Mindestlohn-Forderung der SPD: Zurück in die Zukunft

Die SPD feiert sich dafür, einen Mindestlohn von 12 Euro zu fordern: „Perspektivisch“. Aber warum nicht sofort?

SPD-Spitze posiert vor Schriftzug „in die neue Zeit“

Seltsam retro, die „neue Zeit“, mit der die Genoss:innen sich feiern Foto: dpa

Was haben sich die Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag gefeiert! Der mit großer Mehrheit beschlossene Leitantrag fordert „perspektivisch“ einen Mindestlohn in Höhe von 12 Euro. Man hätte auch einfach „sofort“ dessen Anhebung verlangen können. Sei’s drum. Nach dem „Fest der Liebe und der Vergebung“ wolle man mit der Union darüber verhandeln, sagt Johannes Kahrs vom konservativen Seeheimer Kreis.

Wird die Koalitionspartnerin nach Weihnachten gesprächsbereit sein? Der Arbeitnehmerflügel der CDU zumindest scheint kapiert zu haben, dass auch die eigenen Wählerinnen für weniger als 10 Euro pro Stunde malochen. Sollte der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben werden, wäre das der Initiative der SPD zu verdanken. Was folgt daraus? Das Ende des dritten Weges? Ist die deutsche Sozialdemokratie wieder Anwältin der „kleinen Leute“?

Die Zeiten August Bebels sind lange vorbei, schon klar. Für den Arbeiterkaiser war das Kapital ein „brüllender Löwe“. Am Wochenende brüllten die sozialdemokratischen Delegierten jedoch nicht einmal für einen armutsfesten Stundenlohn. Der liegt zurzeit bei 12,63 Euro. Wenn die SPD die Partei der Arbeiterinnen ist, dann jener aus dem Jahr 2016.

Damals waren 11,68 Euro pro Stunde nötig, um nach 45 Jahren Vollberufstätigkeit oberhalb der Grundsicherung zu landen. Wo war da der Parteitagsbeschluss, das Arbeitsentgelt „perspektivisch“ auf 12 Euro anzuheben? Dem Motto zufolge hat sich die SPD am Wochenende „in die neue Zeit“ aufgemacht. Da muss den PR-Strategen im Willy-Brandt-Haus ein Fehler unterlaufen sein. Die arbeitsmarktpolitischen Forderungen lassen eher auf ein „Zurück in die Zukunft“ schließen. Verständlich: 2016 lagen die Umfragewerte der SPD bei schwindelerregenden 21 Prozent.

Um sich aus dem aktuellen Umfragetief (11 Prozent!) zu befreien, will die neue Führung einen Linksschwenk einleiten. Schade nur, dass ihre Forderungen die Arbeitenden nicht vorm Flaschensammeln im Alter bewahren. Eine solche SPD wird nicht mehr gebraucht. Perspektivisch, versteht sich.

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