Migranten auf dem Arbeitsmarkt: Fleißige Flüchtlinge
Jeder vierte Geflüchtete hat inzwischen einen Job. Laut einer aktuellen Erhebung reicht der Lohn nicht immer zum Überleben.
Die aktuelle Nachricht, wonach rund 25 Prozent der seit 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge mittlerweile einen Job hat, dürfte rechte Kreise in Schwierigkeiten bringen: Sollen sie nun „viel zu wenig“ rufen, oder doch lieber „viel zu viel“? Wahrscheinlich wird es beides geben. Doch die Frage, ob diese Zahl des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hoch oder niedrig ist, ist auch jenseits rechter Argumentationen interessant.
Wenn man bedenkt, welche Hürden es beim Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge gibt, ist ein Viertel nicht wenig: In den ersten drei Monaten, während der Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung und mit einer Duldung ist es vielen gar nicht erlaubt, einem regulären Job nachzugehen.
Zwar wurde die Vorrangprüfung, also der Beweis, dass kein Deutscher oder EU-Bürger für den Job zur Verfügung steht, in den meisten Regionen abgeschafft, doch nach wie vor sind die formalen Hürden hoch – von Rassismus auf dem Arbeitsmarkt ganz zu schweigen. Außerdem befinden sich viele der seit 2015 angekommenen Menschen derzeit noch in Integrationskursen und Maßnahmen, die auf den Arbeitsmarkt vorbereiten sollen. Davon, dass Flüchtlinge arbeitsscheu seien, kann also angesichts dieser Zahlen keine Rede sein.
Eigentlich aber bräuchte es ohnehin eine ganz andere Debatte, die auch die Qualität der Beschäftigungsverhältnisse in den Blick nimmt. Denn die Erhebung gibt Hinweise darauf, dass es mit dieser nicht besonders weit her ist: Einen sozialversicherungspflichtigen Job hat nur jeder fünfte seit 2015 angekommene Flüchtling bisher bekommen. Laut der Erhebung des IAB sind Jobs in der Reinigungs-, Logistik- und Securitybranche besonders häufig. Und nicht bei allen reicht der Lohn zum Überleben: 15 Prozent der Flüchtlinge, die Hartz IV beziehen, hätten zwar eine Arbeit, müssten aber aufstocken.
Statt über angeblich faule Flüchtlinge oder – auch in linken Kreisen – über die angebliche Bedrohung für den deutschen Arbeiter zu reden, bräuchte es eine Diskussion darüber, was es für eine Gesellschaft bedeutet, wenn sie Neuankömmlinge die Drecksarbeit machen lässt – gestern, heute und morgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen