Migrationspolitik der Ampel: Fortschrittskoalition is over
Eine härtere Asylpolitik hilft nicht gegen islamistischen Terror. Doch die Ampel will den Rechten zeigen, dass sie auch etwas gegen Ausländer hat.
W eil ich ein von der Politik frustrierter Mann bin, verbringe ich viel Zeit im Internet. Dort habe ich ein linkes Manifest gefunden, das mich radikalisiert hat. Da steht: „Migration war und ist schon immer Teil der Geschichte unseres Landes.“ Aber damit nicht genug: „Wir wollen einen Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik gestalten, der einem modernen Einwanderungsland gerecht wird.“
Die AutorInnen waren leichtsinnig und haben Spuren hinterlassen: „Koalitionsvertrag“ steht drauf, Autogramme stehen darunter. Sie schienen sich ihrer Sache sicher zu sein, oder sie dachten: Das Geschwätz interessiert bald eh niemanden mehr.
Drei Jahre später könnte erstmals ein Rechtsextremer eine Landtagswahl gewinnen, und vorher drehen alle durch. Die Bild jagt die Anwältin des Solingen-Attentäters, die Regierung kämpft gegen ihr nahendes Ende, verschärft das Asylrecht und schiebt nach Afghanistan ab. Die Geschwindigkeit lässt einen schwindeln.
Erinnert sich jemand an die größten Demos in der Geschichte der Republik? Ist ewig her, ein halbes Jahr. Damals gingen so viele Menschen wie nie auf die Straße, um gegen das Erstarken des Faschismus zu protestieren und für eine offene Gesellschaft.
Aber für sie macht niemand Politik. Sondern für jene, die am Sonntag eine rechtsextreme Partei wählen wollen. Ihnen wollen die Parteien von Grün bis Schwarz zeigen, dass sie auch etwas gegen Ausländer haben. Asylbewerbern, für die nach den Dublin-Regeln ein anderer Staat zuständig ist, sollen die finanziellen Leistungen komplett gestrichen werden.
Ob das legal ist? Mal sehen. Bett, Brot, Seife – so wird das Prinzip genannt. Das ist genial, weil man mit einem Stück Seife keinen Menschen abstechen kann und allgemein bekannt ist, dass politische Perspektivlosigkeit die beste Prävention gegen Islamismus darstellt.
Erwartungen können nicht erfüllt werden
Es ist verständlich, dass die Bevölkerung nicht nachvollziehen kann, dass der Staat geltendes Recht, in diesem Fall Abschiebungen nach Bulgarien, nicht umsetzt. Dass Deutschland vom Dublin-System eigentlich profitiert, spielt dabei keine Rolle. Wenn der Staat seine eigenen Regeln nicht anwendet, führt das zu einem Vertrauensverlust. Das gilt nicht nur in der Asylpolitik.
Doch statt bestehende Gesetze anzuwenden, werden neue gemacht. Auch die erneute Verschärfung wird nichts daran ändern, was alle wissen: Härtere Asylpolitik hilft nicht gegen islamistischen Terror. Indem beides miteinander verbunden wird, schafft der Staat Erwartungen, die er in der europäischen Realität nicht erfüllen kann, stärkt die Frustration und den Populismus.
Und die Grünen? Verweisen auf die Gefahr durch Islamismus und tragen dann jede asylpolitische Verschärfung mit, selbst Abschiebungen nach Afghanistan. Die Taliban werden sich ihre Zustimmung etwas kosten lassen haben. Unterstützung des internationalen Terrorismus, auch so eine Form der Prävention.
Dann nimmt Robert Habeck noch ein pastorales Video auf. Nichts dagegen, dass Politiker ihr Handeln erklären. Aber fortschrittliche Kommunikation bei rückschrittlicher Politik, das hinterlässt einen Geschmack. Habeck sagt: „Für Integration, Sprachkurse und gute Bildungsarbeit muss genügend Geld vorhanden sein“ – also das, woran seine Regierung massiv spart.
Am politischen und moralischen Ende dieser Koalition wird es Geflüchteten schlechter gehen, sie werden weniger integriert und mit einem wachsenden Rassismus konfrontiert, der von dieser Fortschrittskoalition noch verstärkt wird.
So sehr wie in dieser Woche habe ich eine starke Linke lange nicht vermisst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört