Nach Hinrichtung Soleimanis: Ein Fünkchen Hoffnung
Die Option Krieg rückt nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani näher. Gleichzeitig verliert Teheran an Macht im Nachbarland Irak.
E s ist ein schlechtes Zeichen, wenn Robert Malley, Direktor der Denkfabrik Crisis Group, schreibt, er sähe es als positiv an, wenn sich ein amerikanisch-iranischer militärischer Konflikt auf wenige Waffengänge beschränken würde. So weit hat die Hinrichtung des iranischen Generals Qasim Soleimani durch die USA die Welt schon gebracht: Ein Krieg scheint sehr gut möglich. Und doch gibt es auch ein winziges Fünkchen der Hoffnung – zumindest für den Nahen Osten.
Die absolute Herrschaft der schiitischen Milizen im Irak ist ins Wanken geraten. Denn zusammen mit Qasim Soleimani kam beim amerikanischen Raketenangriff auch Abu Mahdi al-Muhandis um. Er war Führer der Hisbollah-Brigade und – viel wichtiger – faktischer Chef aller Haschd-al-Schaabi-Milizen im Irak. Die Milizen haben seit 2011 ihre Macht stetig ausgebaut, nicht nur militärisch: Sie haben politische und wirtschaftliche Schlüsselpositionen besetzt und holten in den letzten Wahlen sogar 13 Prozent aller Stimmen.
Und das alles geführt von Iran. Die außerparlamentarische Opposition, die sich letzten Sommer im Irak etabliert hat, störte dieses Machtgefüge empfindlich. Woraufhin Qasim Soleimani sie zum Ziel erklärte und die Milizen Todesschwadronen gegen sie einsetzten. Hunderte Aktivisten sind seitdem verschwunden oder ermordet worden. Nur Soleimanis Tod hat diese Welle gestoppt.
Tatsächlich sind laut der Internet-Zeitung Middle East Eye sogar viele Milizenführer in den Untergrund gegangen, weil sie nicht wissen, ob sie auf einer amerikanischen Todesliste stehen oder ob ihre Organisation von amerikanischen Spionen durchsetzt ist. Auch auf internationaler Ebene müssen Gruppen wie Hisbollah und auch der Iran selbst vorsichtiger operieren. Denn Trumps Raketenangriff hat gezeigt, dass ein irrationaler US-Präsident die größere Gefahr ist.
Gerade das Gemisch aus Großmannssucht, wirtschaftlichem Profitdenken und Isolationismus macht Trump zu einem unzuverlässigem Partner und einem unkontrollierbaren Gegner. Das iranische Ziel eines schiitischen Halbmonds, einer Landbrücke von Iran bis ans Mittelmeer, ist mit dem Tod Soleimanis vielleicht erstmals ins Wanken geraten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an