Corona-Maßnahmen in Deutschland: Ungeimpfte müssen draußen bleiben

Bund und Länder beschließen Maßnahmen gegen das Infektionsgeschehen. Die Impfpflicht ist jetzt kein Tabu mehr – nicht einmal bei der FDP.

Angela Merkel und Olaf Scholz und ein weiterer Mann mit Mundschutzmasken

Die Kanzlerin geht voran, Scholz zieht nach: Die neuen Maßnahmen sollen die Infektionen reduzieren Foto: John Macdougall/afp/Pool/dpa

BERLIN taz | Shopping nur noch für Geimpfte und Genesene, auch in Kinos, Theater und Restaurants gilt 2G. Ungeimpfte müssen also draußen bleiben. Ausgenommen sind nur Geschäfte des täglichen Bedarfs. Zudem soll es für Ungeimpfte strenge Kontaktbeschränkungen geben. Treffen sind auf den eigenen Haushalt sowie höchstens zwei Personen eines weiteren Haushaltes beschränkt.

Darauf und auf noch sehr viel mehr haben sich Bund und Länder auf ihrer wahrscheinlich letzten Sitzung unter der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag geeinigt. Sie sprach von einem „Akt der nationalen Solidarität“. Dieser sei erforderlich, um die Infektionen zu senken und die Lage in den Krankenhäusern zu entspannen, sagte Merkel. Am 8. Dezember soll Olaf Scholz (SPD) zum neuen Bundeskanzler gewählt und die neue Regierung vereidigt werden.

Scholz war in die Pläne denn auch eng eingebunden. Über die meisten Punkte wurde bereits im Vorfeld Einigkeit zwischen SPD- und Unions-Seite erzielt. Dabei ließ sich Scholz auch auf den Wunsch der Union nach einer stärkeren, bundesweiten Einschränkung des Restaurantbetriebs ein. Bars und Clubs sollen spätestens ab einer Inzidenz von 350 geschlossen werden. Zudem sollen Länder „angemessene zusätzliche Maßnahmen“ wie zeitlich befristete Schließungen von Gaststätten oder Einschränkungen bei Hotelübernachtungen zur Verfügung bekommen. Dafür werde auch das Infektionsgesetz noch mal verschärft. Auch Kontakte von Geimpften und Genesenen müssen dann reduziert werden: auf 50 in Innenräumen und 200 im Außenbereich.

Bars und Clubs sollen nach dem Beschluss spätestens ab einer Inzidenz von 350 geschlossen werden

Bilder von 50.000 grölenden Fans wie vergangenes Wochenende im Fußballstadion von Köln soll es in den nächsten Wochen nicht mehr geben. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte Geisterspiele im Fußball im Freistaat bereits ab dem Wochenende an. Das sollte zunächst für das laufende Jahr gelten, sagte Söder. Und auch auf ein Böllerverbot über Silvester haben sich Bund und Länder geeinigt.

Scholz sprach von einer „großen nationalen Anstrengung“ und betonte, dass die Bundesregierung „alles dafür tun“ werde, um die Pandemielage in Deutschland zu verbessern. Nach dem Schlingerkurs der Ampelparteien in den letzten Wochen hatte Scholz kurz zuvor in der Zeit betont: „Für meine Regierung gibt es keine roten Linien mehr bei dem, was zu tun ist. Es gibt nichts, was wir ausschließen.“

Die Krankenhäuser sind überlastet

Insbesondere die an der künftigen Regierung beteiligte FDP hatte zuletzt viele der notwendigen Maßnahmen blockiert. Doch selbst dort findet nun ein Umdenken statt. Der designierte Bundesfinanzminister Christian Lindner macht sich gar für eine allgemeine Impfpflicht stark. „Ich sage offen, dass meine Richtung auch die einer Impfpflicht ist“, sagte Lindner auf Bild Live. Er habe auf eine Impfquote von 85 Prozent gehofft und sei „enttäuscht, dass die Impfbereitschaft so gering ist“, sagte er, der sich bislang vehement ­gegen eine Impfpflicht ausgesprochen hatte. „Wir kommen deshalb immer wieder in diese Situationen wie jetzt, wo Freiheiten für alle eingeschränkt werden müssen“, sagte Lindner. „Es ist ein scharfes Schwert, aber ich glaube, es ist verhältnismäßig.“

Auch Merkel, die sich noch im August gegen eine Impfpflicht ausgesprochen hatte, sprach sich nun für eine solche allgemeine Pflicht aus. „Ich halte es für geboten, eine solche Impfpflicht zu beschließen.“

Angesichts der hohen Zahl der Corona-Intensivpatient:innen in den Krankenhäusern warnen Me­di­zi­ne­r:in­nen erneut vor einer massiven Überlastung. Insbesondere für viele Krebs­pa­ti­en­t:in­nen ist die angespannte Lage in den Kliniken bereits jetzt ein Problem.

Die Durchführung bereits geplanter Operationen werde „von Tag zu Tag schwieriger, weil die Intensivstation zunehmend mit Coronapatienten belegt ist, auch durch Zuverlegung aus anderen Städten oder anderen Bundesländern“, sagt etwa Hauke Lang, Präsident der DGCH und Chirurg an der Uniklinik Mainz. Generell gelte: „Je weiter wir eine Tumor­operation nach hinten schieben, umso ungünstiger wird die Prognose insgesamt. Da haben wir wenig Spielraum.“ Laut Deutscher Interdisziplinärer Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) ist die Zahl der Corona-Intensivpatienten in den Krankenhäusern am Donnerstag auf 4.774 gestiegen, den zweithöchsten Wert seit Beginn der Pandemie.

Gute Nachrichten gibt es von der Impfstofffront. Aufgrund von vorgezogenen Lieferungen unter anderem von Biontech könnten nach Angaben des Gesundheitsministeriums bis Weihnachten 30 Millionen Impfstoffdosen geliefert werden. Heftige Kritik erntet nun die Ständige Impfkommission (Stiko). Sie hatte bis Anfang Oktober gebraucht, um eine Empfehlung für Auffrischungsimpfungen auszusprechen – und dann auch nur für Menschen ab 70 Jahren. Erst am 18. November folgte die allgemeine Empfehlung für alle ab 18 Jahren. In ARD-„Panorama“ räumte Stiko-Chef Thomas Mertens ein, dass es wahrscheinlich günstiger gewesen wäre, mit dem Boostern früher anzufangen.

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