Politologe über Tötung Soleimanis: „Die USA mussten reagieren“

Josef Braml fürchtet, dass die Lage in Nahost nach dem Angriff auf den iranischen General weiter eskaliert. Die Europäer spielen dabei keine Rolle.

Anti-Kriegs-Demonstranten halten Plakate in die Höhe auf dem New Yorker Times Square

„Den Kriegstreiber des Amtes antheben“, fordert diese New Yorkerin. Gemeint ist Trump Foto: Erik Mcgregor/ZUMA

taz: Herr Braml, die USA haben den iranischen General Suleimani schon seit Jahren als globalen Terrorpaten gebrandmarkt. Was hat den Ausschlag gegeben, ihn gerade jetzt per Drohnenangriff zu töten?

Josef Braml: US-Präsident Donald Trump wurde schon länger von Sicherheitskreisen in den USA und von Verbündeten in der Region vorgeworfen, dass er nicht härter reagiert hat. Als im Juni vergangenen Jahres eine US-amerikanische Drohne abgeschossen wurde, hat er in letzter Minute die Kampfjets zurückgepfiffen und nicht reagiert. Das hat den Iran ermutigt, seinerseits immer riskanter vorzugehen. Auch als im September das Herz der Ölproduktion Saudi-Arabiens mit einer Präzision getroffen wurde, die man nicht für möglich gehalten hatte, haben die USA nicht reagiert – und das, obwohl Saudi-Arabien schon seit Jahrzehnten Tribut für seinen Schutz zahlt.

Das heißt?

Man hat also einen weiteren Verbündeten fallen lassen. Die Verbündeten glaubten nicht mehr an die Stand- und Wehrhaftigkeit der USA. Als dann auch noch die US-Botschaft in Bagdad angegriffen wurde und es so aussah, als könnten die USA sich nicht einmal mehr selbst schützen, mussten die USA reagieren, um nicht vollends als hilflos dazustehen.

Schlittern beide Seiten jetzt unausweichlich in eine volle kriegerische Eskalation?

Ja, danach sieht es aus. Die Gewaltspirale wird sich weiterdrehen, weil die USA mit General Soleimani nunmehr das iranische Regime direkt und auf oberster Ebene getroffen haben. Darauf wird wiederum die iranische Führung, wohl auch aus innenpolitischen Gründen, reagieren, um die ohnehin prekäre Unterstützung ihres Regimes aufrechtzuerhalten.

In den USA sind es nicht wenige, die auch einen Zusammenhang zwischen dieser Eskalation und dem im Kongress laufenden Amtsenthebungsverfahren herstellen. Sehen Sie den?

ist USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und Autor des Buches „Trumps Amerika – Auf Kosten der Freiheit“. Aktuelle Analysen veröffentlicht er auch auf usaexperte.com.

Ja. Ich habe schon seit Längerem davor gewarnt, dass die Einleitung eines Impeachmentverfahrens nicht nur innenpolitisch Trump helfen könnte – was wir ja bereits sehen –, sondern auch außenpolitisch dazu führen könnte, dass er sich als Oberbefehlshaber in Stellung bringt und innenpolitisch umso mehr eine Wagenburgmentalität um ihn entsteht.

Deutschland, Großbritannien und Frankreich haben lange versucht, den Atomdeal trotz US-Ausstieg aufrechtzuerhalten und sind damit gescheitert. Was sollten und können diese Staaten und die EU jetzt machen?

Militärisch sind wir nicht vorbereitet und wenig präsent, können also nichts machen. Selbst im Wirtschaftskrieg haben wir den USA nichts entgegenzusetzen gehabt, was den Atomdeal hätte retten können. Die EU könnte sich geoökonomisch besser aufstellen, um ihrerseits wirtschaftliche Mittel für strategische Ziele einsetzen zu können. Und wenn die Europäer heute anfangen würden, sich militärisch besser zu rüsten, wären sie vielleicht in 20 bis 30 Jahren soweit, um sich ohne die USA selber schützen zu können.

Deutschland und die EU können auf eine derzeit mögliche Eskalation überhaupt gar keinen Einfluss ausüben?

Nein. Außer rhetorischem Bedauern haben die Europäer nichts zu bieten.

Wie beurteilen Sie die Rolle Russlands und Chinas?

China und Russland haben von der wahrgenommenen Schwäche der USA profitiert. Russland hat in Konflikte eingegriffen, aus denen sich die USA sukzessive herausgezogen haben, zum Beispiel Syrien. Und China ist dabei, sich in der Region wirtschaftlich besser aufzustellen, andere abhängig zu machen und geostrategisch Raum zu greifen. Darauf werden die USA reagieren. Man kann den Konflikt mit dem Iran auch als Teil dieser größeren Auseinandersetzung sehen.

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