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Merz stellt Reform in AussichtZarte Bewegung bei der Schuldenbremse

CDU-Chef Merz rückt vom strikten Nein zur Schuldenbremse ab, SPD und Grüne wollen die Union zu einer Reform noch vor der Bundestagswahl locken.

Hat bislang eine Reform der Schuldenbremse strikt abgelehnt: Friedrich Merz

Berlin taz | Nachdem CDU-Chef Friedrich Merz bei der Schuldenbremse eine mögliche Bewegung angedeutet hat, bieten Grüne und SPD der Union eine Reform noch vor der vorgezogenen Neuwahl im Februar an. „Friedrich Merz hat seit gestern endlich Offenheit für eine Reform“, sagte die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge am Donnerstag der taz. „Wir laden ihn ein, hier noch zu einer gemeinsamen Entscheidung im Bundestag zu kommen. Für die Stärkung unserer Wirtschaft, für Klimaschutz und mehr Ausgaben für unsere Sicherheit.“

Deutschland schiebe seit Jahrzehnten einen gigantischen Investitionsstau vor sich her, so Dröge weiter. Der Sachverständigenrat habe das erneut bestätigt. Die einzig sinnvolle Antwort darauf sei eine kluge Modernisierung der Schuldenbremse.

„Lassen Sie uns gemeinsam die Schuldenbremse weiterentwickeln“, sagte auch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch in Richtung Merz. Der CDU-Chef habe die Notwendigkeit erkannt, dass Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz, Bildung und Infrastruktur entscheidend seien, um langfristig Wohlstand zu sichern. Konkrete Vorschläge aber würden bislang ausbleiben.

Ähnlich äußerte sich auch SPD-Chefin Saskia ­Esken. „Ich freue mich, wenn sich die CDU-Führung hier gesprächsbereit zeigt“, sagte Esken der taz. „Niemand, außer der FDP, stellt infrage, dass wir mehr investieren müssen, um die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Wachstum zu schaffen.“ Auch Arbeitgeber, Gewerkschaften und führende Ökonomen forderten einen handlungsfähigen Staat, der aktive Wirtschaftspolitik betreibe und dadurch private Investitionen ermögliche.

Merz hatte – anders als eine Reihe der CDU-Ministerpräsidenten – eine Reform der Schuldenbremse bislang strikt abgelehnt. Am Donnerstag aber schloss er dies nicht mehr aus. „Ehrlich gesagt, Schuldenbremse ist ein technisches Thema, kann man so oder so beantworten“, sagte Merz auf dem Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung. „Selbstverständlich kann man das reformieren.“ Die Frage sei, was das Ergebnis einer solchen Reform sei. „Ist das Ergebnis, dass wir noch mehr Geld ausgeben für Konsum und Sozialpolitik? Dann ist die Antwort nein“, sagte Merz. „Ist das Ergebnis, es ist wichtig für Investitionen, es ist wichtig für Fortschritt, es ist wichtig für die Lebensgrundlage unserer Kinder? Dann kann die Antwort eine andere sein.“

Erheblicher Finanzbedarf bei der Infrastruktur

Hintergrund ist der erhebliche Finanzbedarf, etwa für Investitionen in die Infrastruktur. Vor diesem Problem würde auch die Union bei einem Eintritt in die Bundesregierung stehen. SPD und Grüne, aber auch Industrieverbände, Gewerkschaften und viele Ökonomen fordern deshalb seit Längerem, dass man die Schuldenbremse für diesen Zweck lockern solle.

Die im Grundgesetz verankerte Regelung setzt der Aufnahme neuer Schulden durch Bundes- und Landesregierungen klare Grenzen. Für eine Reform oder Ausnahmen wie das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Die FDP ist strikt gegen eine Reform der Schuldenbremse. Auch daran ist die Ampelregierung zerbrochen.

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7 Kommentare

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  • Merz rückt von seinem bisherigen "strikten Nein zur Schuldenbremse" ab? Wohl eher vom "strikten Nein zu einer Reform (!) der Schuldenbremse".



    Ansonsten: Gut so, er ist auf dem richtigen Weg. Es war abzusehen. Wie wollte er auch ansonsten künftig regieren können? Die Kehrtwende nach der bisherigen Kritik an SPD und Grünen in dieser Sache ist halt richtig schäbig.

  • Wer dieses Spielchen nicht durchschaut hat ...



    Natürlich wird auch eine CDU-Regierung nicht an einer Reform der Schuldenbremse herum kommen. Es sei: sie wollen D wirklich an die Wand fahren.



    Tja, jetzt die Gretchen-Frage: die SPD wird sich kaum in die TrotzEcke zurück ziehen können/wollen, und zustimmen.



    Fundamentalopposition zahlt sich aus.



    Man ist für nichts verantwortlich, weiß alles besser.



    Siehe MAGA

  • "Deutschland schiebe seit Jahrzehnten einen gigantischen Investitionsstau vor sich her, ... Die einzig sinnvolle Antwort darauf sei eine kluge Modernisierung der Schuldenbremse."

    Deutschlands Bundeshaushalt bläht sich seit Jahrzehnten immer mehr auf, es wird immer mehr Geld ausgegeben. Der Schuldenstand steigt und steigt. Und der Investitionsstau auch,

    Die einzig denkbare Lösung: "Modernisierung der Schuldenbremse". Ein Euphemismus für "weg damit, wir wollen noch viel mehr Schulden machen. Und dabei wird ganz bestimmt Grandioses dabei herauskommen!"

    Finde den Fehler.

    Glaubt irgendwer dieses Märchen von den glanzvollen Zukunftsinvestitionen, die nur durch noch mehr Schulden ermöglicht werden können?

    • @EIN MANN:

      Wenn mein Hausdach einer dringenden Erneuerung bedarf und ich habe aus welchen Gründen auch immer, nicht genügend Bares. Was mach ich dann? Genau, sofern würdig, nehme ich einen Kredit auf, auf dass der Laden nicht ganz zusammenfällt.



      Sagt die viel zitiert schwäbische Hausfrau.

  • Erst klagen zur Einhaltung der Schuldenbremse, damit die Regierung zersetzen, hierbei immer und immer wieder auf die Schuldenbremse pochen und dann, wenn es nach Seitenwechsel aussieht, nach Regieren, ganz plötzlich der Meinungsumschwung und Gegenteil. Ekelhaft.

  • Ob sich Merz noch vor der Wahl zu Verhandlungen und erst Recht einer Abstimmung zur Reform der Schuldenbremse bewegen lässt?

    Das würde ja bedeuten, Rot-Grün einen "Sieg" zu verschaffen.

    Oder wartet er bis nach der Wahl und geht das Risiko ein, dass die Mehrheitsverhältnisse dann andere sein könnten.

  • Das war klar- seine alten Forderungen auf strikte Einhaltung dienten, wie vorhergesagt, nur der Machtwiedererlangung durch Lähmung und Zerstörung der Ampel.

    Jetzt, mit Aussicht auf die Futtertröge der Macht, ist das ja völlig egal, denn auch er braucht natürlich Geld zum Ausgeben!

    Da wird "Generationengerechtigkeit" schnell wieder zur leer tönenden Hülse der Machtgier.

    Um ihn mal etwas auflaufen zu lassen, sollte die spd darüber nachdenken, dem NICHT sofort zuzustimmen.

    Mal sehen wieviel besser Herr merz und Konsorten Politik machen kann unter den gleichen schlechten Voraussetzungen.

    Ich würde dazu Popkorn machen und mich im Sessel zurücklehnen.

    Vorhang auf!