NDR-Doku „Lovemobil“: Ein überreagierender NDR
Die Doku „Lovemobil“ ist kein klassischer Dokfilm. Muss man deswegen mit Abscheu und Empörung auf die Art und Weise blicken, wie sie gearbeitet hat?
W er Fehler zugibt, verdient Respekt, vor allem, wer dann noch zügig handelt. Nein, es geht mir nicht um Merkel und die Osterbremse oder Döpfner und Reichelt nebenan, sondern um Filmemacherin Elke Lehrenkrauss und ihren vom NDR geförderten Kinofilm „Lovemobil“.
Lehrenkrauss’ preisgekrönter Dokfilm über einen Wohnwagenstrich in der niedersächsischen Pampa ist weniger Doku als ein Doku-Fiktion-Hybrid. Viele Szenen sind mit Darsteller*innen nachgespielt. Das wurde aber nirgends transparent gemacht. Was ein Fehler war. Das sagt die Filmemacherin inzwischen selbst.
Die Entgrenzung des Dokumentarischen ist in der Branche schon länger Thema. „Hybrid“ geht völlig in Ordnung, wenn man als Zuschauer oder Zuschauerin denn Bescheid weiß. Das war bei „Lovemobil“ nicht der Fall. Nicht mal die Redaktion des NDR oder die Filmpreisjurys erkannten die Hauptfiguren als Schauspielerinnen.
Den Deutschen Dokumentarfilmpreis, mit dem ihr „Lovemobil“ 2020 ausgezeichnet wurde, hat Lehrenkrauss jetzt zurückgegeben, Preisgeld inklusive. Das kann als Schuldeingeständnis gewertet werden, springt aber zu kurz. Was ist mit dem Thema und dem kreativen Potenzial? Nein, „Lovemobil“ ist kein klassischer Dokfilm. Muss man deswegen mit Abscheu und Empörung auf die Art und Weise blicken, wie sie gearbeitet hat? Nein.
Warum ist ein Sender wie der NDR, der den Film mitproduziert, abgenommen und ausgestrahlt hat, nicht eher und vor allem von allein darauf gekommen? Es könnte sein: weil der Film so gut ist. Davon kann sich bloß niemand mehr ein Bild machen. Denn der Film wurde umgehend aus der ARD-Mediathek gekippt und für Wiederholungen im Programm gesperrt. Dafür gibt es jetzt eine Recherche in eigener Sache bei STRG_F, das vom NDR für Funk produzierte Rechercheformat. STRG_F ist großartig, stößt hier aber ein bisschen an seine Grenzen, weil es um einen Fall in eigener Sache geht. Weshalb das Ganze Enttäuschung atmet und „Betrug“ ruft. Formal ist das richtig, dieser enge Blick ignoriert aber den Sinn und Zweck von „Lovemobile“, nämlich auf die beschissene Situation von Frauen an der Straße aufmerksam zu machen.
Gegebenenfalls ließe sich „Lovemobile“ auch umtexten. Um auf die hybride Machart hinzuweisen: Uschi ist auch im echten Leben Uschi, „Rita“ wird gespielt. Das erinnert an den Umgang des SWR mit seiner Doku über den Corona-Ausbruch in Wuhan. Weil der Film Material einer staatlichen chinesischen TV-Firma verwendetet, war er umstritten und wurde letzten Sommer am Tag der Ausstrahlung aus dem Programm gestrichen. Die Zuschauer*innen, um die es vorgeblich doch immer geht, bleiben auf der Strecke.
Hinweis der Redaktion: Steffen Grimberg ist Vorsitzender des Fördervereins des Grimme-Instituts, wo „Lovemobil“ bis diese Woche für den Grimme-Preis nominiert war.
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