Merkels letztes Bund-Länder-Treffen: Richtig, aber leider zu spät
Der Coronabeschluss von Noch-Kanzlerin Merkel, Nachfolger Scholz und den Ministerpräsident:innen war überfällig. Er geht nicht weit genug.
U m große Worte war das Bund-Länder-Treffen noch nie verlegen. In einem „Akt der nationalen Solidarität“ würden sie jetzt „gemeinsam dafür sorgen, dass die Infektionszahlen wieder sinken und unser Gesundheitssystem entlastet wird“. So steht es in dem am Donnerstag gefassten Beschluss von Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz und den Länderregierungschef:innen.
Schade nur, dass dieser „Akt der nationalen Solidarität“ so spät kommt. Tausende Menschen könnten noch leben, wenn die verantwortlichen Politiker:innen in Bund und Ländern zum rechten Zeitpunkt ihrer Verantwortung gerecht geworden wären. Dann wäre Deutschland nicht bloß bei der ersten Welle vor der Welle gewesen.
Nun also sollen sehr weitreichende 2G-Regeln die Rettung aus der Not bringen. Bundesweit wird der Bewegungsspielraum für Ungeimpfte stark eingeschränkt: Kinos, Theater, Gaststätten und Sportveranstaltungen sind für sie tabu, auch dürfen sie nur noch Geschäfte des täglichen Bedarfs betreten und sich jenseits des eigenen Haushalts mit höchstens zwei weiteren Personen treffen.
Das sind harte Maßnahmen, die angesichts der dramatischen Coronalage aber nicht unangemessen scheinen – zum Schutz der Ungeimpften, aber auch der Geimpften, die noch auf ihre Boosterung warten müssen. Größere Wirkung werden die neuen Regeln jedoch nur entfalten können, wenn ihre Einhaltung auch konsequent kontrolliert wird. Das ist fraglich.
Merkel hat gewarnt und gedrängt
Vor allem aber: Sie kommen mal wieder zu spät. Die Infektionszahlen sind auch deshalb so hoch, weil inzwischen bei vielen Geimpften der Impfschutz stark nachgelassen hat. Solange sie nicht geboostert sind, wäre daher 2G-Plus die angemessene Lösung.
Angela Merkel wird froh gewesen sein, dass ihr letztes Bund-Länder-Treffen nicht wieder bis tief in die Nacht ging und sie rechtzeitig zu ihrem Großen Zapfenstreich kommen konnte. Dass die Runde, die sie im März vergangenen Jahres erstmalig einberief, sich allzu oft nicht auf der Höhe der Zeit gezeigt hat, ist nicht der scheidenden Kanzlerin anzulasten. Sie hat von Anfang an eindringlich gewarnt und gedrängt, leider allzu oft vergeblich.
Vorzuwerfen ist Merkel allerdings, dass sie – vorsichtig formuliert – keine glückliche Hand bei der Auswahl ihres Gesundheitsministers bewiesen hat. Ein von seiner Aufgabe überforderter Jens Spahn und Ministerpräsident:innen, die immer wieder erst dann bereit waren zu handeln, wenn es gar nicht mehr anders ging, sind keine gute Kombination zur Pandemiebekämpfung. Immerhin: Spahn wird als Gesundheitsminister ab Mitte nächster Woche Geschichte sein. Hoffentlich hat Olaf Scholz mehr Fortune bei seiner Personalauswahl.
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