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Medikamente für GazaBilliger Deal für die Hamas

Judith Poppe
Kommentar von Judith Poppe

Die Strategie der israelischen Regierung ist gescheitert, das Abkommen nur ein Versuch, darüber hinwegzutäuschen.

Angehörige der Geiseln protestieren dagegen, dass humanitäre Hilfe in den Gazastreifen geschickt wird Foto: Leo Correa/ap/dpa

M an sollte meinen, dass alles, was Bewegung in den festgefahrenen Krieg zwischen Israel und der Hamas bringt, nur gut sein kann. Doch der Dienstagnacht von Katar und Frankreich vermittelte Deal, dass Medikamente für die Geiseln und humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung in den Gazastreifen gebracht werden sollen, ist alles andere als ein Grund zum Jubeln.

Er zeigt nur einmal mehr, wie hoffnungslos die Situation der Geiseln ist. Der Unmut in der israelischen Gesellschaft wächst, je verzweifelter die Familienangehörigen werden – und mit jedem weiteren Tod einer Geisel, der vermeldet wird. Der einzige Weg, die Entführten frei zu kriegen, sei militärische Härte, heißt es weiterhin aus der Regierung. Doch nichts deutet auf die Richtigkeit dieser Aussage hin. Israel ist mit seiner bisherigen Strategie gescheitert. Der Medikamentendeal ist ein billiger Versuch, dies zu kaschieren.

Für die Hamas ist er ein Zugeständnis, durch das sie nichts verliert, aber einiges gewinnen könnte. Sie erhält Medikamente für die palästinensische Zivilbevölkerung – unter der Bedingung, dass im Gegenzug auch den Geiseln welche gegeben werden. Doch gibt es irgendeine Garantie, dass die Medizin tatsächlich zu den Geiseln gelangen wird? Darüber ist nichts bekannt.

Keine Garantie, dass Medikamente ankommen

Ebenso unsicher ist, ob ausschließlich Medikamente geliefert werden. Denn der Deal sieht vor, dass die Lieferung, die am Mittwochmorgen in katarischen Flugzeugen in Ägypten gelandet ist, ohne Sicherheitscheck durch Israel die Grenze in den Gazastreifen passieren darf.

Für die Hamas ist es wohl ein strategischer Versuch, Kompromissbereitschaft zu zeigen und Goodwill der internationalen Öffentlichkeit zu gewinnen. Denn die Hamas will auch am „Tag danach“ eine Rolle in Gaza und in der palästinensischen Politik spielen. Einer der zentralen Vorschläge von palästinensischer Seite für die Zeit nach dem Krieg ist die Wiederbelebung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) – mit der Hamas als Mitgliedspartei.

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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16 Kommentare

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  • Es ist noch nicht einmal garantiert, ob von den Medikamenten überhaupt etwas bei der Bevölkerung ankommt. Nach der bisherigen Erfahrung mit der Hamas und der Art und Weise wie sie mit bisherigen Hilfsgütern umgegangen ist, muss man Zweifel haben.

  • Eigentlich ist dies ein Abkommen, welches beide Seiten eingehen mussten.

    Isr. muss den Geiseln Medikamente zukommen lassen, damit sie überleben; die Hamas auch, denn eine tote Geisel ist nichts wert.

    Die Pal. Bevölkerung braucht mehr Medikamente, um ein Massensterben wegen fehlender Versorgung abzuwenden. Beide Seiten haben ein Interesse dies abzuwenden, denn ein aktives Verhindern der Hilfe wäre sicherlich ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Römisches Statut, Artikel 7, Absatz 2b ) für dass sie sonst verantwortlich gemacht würden; zudem haben die Hamas-Mitglieder selbst Angehörige in der Zivilbevölkerung.

  • "Denn der Deal sieht vor, dass die Lieferung, die am Mittwochmorgen in katarischen Flugzeugen in Ägypten gelandet ist, ohne Sicherheitscheck durch Israel die Grenze in den Gazastreifen passieren darf."

    Schade, dass Israel sich genötigt sah, darauf einzugehen. Wenn Katar tatsächlich nur Medikamente liefern würde/wollte, wäre gegen einen Sicherheitscheck durch Israel nichts einzuwenden.

    Bezüglich der Medikamente für die Geiseln, könnten ja einfach kurze Videos als Nachweis gemacht werden. (Je nachdem, wie genau man es nehmen möchte, mit einer Tageszeitung als Beleg der Echtheit.)

    "Der einzige Weg, die Entführten frei zu kriegen, sei militärische Härte, heißt es weiterhin aus der Regierung."

    Dieser Meinung bin ich auch. Was könnte Israel/jüdische Menschen der Hamas geben, was den Krieg nicht unnötig verlängert und früher oder später nicht zu noch mehr Leid führt.

    • @*Sabine*:

      Israels Sicherheitschecks sind der Grund dafür warum viel zu wenig Hilfe im Gazastreifen ankommt. Wenn die schneller wären, dann gäbe es viel weniger Mangel an lebenswichtigen Gütern. Wenn sie dass jetzt nur für diese Lieferungen schnell machen würden, dann wäre es quasi ein Eingeständnis, dass sie es vorher ohne Grund langsam gemacht hätten... was ein Kriegsverbrechen und damit gefundenes Fressen für Den Haag wäre.

      • @EinHistoriker:

        Ich gehe davon aus, dass ohne israelische Sicherheitschecks weiterhin Waffen an die palästinensische/Hamas-Seite geliefert werden bzw. Produkte, die zu Waffen umgebaut werden. (Beispielsweise Zeltstangen für Großraumzelte.)

        Das verlängert den Krieg und das Leiden der Menschen auf beiden Seiten.

  • Welche "Strategie"?



    Wieviele Geiseln hat die IDF bislang befreit? Eine.



    Wieviele hat sie getötet? Mindestens 3.

    Da ist keine "Strategie".

  • Immerhin, Garantie hin oder her, erhält die palästinensische Bevölkerung Medikamente die sie dringend braucht. Auch das sind Menschen.

  • "Keine Garantie, [...]"

    Das ist irgendwie das Kernproblem: Für eine friedliche Lösung benötigt es Garantien für Israel die niemand geben kann oder will.

  • "Der einzige Weg, die Entführten frei zu kriegen, sei militärische Härte"



    Tatsächlich bisher nur bedingt erfolgreich. Doch was ist die Alternative? Die Hamas gewähren lassen? Mit dann noch viel mehr, v a. palästinensischen Opfern in der Zukunft?

  • Damit gibt es wenigstens eine Chance, dass die Geiseln Medikamente erhalten. Was gibt es daran zu mäkeln?

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Ich halte die palästinensische/Hamas-Seite nicht für vertrauenswürdig und gehe davon aus, wenn sie nicht nachweisen muss, dass die Geiseln die für sie bestimmten Medikamente erhalten, diese für sich selbst behält.

      • @*Sabine*:

        Es ist also nicht mal den Versuch wert? Die Geiseln sind schon abgeschrieben?

        Solchen Denkweisen kann ich mich nicht anschließen.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Nein, ich denk eher, die israelische Seite hätte aushandeln müssen, dass sie Belege für die Ausgabe an die Geiseln bekommt. Beispielsweise kurze Videos mit einer aktuellen Tageszeitung o.ä..

          • @*Sabine*:

            Die israelische Seite hat sehr wahrscheinlich ausgehandelt, was möglich ist. Es sind ihre Leute.

            Aber die Hamas ist nicht blöd. So ein Video enthält ganz schnell auch verdeckte Hinweise auf den Ort, wo es gedreht wurde...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Richtig, und selbst wenn nicht, dann bekommen sie andere Patienten.

      • @Tom Farmer:

        Sicherlich benötigt auch die Hamas sehr viele Medikamente für ihre "Freiheitskämpfer"; ich sehe die Medikamente halt lieber bei den Geiseln, aber dazu gibt es unterschiedliche Meinungen.