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Maßnahmen gegen GaskriseEinmalzahlung und Preisbremsen

Die Kommission legt Vorschläge zur Entlastung von Bür­ge­r:in­nen und Unternehmen vor. Verdi-Chef Werneke kritisiert die fehlende soziale Balance.

Schuhe besser woanders trocknen, Heizen bleibt auch mit staatlichen Subventionen teuer Foto: Peter Cade/Photodisc/getty images

Berlin taz | Mit einer Einmalzahlung im Dezember und einer Preisbremse für ein Grundkontingent ab dem Frühjahr soll der Staat privaten und gewerblichen Gas­kun­d:in­nen unter die Arme greifen. Das schlägt die von der Bundesregierung eingesetzte Ex­per­t:in­nen­kom­mis­si­on Gas und Wärme vor. Großkunden aus der Industrie sollen bereits ab Januar von einer Preisbremse profitieren. Die Bundesregierung will die Vorschläge zügig prüfen, kündigte ein Regierungssprecher an.

Die Kommission arbeitet seit September an Vorschlägen zur Dämpfung der hohen Gaspreise. Viele Privathaushalte, aber auch soziale Einrichtungen und Unternehmen sehen sich nicht oder kaum in der Lage, die drastisch gestiegenen Abschlagszahlungen zu stemmen.

Bis zum frühen Montagmorgen um 6.25 Uhr haben die 21 Ver­tre­te­r:in­nen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Sozialverbänden und Gewerkschaften getagt, damit die drei Vorsitzenden am Montagvormittag einen Zwischenbericht mit konkreten Empfehlungen vorlegen konnten. „Wir wollten in der Entlastungswirkung schnell sein“, sagte Michael Vassiliadis, einer der Kommissionsvorsitzenden und Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.

Um rund 24 Millionen Privathaushalte und Betriebe zu entlasten, soll der Staat im Dezember eine Einmalzahlung in Höhe der Abschlagszahlung vom September leisten, was über den Versorger abgewickelt wird. „Das ist ein sehr pragmatisches Vorgehen“, sagte die weitere Kommissionsvorsitzende und Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Eine schnelle Entlastung anders zu organisieren, wäre schwerer gewesen.

Preisbremse kommt nächstes Jahr

Darüber hinaus soll im Frühjahr eine Preisbremse für diese Ver­brau­che­r:in­nen greifen. Die Kommission möchte sie ab März. Schaffen die Versorger das nicht, könnte sie auch erst im April kommen. Für ein Grundkontingent soll ein Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde gelten. „Das Grundkontingent beträgt 80 Prozent des Verbrauchs, der der Abschlagszahlung aus September 2022 zugrunde gelegt wurde“, heißt es in den Empfehlungen. „Der erhaltene Betrag muss nicht zurückgezahlt werden, selbst wenn der tatsächliche Verbrauch in der Jahresendabrechnung von der angenommenen Menge abweicht.“ Für den Verbrauch oberhalb des Grundkontingents wird der – voraussichtlich sehr hohe – Marktpreis fällig.

Der subventionierte Preis entspricht ungefähr dem Niveau, das in Zukunft erwartet wird, sagte Grimm. Die Bremse soll bis Ende April 2024 gelten. Für Verbraucher:innen, die mit Fernwärme heizen, soll der gleiche Mechanismus gelten. Hier liege der Zielpreis bei 9,5 Cent, sagte Grimm. Die Kommission habe sich auf Gas fokussiert, weil die Kun­d:in­nen hier sehr viel stärker belastet seien als die mit anderen Heizungsarten.

Rund 96 Milliarden Euro Kosten

Für die Einmalzahlung geht die Kommission von Kosten in Höhe von 5 Milliarden Euro aus. Die Preisbremse für Haushalte und kleinere Betriebe kostet voraussichtlich rund 66 Milliarden Euro. Für die Entlastung der Industrie sind 25 Milliarden Euro vorgesehen. Die Rabatte sind einkommensteuerpflichtig, ein Teil des Gelds fließt also an den Staat zurück. Die Kommission empfiehlt zwar hohe Freibetragsgrenzen, nennt aber kein Zahlen. Finanziert werden sollen die Hilfen für Privatleute und Wirtschaft aus dem 200 Milliarden Euro schweren Wirtschaftsstabilisierungsfonds, dessen Reaktivierung Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor Kurzem als „Doppelwumms“ angekündigt hatte. Aus dem Fonds werden auch weitere Maßnahmen finanziert, etwa die Rettung der Gasversorger.

Industriebetriebe erhalten keine Abschlagszahlung. Für bis zu 25.000 Unternehmen soll bereits ab Januar für 16 Monate eine Preisbremse greifen, die bei einem Beschaffungspreis von 7 Cent pro Kilowattstunde liegt. Sie soll für 70 Prozent des Verbrauchs im Jahr 2021 gelten. Diese Unternehmen haben spezielle Großkundentarife. Für sie lägen mehr Daten vor, weshalb die Preisbremse eher greifen könne, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie und dritter Vorsitzender der Kommission. Der Beschaffungspreis für die Industrie entspräche etwa dem Preis für Privathaushalte, sagte er. Der Unterschied bestehe darin, dass im Preis für Privatkun­d:in­nen alle Gebühren enthalten sind, in dem für die Industrie nicht.

Kritik von Verdi und Linkspartei

Ein Sondervotum zu den Vorschlägen der Kommission abgegeben hat der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke. „Das vorgeschlagene Modell der Gaspreisbremse ist nicht ausreichend sozial ausbalanciert“, kritisierte er. „Durch das Modell wird eine Zweizimmerwohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool.“ Um Gering- und Durchschnittsverdienende finanziell nicht zu überfordern, sollte nach seinen Vorstellungen ein Kontingent pro Haushalt, zum Beispiel 4.000 Kilowattstunden, zu einem Preis aus der Zeit vor der Krise bezuschusst werden.

Als „zutiefst unsozial“ kritisierte der Linkspartei-Vorsitzende Martin Schirdewan die Kommissionsvorschläge. „Das ist Krisenpolitik für Besserverdienende“, sagte er. Hoher Energieverbrauch werde subventioniert, Leute ohne Geld müssten weiter dramatisch sparen. Wirt­schafts­ver­tre­te­r:in­nen begrüßten die Vorschläge hingegen.

Das Ergebnis sei insgesamt positiv zu bewerten, sagte dagegen der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags Peter Adrian. „Es ist ein starkes Signal, dass sich die Kommission auf eine schnelle und einfache Preisbremse geeinigt hat, die für die Unternehmen eine klare Perspektive bringt.“

Auch aus dem Kreis der Länderchefs kommt Lob. „Mein erster Eindruck ist sehr positiv“, lobte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil, der seit 1. Oktober auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, den Vorschlag der Kommission. Der Gedanke des Abschlags sei einleuchtend, wenn man zügig und unbürokratisch handeln wolle, sagte Weil. Er lobte auch, dass die Kommission Unternehmen von Anfang an in ihre Überlegungen einbezogen habe. „Wir hören wirklich alarmierende Nachrichten aus der Industrie“, so Weil. Ein Grundpreis von 7 Cent ließe sich hören, auch wenn man für besonders energie- und exportorientierte Bereichen vielleicht noch nachsteuern müsse.

Weil regte an zu prüfen, ob es möglich sei, das verbilligte Basiskontingent für Ver­brau­che­r:in­nen schon vor dem 1. März einzuführen. „März wird für manche noch ziemlich weit weg zu sein, die aber jetzt schon den Eindruck haben, sie bräuchten jetzt bereit Hilfe“, sagte er.

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12 Kommentare

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  • Echt jetzt?

    Ungerecht und viel zu wenig. Ich spare schon jetzt wo ich kann, möchte aber in meiner Wohnung nicht frieren. Männern scheint das egal zu sein. Man wirft das Geld lieber den Reichen hinterher, die viel Energie verschwenden.



    Gut das meine Heizkosten vom Staat übernommen werden ich habe nämlich keinen Bock den Millionären ihren beheizten Pool zu finanzieren.

    • @V M:

      ...vom Staat übernommen ? Liebe Vanessa - der Staat sind wir alle , übrigens auch und gerade mehrfach Millionäre beteiligen sich auch an den Staatseinnahmen ( auch unter dem Begriff Steuern bekannt ). Übrigens, wer schwimmt denn gerne in einem unbeheizten Pool ? Mit Erdwärme erwärmt, recht Umweltfreundlich und kostet den Steuerzahlern fast nix, außer man hat Fördergelder in Anspruch genommen.

  • Unausgegoren bis zum geht nicht mehr.

    Der kleine Mann zahlt also mit seinen Steuern das Billiggas zu 7Cent/kWh für die Industrie.



    Wer mit Öl heizt (z.Z. ca. 16Cent/kWh) zahlt für die welche dann mit Gas billiger heizen.



    Millionäre bekommen einen freien Dezember zum heizen von Villa und Pool.

    Schlimmer und ungerechter gehts nimmer!

  • Schaut man sich die Besetzung der Kommission an, ist das Ergebnis kein Wunder. Statt einer Kommission hätte die Bundesregierung einen Bürgerrat nach dem Losprinzip bilden sollen, statt die Eliten der ersten und zweiten Ebene einzuladen.

  • Komplett unausgegoren und sozial ungerecht: Wer schon viel gespart hat oder wenig verbraucht wird bestraft, wer viel verbraucht belohnt:



    Bsp? Durchschnittlicher Gasverbrauch Einfamilienhaus mit 4 Personenhaushalt : 20.000 kWh.



    Wer gespart hat und nur 8000 kWh verbraucht hat bekommt Grundkontingent 6400 kWh.

    Wer Glasvilla hat mit Pool und 100.000 kWh verbraucht bekommt Grundkontingent von 80.000 kWh, obwohl er sich das leisten kann!

    Warum die eine Familie nur 6400 und die andere reiche Familie 80.000 Grundkontingent erhalten soll, erschließt sich mir nicht! Und das aus Steuergeldern!

    • @Unvernunft:

      Ja, volle Zustimmung. Der Witz ist, dass die Grünen genau für dieses Problem eigentlich mal mit dem Konzept "Energiegeld" in den Wahlkampf gezogen sind. Damals gings nur um den CO2-Preis, aber jetzt wäre es eigentlich die noch viel nötigere Umverteilungsmaßnahme. Warum machen sie es nicht einfach?

  • Viele Menschen sind nicht mehr imstande, "die drastisch gestiegenen Abschlagszahlungen zu stemmen."

    Und was macht die Regierung? Übernimmt im Dezember die Abschlagszahlung auf Grundlage des Monats September - als die Gaspreise und auch die Abschlagszahlung noch nicht so hoch waren.

    Wer kommt auf solche Ideen?

  • Und was ist mit denen, die mit Öl, Strom oder Pellets heizen ? Deren Preise pro kW/h haben sich ähnlich erhöht.



    Gibt es da analoge "Deckel" oder ist das mal wieder eine wenig durchdachte Maßnahme, um die ruhigzustellen, die am lautesten schreien ?



    Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf. Besonders wenn diese über die Geschicke eines Landes entscheiden.



    Das ist "linke Tasche, rechte Tasche" Politik, angereichert um die unvermeidbaren Transaktionskosten, die in den Taschen der üblichen Verdächtigen verschwinden werden.

    • @Martin Eugenio Restrepo:

      Ich empfehle einen Artikel im Handelsblatt vom 10.10.2022 wie Monopolisten Gewinne abschöpfen.

  • "Ein Sondervotum zu den Vorschlägen der Kommission abgegeben hat der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke. „Das vorgeschlagene Modell der Gaspreisbremse ist nicht ausreichend sozial ausbalanciert“, kritisierte er. „Durch das Modell wird eine Zweizimmerwohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool.“"

    Wieso auch nicht ? Auch "Besserverdienende" haben Mehrkosten. Solidarität ist eben keine Einbahnstraße.

  • "Um Gering- und Durchschnittsverdienende finanziell nicht zu überfordern, sollte nach seinen Vorstellungen ein Kontingent pro Haushalt, zum Beispiel 4.000 Kilowattstunden, zu einem Preis aus der Zeit vor der Krise bezuschusst werden."

    War im Gespräch, wurde aber verworfen, weil es sich nur für Einfamilienhäuser problemlos und ohne Missbrauchsmöglichkeit durch Immobilienkonzerne berechnen lässt.

    • @Ajuga:

      Nun ja, dass kann man bei einem typischen Energie-Mix auch in EUR umrechnen, oder? Alles, was man zu wissen braucht, ist: womit wird die Wohung geheizt/Warmwasser aufbereitet. Und dann zahlt man das eben aus, evtl noch nach Köpfen gestaffelt.



      Wer spart, verdient dann sogar etwas -- wer nicht spart, legt halt drauf.