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Merz’ neueste AbschiebeforderungenKein Ausrutscher

Kersten Augustin
Kommentar von Kersten Augustin

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz setzt auf eine harte Abschiebepolitik. Seine Ideen sind zwar nur schwer umsetzbar, aber ganz bewusst gesetzt.

Passentzug bei Straf­fäl­lig­kei­t:Un­rea­lis­ti­sche Merzvorschläge Foto: Marijan Murat/dpa

C DU-Chef Friedrich Merz hat gefordert, Straftätern mit doppelter Staatsbürgerschaft den deutschen Pass abzuerkennen, um diese abschieben zu können. Das ist nicht nur rassistisch – es ist auch unrealistisch und darüber hinaus selbst aus Perspektive der Union strategisch fragwürdig.

Merz macht mit seiner Forderung alle Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit zu Bürgern zweiter Klasse. Bürger, die nur die deutsche Staatsangehörigkeit haben und Straftaten begehen, kann diese nicht entzogen werden. Allen anderen macht Merz deutlich: Ihr werdet nie ganz dazugehören.

Merz’ Vorstoß ist deshalb auch verfassungsrechtlich fragwürdig. Bisher kann nur ausgebürgert werden, wer sich beispielsweise einer ausländischen Armee oder einer Terrorgruppe angeschlossen hat. Bei einfachen Straftaten ist das nicht möglich. Merz müsste also voraussichtlich das Grundgesetz ändern. Doch selbst wenn ein einfaches Gesetz reichen sollte, wird Merz dafür keine demokratische Mehrheit im Parlament finden. Das weiß auch Merz. Seine Aussage war kein Ausrutscher, sondern wohl überlegt platziert in einem Zeitungsinterview – einen Tag, bevor auch die CSU ankündigte, ihren Wahlkampf auf die Migrationspolitik zu fokussieren.

In den vergangenen Monaten ist Merz oft moderat aufgetreten. Auf den Anschlag in Magdeburg reagierte er zunächst zurückhaltend, rief zum Zusammenhalt und Politiker zur Zurückhaltung auf. Er traf damit einen Ton, was Scholz in seiner Nüchternheit und Habeck mit seinem Pathos nicht gelang.

Noch im Herbst hatte Merz gesagt, er wolle eine Zuspitzung des Migrationsthemas im Wahlkampf vermeiden, Wirtschaftspolitik etwa sei wichtiger. Es war der Versuch, als Mann der Mitte, als Staatsmann aufzutreten.

Nun ist es mit Merz’ Zurückhaltung vorbei. Man fragt sich: Reicht der Union die stabile Führung in den Umfragen nicht? Glaubt man wirklich, mit einem Rechtsruck das dazuzugewinnen, was man in der Mitte verlieren könnte? Noch haben übrigens auch Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft das Wahlrecht in Deutschland.

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Kersten Augustin
Ressortleiter Inland
Kersten Augustin leitet das innenpolitische Ressort der taz. Geboren 1988 in Hamburg. Er studierte in Berlin, Jerusalem und Ramallah und wurde an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München ausgebildet. 2015 wurde er Redakteur der taz.am wochenende. 2022 wurde er stellvertretender Ressortleiter der neu gegründeten wochentaz und leitete das Politikteam der Wochenzeitung. In der wochentaz schreibt er die Kolumne „Materie“. Seine Recherchen wurden mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Langem Atem und dem Wächterpreis der Tagespresse ausgezeichnet.
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