Meteorologe über Wetter durch Klimakrise: „Keine Zeit mehr zu verlieren“
Wegen der Erderhitzung müssen wir uns auf extremere Wetterbedingungen einstellen, sagt Andreas Friedrich. Gegen Dürresommer helfe Starkregen wenig.
taz: Herr Friedrich, derzeit prasseln Regenmassen auf Süddeutschland ein. Wenn die verheerenden Schäden wie etwa in Landshut nicht wären – dann müsste man diese begrüßen, oder?
Andreas Friedrich: Für den Grundwasserpegel und die tieferen Bodenschichten besteht Nachholbedarf in einigen Regionen. Es kommt aber auf die Art des Niederschlags an: Wir erleben jetzt die typischen sommerlichen Starkregen – also kurze, heftige Regengüsse. Das hilft aber nicht sehr viel, weil dieser Regen nicht so schnell versickern kann, sondern oberflächlich abfließt und zu überschwemmten Kellern führt. Um den Feutigkeitsmangel zu beheben, braucht man viel mehr den typischen Landregen, den Dauerregen gleichmäßig über mehrere Stunden, der schön einsickern kann.
Und wo bleibt dieser Landregen?
Der fällt hauptsächlich in der kälteren Jahreszeit und ist viel entscheidender für die Bodenfeuchtigkeit. In diesem Winter hatten wir etwas mehr Regen als im Durchschnitt. Das war aber nicht genug, um die letzten drei anormalen Dürresommer mit seinen langfristigen Defiziten auszugleichen.
Sind die jetzigen heftigen Gewitter durch den Klimawandel verursacht?
Nein, so lässt sich das nicht sagen. Man muss immer Wetter und Klima trennen. Beim Klima reden wir über einen Zeitraum von 30 Jahren und mehr, in denen wir wichtige Daten auswerten und diese mit früheren Perioden vergleichen. Man muss die Sache anders anpacken und schauen, wie häufig es über einen längeren Zeitraum hinweg Starkregen gibt. Seit etwa 20 Jahren haben wir vom Deutschen Wetterdienst alle Radardaten für Deutschland zur Verfügung, damit werden alle Niederschläge flächendeckend erfasst. Daraus lässt sich erkennen: Gewitter und Starkregen nehmen zu und werden auch heftiger. Das passt auch zur Entwicklung in der Atmosphäre. Auch in den höheren Luftschichten ist es wärmer, deshalb wird dort mehr Feuchtigkeit gespeichert. Dadurch fällt dann auch mehr Regen. Das passt alles zusammen, denn die Klimaerwärmung ist in den letzten 20 Jahren auf die Überholspur gegangen.
Wie passt das zusammen mit der Hitze und Dürre in den letzten Jahren im Sommer, etwa in Ostdeutschland oder in Franken?
Die Klimasimulationen zeigen einerseits, dass Hitzewellen in Deutschland mit über 40 Grad häufiger auftreten. In einem typischen Sommer gibt es nun Dürre und hohe Temperaturen über Wochen hinweg. Zwischenrein kommen immer wieder Wetterumschwünge mit Tiefdruckgebieten in Mitteleuropa, das bringt dann Unwetterkapriolen, Tornados, heftigen Regen. Das ist kein Widerspruch, wir müssen uns insgesamt auf extremere Wetterbedingungen einstellen durch die Klimaerwärmung. Und lernen, damit besser umzugehen.
In Kanada herrscht gerade mörderische Hitze. Dabei liegt das Land ja ziemlich im Norden.
Diese Hitzewelle ist, wissenschaftlich gesagt, höchst wahrscheinlich zu einem gewissen Prozentsatz auf die Erderwärmung zurückzuführen. Ohne diese wären bei derselben Wetterlage die Temperaturen um einige Grad niedriger. Dieses Thema analysieren wir gerade – dabei geht es um die Fragestellung, wie viel Prozent von Hitzewellen am Klimawandel liegen. Dann lässt sich etwa sagen: Wenn jetzt etwa 41 Grad im Sommer herrschen, dann wären dies vor 50 Jahren bei gleicher Wetterlage nur 38 Grad gewesen.
Immer wieder wird von „verfestigten Wetterlagen“ gesprochen. Was bedeutet das, und wie hängt das mit dem Klimawandel zusammen?
Es gibt vermehrt Diskussionen über die so genannten Jetstreams – das sind Winde, die in zehn oder elf Kilometern über uns hinwegfegen. Haben die sich verändert? Erste Ergebnisse zeigen, dass die Jetstreams im Sommer womöglich schwächer werden. Dann können die Wetterlagen auf der Erde länger anhalten. Solche Tendenzen lassen sich erkennen, die Forschung dazu ist aber noch nicht gut genug abgesichert.
Ist es noch möglich, beim Klimawandel die Notbremse zu ziehen?
Alle Wissenschaftler sagen, dass es keine Zeit mehr zu verlieren gibt. Es muss jetzt alles geschehen, was möglich ist. Gegen die Corona-Bedrohung konnte man Impfungen entwickeln, eine Impfung gegen die Klimakatastrophe gibt es nicht.
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