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Lieferdienste für LebensmittelUnprofitable Ausbeutung

Lebensmittel-Lieferdienste stehen wegen schlechter Arbeitsbedingungen immer wieder in der Kritik. Nun zeigt eine Studie: Sie sind nicht kostendeckend.

Geschäftsmodell mit fragwürdigen Erfolgsaussichten und das Wetter ist auch scheiße Foto: Jochen Tack/imago

Berlin taz | Die Milch ist alle und die Chips für den Fernsehabend fehlen. Doch draußen regnet es. Schnell wird da zum Smartphone gegriffen und der Einkauf per App erledigt. Denn Lebensmittel-Lieferdienste wie Gorillas, Hello Fresh oder Flink gehören spätestens seit der Coronapandemie zum Alltag in der Großstadt. Doch ihr Geschäftsmodell steht meist auf wackligen Beinen, wie eine neue Studie aufzeigt.

„Sie erzielen keine hohe Profitabilität und ihre Finanzierungssituation sowie Liquiditätsausstattung verdeutlichen, dass sie maßgeblich von der Kapitalzufuhr durch Investoren beziehungsweise Wagniskapitalgeber abhängen“, schrei­ben Forschende des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Sie durchleuchteten die wirtschaftliche Situation von sechs Onlinelieferdiensten.

Die Branche boomte insbesondere während der Coronakrise. Der Lieferdienst Gorillas etwa schaffte es seit seiner Gründung im Juni 2020 innerhalb weniger Monate zu einem milliardenschweren Unternehmen. Allerdings ist die Branche immer wieder auch wegen schlechter Arbeitsbedingungen in den Schlagzeilen. Geringe Lohnkosten seien anscheinend „ein essenzieller Bestandteil der aktuellen Geschäftsmodelle“, heißt es in der Studie.

Trotzdem ist es bisher keinem Anbieter gelungen, mit dem operativen Geschäft einen Gewinn zu machen. Dies liegt offenbar auch daran, dass die Bestellungen meist zu gering sind. Diese haben laut Studie im Schnitt einen Wert von 15 bis 25 Euro. Um wirtschaftlich zu sein, müssten es rund 30 Euro sein.

Profitabilitätsdruck steigt

So stützt sich ihr bisher rasantes Wachstum auf die Investitionsbereitschaft von Risikokapitalgebern. Doch diese sind laut Studie seit 2022 bei der Bereitstellung frischen Kapitals zurückhaltender geworden, was den Profitabilitätsdruck auf die Branche weiter erhöhe.

Die Stu­di­en­au­to­r*in­nen gehen davon aus, dass nur wenige Anbieter überleben werden. Vor allem sei es ein Problem, die Auslieferung an die End­kun­d*in­nen kostendeckend zu gestalten. Für die Beschäftigten seien das schlechte Aussichten. Sie müssten damit rechnen, dass Niedriglöhne Teil der Geschäftsmodelle blieben.

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27 Kommentare

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  • nagut das eine hat mit dem anderen aber nichts zu tun. sobald der Wettbewerb abflaut sollte sich auch der Verlust veringern aber das die Leute auf solche Jobs angewiesen sind ist eine politische Entscheidung und damit der Wille der Endkunden und Wähler

    • @geradenicht:

      das ist die Standartantwort: der Wähler hat es so gewollt. Nur frage ich, was der Wähler alles so detailiert mit seinen 2 Stimmen beeinflussen soll....? Über Details stimmt keiner ab, lediglich über die grobe Richtung....

    • @geradenicht:

      Das wird der Markt von selber richten, weil überall in anderen Bereichen auch Mitarbeiter gesucht werden, zum Beispiel in so gut wie jedem Supermarkt an der Kasse.

  • Wenn das Risikokapital mit dieser Methode erst die funktionierende Infrastruktur der Daseinsvorsorge zerstört hat, wird sich das Business schon lohnen.

  • @TOM TAILOR

    Hier geht es aber weder um Umsatz noch um Gewinn, sondern, wie @BALINAR richtig bemerkt, um Investorkapital.

    Freundlich formuliert, die Hoffnung auf zukünftige Gewinne.

    Dass die darüber einen ruinösen Wettbewerb (danke @FARANG, für das Flixbus-Beispiel!) fahren dürfen, um die Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen (nur so sind die Gewinne möglich) liegt vermutlich daran, dass die Wettbewerbsbehörden poofen, statt ihren Job zu tun.

  • Wer es gesundheitlich kann, sollte auch im Regen seinen/ ihren Hintern bewegen und sein Zeug selber holen.

  • Wer bringen lässt, hat selbst keine Fahrtkosten.



    Daher und wegen der Plackerei mit Kisten oder Taschen wären einige Unternehmen sehr erfolgreich:



    Finanznachrichten.de 2020



    "Vier Jahre nach seiner Gründung ist der deutsche Lieferdienstleister Flaschenpost.de für eine Milliarde Euro von Dr. Oetker übernommen worden. Nachdem Dr. Oetker zunächst versucht hatte, einen eigenen Wettbewerber namens Durstexpress gegen Flaschenpost.de zu positionieren, hat der Konzern nun in einem Strategieschwenk den vormaligen Gegner gekauft."



    Nicht verboten, sondern erwünscht:



    Trinkgeld in bar, 5-10 %



    www.bz-berlin.de/a...ten-ist-angemessen



    /



    www.lieferdienst-r...nline-bezahlungen/

    • @Martin Rees:

      Ich hoffe, dass wir in Deutschland keine Jobkultur rausbekommen, bei der die Arbeiter auf Trinkgeld angewiesen sind, sonst haben wir irgendwann das System, das die USA im Gastro-Bereich haben. Wobei ich persönlich aber davon ausgehe, dass der Markt das hier richten wird, weil halt so gut wie überall inzwischen Arbeitskräfte gesucht werden, zum Beispiel auch am Supermarkt an der Kasse. Sobald die Mitarbeiter dieser Lieferdienste da mehr verdienen können, werden die aus diesen schlechter bezahlten Jobs rausgehen.

  • Um es mit Loriot zu sagen: "Ach!"

    Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an All-you-need-fresh. Dies war ein Tochterunternehmen der DHL, welches bereits vor 10 Jahren erkannt hatte, dass Essenslieferungen nicht lukrativ sind. Und dies obwohl DHL ein Logistik-Spezialist ist und die Mindestbestellsumme bei 40 Euro lag. In Berlin und München gab es die Lieferung per Kurier, ansonsten ganz normal per Paket.



    Damals hatte der Konzern schon nach kurzer Zeit erkannt, dass das Konzept nicht tragfähig ist. Und schon gleich gar nicht in der Fläche.

    Dass Gorillas, Flink und Co. nur große Geldvernichtungsmaschinen sind, sollte jedem klar sein, der bis drei zählen kann. Die Kunden sind nicht gewillt, für einen Liter Milch, paar Äpfel und zwei Rollen Klopapier 10 Euro Liefergebühr zu zahlen, auch wenn das Zeugs innerhalb weniger Minuten geliefert wird. Und gelockt werden sie großteils nur mit Gutscheinen. Und auch die Reklamationsquote liegt wohl unverhältnismäßig hoch.

  • Der Kapitalismus will, dass wir uns ins Zeug legen.

    • @kommentomat:

      Der Kapitalismus gewährt Ihnen das Recht Produktionsmittel privat zu nutzen, der will gar nichts.

      Glücklicherweise (für die MA) gibt es derzeit eine vergleichsweise gute Situation um sich einen besseren Job zu suchen, selbst bei mäßiger Qualifikation. Wenn die Wechselbereitschaft groß genug ist stehen die Unternehmen vor der Wahl entweder die Konditionen zu verbessern oder das Geschäft ganz oder teilweise einzustellen. Marktdruck kann auch ein Vorteil sein

  • "...Der Lieferdienst Gorillas etwa schaffte es seit seiner Gründung im Juni 2020 innerhalb weniger Monate zu einem milliardenschweren Unternehmen..."



    versus



    "...Trotzdem ist es bisher keinem Anbieter gelungen, mit dem operativen Geschäft einen Gewinn zu machen..."



    Ich bin mal wieder zu blöd: kann mir das eine(r) erklären?

    • @willifit:

      Gorilla hat eine Börsenbewertung in Milliardenhöhe. Es gibt also Menschen, welche die Aktie kaufen, in der Hoffnung, das Unternehmen möge irgendwann in der Zukunft hohe Gewinne machen, die dann zu einer noch höheren Bewertung der Aktie führen würden.

      Gleichzeitig macht das Unternehmen aber momentan keinen operativen Gewinn, sondern Verlust; das Geld der Investoren wird also verbrannt, in der Hoffnung, das Geschäftsmodell in breiteren Kreisen zu etablieren und dann Gewinne zu machen.

      Das war bei Amazon aber über 20 Jahre lang auch so. Die Wette der Investoren kann aufgehen. Dann wird richtig Geld verdient. Oder aber, die Wette schlägt fehl, dann ist das Geld der Aktionäre weg und das Unternehmen geht pleite oder wird von irgendwem billig übernommen.

    • @willifit:

      Amerikanischer Kapitalismus a la Amazon, mit niedrigen Preisen und jahrelangen Verlusten den Markt dominieren und wenn man dann den Markt dominiert Preise steigern und Gewinn einfahren.

    • @willifit:

      (Risikokapital-)Investoren bewerten z.B. Gorillas mit mehr als einer Milliarde, wenn sie investieren, d.h. den Gründern oder anderen Anteilseignern Anteile abkaufen.



      Das hat aber keine Aussagekraft bezüglich der aktuellen Geschäftsergebnisse, sondern entspricht einfach nur der Wette dieser Investoren auf die Zukunft des Unternehmens. Es herrscht die Hoffnung, dass (in diesem Fall) Gorillas als Monopolist übrig bleibt, dann Preise diktiert und entsprechend profitabel wird.

      Oder dass es später Leute gibt, die einem die Unternehmensanteile noch teuerer wieder abkaufen

      • @balinar:

        Ich wäre mit dem Wort Monopol hier vorsichtig. Die genaue Definition kenne ich nicht, aber de facto ist fast niemand auf einen Lieferdienst angewiesen, so dass es immer die Ausweichmöglichkeit gibt selbst loszustarten. Daher kann ein Lieferdienst Preise nur sehr beschränkt diktieren. Solange kein Arbeitnehmer aufgrund extrem ausgestalteter Arbeitrspflicht über die Maßen gezwungen wird bei einem solchen Unternehmen zu arbeiten, finde ich kann man die Sache getrost dem Markt überlassen.

      • @balinar:

        Vor allem über den Begriff "Wette" wird das alles verständlicher.



        Vielen Dank!

    • @willifit:

      Der Wert eines Unternehmens definiert sich nicht nur über Gewinne.



      Twitter konnte erst nach 12 Jahren Gewinne einfahren, ist aber im Wert stetig gestiegen.

    • @willifit:

      Ja: Umsatz bedeutet nicht Gewinn.

  • die Unternehmer, die Unternehmer ans Fließband gestellt :: das Fließband, das Fließband auf 100 gestellt :: Song von "Lotta continua" (bei BMW, München).



    Sollte nicht jeder Unternehmer und Investor sein Business von der Pike auf lernen? Oder vom Pedal auf, oder oder.

    • @Zeit und Raum:

      Diese Idee unterstellt, dass ein Unternehmer nicht weiß, was er seinen Beschäftigten zumutet. Ich behaupte, dass die meisten Unternehmer sehr genau wissen wie schlecht (oder gut) sie ihre Leute behandeln. Was hilft ist ein gut überwachter Midnestlohn und ausreichende soziale Absicherung, damit niemand fürs nackte Überleben jeden Scheißjob annehmen muss, auch wenn er menschenunwürdig ist (bezogen auf Entlohnung oder Arbeitsinhalt, z.B. Prostitution als extremes Beispiel)

      • @Tobias Aigner:

        Wir geraten langsam in einen Jobmarkt, in dem es einen Überschuss an Arbeit und ein Unterangebot an Arbeitskräften gibt, so dass auch (oder aktuell gerade) gering qualifizierte Arbeitnehmer sich ihre Jobs durchaus aussuchen können. In so gut wie jedem Supermarkt hängen Plakate aus, dass Kassierer gesucht werden und zum Beispiel Aldi und Lidl zahlen nicht wirklich schlecht.

  • Ach was. Ich bin ja total überrascht. Ganz anders als bei Uber und Co. Ganz anders als bei Twitter und Freunden. Ganz anders als bei all diesen E-Scooters.

    Das ist doch immer dasselbe Muster: Verdrängungswettbewerb bis auf den Tod mehrerer Teilnehmer, unter Verheizen von viel Investorkapital.

    Der Kostendruck wird dann an Menschen (s.o.), an der Umwelt (E-Scooters) oder sonstwo überall externalisiert.

    Ich würd' die alle als kriminelle Vereinigungen behandeln (Management und Investoren, meine ich).

    • @tomás zerolo:

      Sie haben das Fernbussegment vergessen.



      Flixbus hat da recht ansehnlich vorgeführt wie man so einen Verdrängungswettbewerb mit List und Tücke gewinnt.



      Positiv: seitdem sie das Marktmonopol haben schreiben sie schwarze Zahlen - gelten mittlerweile als heißer Anwärter auf den Börsengang.



      Negativ: seitdem sie das Marktmonopol haben sind ihre Preise vor allem auf Strecken wo die Bahn keine Konkurrenz bietet deutlich gestiegen.

      • @Farang:

        Flixbus, genauer gesagt Flix, gehört eher auch zu den negativen Beispielen.

        Flix gehört kein einziger Bus oder Zug, auch die Mitarbeiter sind nicht bei Flix beschäftigt. Das machen alles deren Partner. Quasi Franchise. Das Betriebsrisiko tragen die Partner, die Einnahmen kassiert (erst einmal) Flix selber. Perfider geht es eigentlich kaum.

        • @Mopsfidel:

          Warum soll es "unfair" sein, die enormen Kapitalkosten für die Anschaffung von Bussen, Bezahlung von Angestellten usw. zu vermeiden?

          Viele Subunternehmer von Flixbus erhöhen durch Fahrten für Flixbus ihre Auslastung von Personal- und Sachmitteln. Das führt auf allen Seiten zu Kosteneinsparungen und nutzt am Ende auch der Umwelt.

          Die Idee, jeder Unternehmer müsse die Ersatzschraube für sein Motorad möglichst selbst schmieden, ist romatischer Quatsch und das Gegenteil einer arbeitsteiligen Wirtschaft.

          Natürlich ist die Plattformökonomie neu und wirbelt die Wirtschaft kräftig durcheinander (siehe Lieferdienste, Wohnungs- und Hotelvermittlung usw.). Negative Aspekte kann der Gesetzgeber durchaus einhegen, wenn er das will.

          Die NewTech-Unternehmen haben aber durchaus auch positive Seiten. Neue Dienstleistungen und Angebote, wie etwa einfachere Rezepte, Telemedizin, Rechtsrat am Telefon usw. würde es ohne diese Unternehmen nicht geben.

        • @Mopsfidel:

          Da haben Sie vollkommen recht,Flixbus hat sich mittlerweile auch in Brasilien niedergelassen, wo es außer Flugzeug keine Konkurenz zum Bus gibt und versucht sich wie eine Krake alles einuverleiben.