Macron im Wahlkampfmodus: Öl ins Feuer
Die Aufgabe des französischen Präsidenten wäre es eigentlich, in einer gespaltenen Gesellschaft für Ruhe zu sorgen. Doch Macron tut das Gegenteil.
E mmanuel Macron ist im Wahlkampf. Auch wenn er seine Kandidatur noch nicht erklärt hat, stürzt sich der Präsident ab sofort in die Kampagne um seine Wiederwahl. Anders kann man sich seine Bemerkung, er habe große Lust, „die Ungeimpften bis zum bitteren Ende zu ärgern“, nicht erklären.
Der Ausspruch, der im französischen Original deutlich aggressiver und vulgärer klingt als in der deutschen Übersetzung, sorgt zu Recht für Aufregung. Denn Macron zeigt drei Monate vor der Wahl, dass er nicht mehr der Präsident aller Französinnen und Franzosen ist. Er spaltet die Gesellschaft in Geimpfte und Ungeimpfte. Da 90 Prozent der Französinnen und Franzosen bereits immunisiert sind, weiß Macron eine deutliche Mehrheit hinter sich. Doch den Kampf um die anderen 10 Prozent hat er aufgegeben.
Für den Wahlkampf bedeutet Macrons Äußerung nichts Gutes. Schon jetzt ist das politische Klima so aufgeheizt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Präsident wurde im vergangenen Sommer von einem Anhänger der ultrarechten Szene geohrfeigt. Büros von Abgeordneten werden verwüstet und Bürgermeisterinnen und Bürgermeister regelmäßig angegriffen oder bedroht.
Bei einer Kundgebung des rechtsextremen Kandidaten Éric Zemmour veranstalteten dessen Anhänger eine wahre Menschenjagd auf Anti-Rassismus-Aktivistinnen und -Aktivisten. Macron selbst warnte im vergangenen Jahr, dass die Gesellschaft immer gewalttätiger werde.
Strategie der Spaltung
Die Aufgabe des Staatschefs wäre es, in diesem Kontext für Ruhe zu sorgen. Doch Macron gießt noch Öl ins Feuer. Nicht nur einmal, sondern immer wieder. Seit Beginn seiner Amtszeit entschlüpften ihm wiederholt verächtliche Sätze gegen sozial Benachteiligte und Arbeitslose.
Er habe dazugelernt, bekannte er vor Weihnachten selbstkritisch in einem Fernsehinterview. Glauben kann ihm das nach seiner Äußerung zu den Ungeimpften keiner mehr. Mit einer Strategie der Spaltung kann Macron vielleicht die Wahl gewinnen. Doch der Präsident aller Französinnen und Franzosen kann er nicht mehr werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge