmt, der sich schon bei Koalitionsverhandlungen von einer Saskia Esken über den Tisch ziehen läßt.

    Und Trump ist nachtragend.



    Ich weiß nicht, ob sich negative Äußerungen von Merz über Trump aus der Vergangenheit finden lassen. Aber Merz regiert mit einer SPD, und da wird Trump viel finden, daß er Merz vorhalten kann.



    Falls Merz irgendwann ins Oval Office eingeladen wird, sollte er sich über diese Ehre nicht freuen, sondern an Selensky denken.

    • @Don Geraldo:

      Wer Angst hat, sollte kein solches Amt antreten. Er hat offensichtlicht keine. Und Sie?

      Wir denken auch an Frau Merkel, damals mächtigste Frau der Welt! Oder an dei Umgang mit Frau von der Leyen..

      Hilfreich war natürlich das weise Verhalten der Abgeordneten bei der Kanzlerwahl. Haben sie doch den eigenen Kanzler geschwächt. Glückwunsch, ganz weitsichtig gehandelt und bspw. eine Vorlage für Trump geliefert!

      Denke, Herr Merz ist durchaus in der Lage , den Wert des deutschen und des EU-Marktes klar zu machen. Finanzmarktkenntnisse und Golf ist da eine gute Basis, um ins Gespräch zu finden.

  • aha, die USA sollen sich aus der deutsche Politik raushalten, aber gleich im nächsten Satz sagt er den Israelis was sie machen sollen. Glaubwürdigkeit geht so nicht. Und, die deutsche Politik hatte sich ja versucht in die amerikanischen Wahlen einzumischen (Annalena hatte da doch eine Rede gehalten ?), wurde aber ignoriert. Genau so hätte Merz auch verfahren sollen, aber seinem Bündnispartner auf den Deutschland gerade auch militärisch angewiesen ist "absurder Politik" zu bezichtigen also ehrlich. Diplomatie geht anders. Merz scheint genau wie die ehemalige Aussemninisterin Außenpolitik mit dem Ziel zu machen, die innenpolitische Klientel zufriedenstellen zu wollen. Ohne Rücksicht auf den aussenpolitischen Schaden. naja, passt ins Bild.

  • Wie die Trumposhere Deutschland sieht habe ich, einerseites irritiert andererseits wenig überrascht, nach der Bundestagswahl festgestellt.



    Trump-Unterstützterin Megyn Kelly hat nach der Bundestagswahl verkündetet die deutsche MAGA-Partei hätte 20% bekommen und die nicht MAGA aber halbwegs konservative chrstliche Partei würde wohl den Kanzler stellen.

    Also geht es nicht um Demokratie.



    Bei jeder anderen Partei, besonders bei denen die nach Trumps Verständnis "Woke", "Socialist" "Commies" o.ä. sind würde würde sich das braun gefärbte weiße Haus nicht für die extremistische Einstufung interessieren.

    • @Waagschale:

      Was ist denn "die deutsche MAGA-Partei "?

      • @PeterArt:

        Vielen Dank für Ihre Frage. Jedoch dachte ich dies wäre bei dem genannten Ergebnis offensichtlich: die AfD ist aus Sicht dieser Personen "die deutsche MAGA-Partei ".

  • Was labert Merz da? Die 10 Millionen Wähler sollen nicht verboten werden sondern die AfD.