Nach Gefangenenaustausch mit Russland: Jetzt kann Putin es ja zugeben
Erstmals bestätigt der Kreml, dass Vadim Krasikov ein FSB-Agent ist. Der russische Präsident empfing den Auftragsmörder in Moskau mit einer Umarmung.
Der als „Tiergartenmörder“ bekannte Krasikov habe der Alpha-Gruppe angehört, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow am Freitag. Die Alpha-Gruppe ist eine Spezialeinheit des FSB. Der Gefangenenaustausch sei vom FSB und dem US-Geheimdienst CIA ausgehandelt worden, sagte Peskow.
Krasikov war im Dezember 2021 vom Berliner Kammergericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zudem stellte es die besondere Schwere der Schuld fest, was normalerweise eine Haftentlassung nach 15 Jahren nahezu ausschließt.
Die Richter:innen hielten es für erwiesen, dass der heute 58-Jährige am 23. August 2019 in der Parkanlage Kleiner Tiergarten in Berlin-Moabit den georgischen Staatsbürger tschetschenischer Herkunft Selimchan Changoschwili erschossen hat.
Der kurz nach der Tat unweit des Tatorts festgenommene Russe habe einen „staatlichen Liquidierungsauftrag“ ausgeführt, befand der für Staatschutzsachen zuständige 2. Strafsenat. Damit lag das Gericht offenkundig richtig. Zusammen mit weiteren freigepressten russischen Kriminellen war Krasikov am Donnerstagabend in Moskau mit rotem Teppich und Präsidentengarde empfangen worden. Bei seiner Ankunft umarmte ihn Putin.
Opferangehörige sind enttäuscht
Der russische Präsident, der von Verteidigungsminister Andrej Beloussow, von FSB-Chef Alexander Bortnikow und Auslandsgeheimdienstchef Sergej Naryschkin begleitet wurde, lobte die Standhaftigkeit der im Westen verurteilten Straftäter:innen und kündigte Auszeichnungen sowie eine neue „Verwendung“ für sie an.
Das nun erfolgte vorzeitige Ende der Haft für den Auftragskiller Krasikov sorgt bei den Angehörigen des Opfers für Enttäuschung. „Das war eine niederschmetternde Nachricht für uns Angehörige“, teilten diese über ihre Anwältin Inga Schulz der dpa mit. „Einerseits sind wir froh, dass jemandes Leben gerettet wurde.
Gleichzeitig sind wir sehr enttäuscht darüber, dass es in der Welt anscheinend kein Gesetz gibt, selbst in Ländern, in denen das Gesetz als oberste Instanz gilt“, teilten die Opferangehörigen mit, die im Prozess als Nebenkläger:innen aufgetreten waren.
Es sei keine einfache Entscheidung gewesen, „einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mörder nur nach wenigen Jahren der Haft abzuschieben“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagabend am Flughafen Köln/Bonn, wo er einige der im Gegenzug von Russland freigelassenen Menschen in Empfang nahm.
Scholz rechtfertigte den Gefangenenaustausch mit einer „Schutzverpflichtung“ gegenüber den von Russland und Belarus freigelassenen fünf Gefangenen mit deutscher Staatsangehörigkeit – sowie der „Solidarität mit den USA“.
Nächste Geiselnahmen schon absehbar
Nach Angaben seines Botschafters in den USA, Anatoli Antonow, will Russland weitere Gefangene freibekommen. „Es gibt immer noch Dutzende von Russen in amerikanischen Gefängnissen, die hoffnungsvoll auf das Vaterland blicken und auf ihre Stunde der Freilassung warten“, teilte Antonow bei Telegram mit.
Sie seien durch die internationale „Jagd“ der US-Geheimdienste auf Russen hinter Gittern gelandet. „Wir werden maximale Anstrengungen unternehmen, um die Befreiung fortzusetzen und die Notlage aller Landsleute zu lindern, die in den Fängen der örtlichen Justiz sind.“
Auch in russischen Straflagern sitzen noch viele politische Gefangene, die auf Freilassung hoffen. Beobachter:innen befürchten nach dem beispiellosen Gefangenenaustausch am Donnerstag, dass Russland weiterhin auch westliche Bürger festnehmen könnte, um sie als Geiseln einzusetzen und im Ausland inhaftierte Landsleute freizupressen.
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