Mutmaßlicher BND-Spion: Gift für die Beziehungen zu Kyjiw

Ein mutmaßlicher Agent wird im BND enttarnt. Der Fall ist ein fatales Signal außen- wie innenpolitisch. Wie verlässlich sind die Sicherheitsbehörden?

BND-Chef Bruno Kahl

Will sich bis auf Weiteres nicht öffentlich zu dem Skandal äußern: BND-Präsident Bruno Kahl Foto: Kay Nietfeld/dpa

Vertrauen ist das zerbrechlichste Gut in Kriegszeiten. Ein Gut, das sorgsam behandelt und immer wieder unter Beweis gestellt werden muss. Und so ist die Nachricht von dem Spion im Auftrag Moskaus in den Reihen des Bundesnachrichtendienstes pures Gift für die vertrauensvolle Beziehung zur Ukraine. Der mutmaßliche Agent wurde festgenommen, BND-Büros wurden durchsucht. Gibt es da noch mehr?

Hat die Bundesregierung ihre Behörden nicht im Griff? Einen Agenten in den gegnerischen Geheimdienst einzuschleusen ist so etwas wie die Königsdisziplin der Spionage – wer sich dagegen nicht zu schützen weiß, an dessen Verlässlichkeit entstehen Zweifel. Zweifel, von denen die ukrainische Sicht auf Deutschland ohnehin geprägt ist: Zwar pumpt die Bundesregierung Hunderte Millionen in unmittelbare Hilfen für die Bevölkerung in der Ukraine, in den Wiederaufbau.

Doch der Schlingerkurs bei den Waffenlieferungen, die über Jahre geprägten engen wirtschaftlichen Verbindungen zu und Abhängigkeiten von Russland säten Zweifel, die sich auch nach mehr als 300 Tagen Krieg nicht völlig ausräumen lassen. Der Zeitpunkt der Enttarnung ist denkbar ungünstig – ausgerechnet dann, wenn dem ukrainischen Präsidenten Wolodomir Selenski die internationale Bühne gehört. Hat er doch unter größten Sicherheitsrisiken sein Land verlassen und in den USA um weitere Unterstützung geworben.

Seine Reise war notwendig auch deshalb, da der Krieg in der Ukraine noch lange dauern wird, der russische Aggressor Wladimir Putin militärisch keine Geländegewinne macht, sondern in seinem Hass die zivile Infrastruktur des Landes bombardiert, im Winter die Menschen mit Stromausfällen, Hunger, gekappten Wasserversorgungen drangsaliert. Während in Washington die Anti-Putin-Allianz bestärkt wird, kann man sich in Berlin nicht sicher sein, dass keine heiklen Sicherheitsinformationen an den Aggressor geliefert werden.

Auch innenpolitisch ist der Fall mutmaßlicher Spionage heikel. Spätestens mit Kriegsbeginn am 24. Februar ist klar geworden, wie verletzlich die Bundesrepublik ist. Digitale Angriffe auf Verwaltungen und Unternehmen haben zugenommen. Die sogenannte Kritische Infrastruktur Deutschlands gerät gezielt in den Fokus. Vom hybriden Krieg ist die Rede, davon, dass nicht nur auf dem Schlachtfeld gekämpft wird, sondern unsere Versorgungseinheiten angegriffen werden. Ein Beispiel war der Sabotageakt auf die Nordstream-Pipelines.

Wie groß die Gefahr russischer Infiltration ist, stellt auch der Chef des Auslandsgeheimdienstes Bruno Kahl klar: Mit Russland habe man es mit einem Akteur zu tun, „mit dessen Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft wir zu rechnen haben.“ Es wird hektisch werden über die Feiertage bei den Geheimdiensten. Nun wird durchgekämmt im Personal. „Das zeigt, wie wachsam wir sein müssen“, twitterte Bundesjustizminister Marco Buschmann. Hoffentlich kommt diese Erkenntnis nicht wirklich erst jetzt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.