Leidenschaft fürs Drinnen sein: 26 Stunden im Bett

„Drinnie“ nennt man Menschen, die sich am liebsten drinnen aufhalten. Manche finden das faul, unsere Autorin hat dafür einen eigenen Begriff gefunden.

Miniatursofa mit Socken

Was Drinnies mögen: auf dem Sofa chillen, Serien schauen, Junkfood gönnen Foto: Sven Hagolani/Imago

Dass ich ein sogenannter Drinnie bin, daraus habe ich ja noch nie ein Geheimnis gemacht. „Drinnie“, das ist die Bezeichnung für eine Person, die sich am liebsten drinnen aufhält. Logischer Gegenpart ist: der Draußi. Über diesen Typus kann ich wenig sagen, da ich mich ausschließlich als Drinnie identifiziere. An dieser Stelle ein Shoutout an den Podcast „Drinnies“ von Giulia Becker und Chris Sommer, der so was wie eine Bibel ist für jeden ernstzunehmenden Drinnie.

Vor einigen Wochen hatte ich Geburtstag und pünktlich zu meinem 33. habe ich die Fähigkeit verloren, zweimal am Wochenende auszugehen und am Montag frisch und erholt in die Arbeitswoche zu starten. Seit Oktober gilt: Gehe ich Freitag raus oder Samstag? Ich muss mich entscheiden. Beide Tage gehen nicht. Mit „rausgehen“ meine ich sowieso schon lange nicht mehr ausgelassene Tanznächte – wie auch? Dank Corona-Moroni war ich das letzte Mal Ende 2019 im Club. Ich meine Dinner mit Freunden, vielleicht ein Barabend oder einen Geburtstag zu Hause feiern.

Die Kombination aus Drinnie und über 30 ist fatal für mein soziales – und vermutlich auch für mein romantisches Leben. Ich kenne keinen Menschen, der freiwillig das ganze Wochenende im Bett verbringen, essen bestellen und Serien schauen will. Klar, jetzt wo der Winter kommt, wollen es plötzlich alle. Das kann ich aber nicht ernst nehmen. Es fühlt sich fast an wie kulturelle Aneignung. Im Winter, bei zwei Stunden Sonnenzeit am Tag, ist es leicht, ein Drinnie zu sein. Wir Hardcore-Drinnies verbringen auch im Sommer unsere Wochenenden im Haus.

Zwei Tiefkühlpizzen am Tag

Ich halte es für Drinnie-Diskriminierung, dass man rausgehen muss, um am sozialen Leben teilzunehmen. Ich versuche mir eine Welt und Gesellschaft auszumalen, in der es normal wäre, alles drinnen und im Bett zu machen. Klingt bescheuert und ist es vielleicht auch. Sehen wir es mal so: Der erste Mensch, der Pilze gegessen hat, wurde bestimmt auch von allen anderen belächelt und nicht ernst genommen. Jetzt freuen wir uns, dass es diese eine mutige Person gab, weil uns sonst kulinarisch einiges fehlen würde. Ich meine ja nur. Wenn in ein paar Jahrzehnten Drinnies Deutschland und die Welt regieren, würde ich mich über ein bisschen Credit freuen.

Neulich habe ich 26 Stunden im Bett verbracht, ohne irgendwas Nennenswertes zu machen, und es war wie ein Kurzurlaub. Manche nennen es Faulheit, ich nenne es Drinnie-Selfcare. Und im Bett kam mir die Idee einer Dating-App, die nur für Drinnies ist. Keine Sport-Emojis in der Bio, kein Vergleichen der Runtastic-Strecken, kein Kletterngehen beim ersten Date.

In der Drinnie-Dating-Welt sind wir stolz darauf, wenn wir zweimal am Tag Spinat-TK-Pizza essen und dabei eine komplette Serie zu Ende schauen. Keine schlechte Idee, oder? Ich lege gleich los, aber erst mal ruft mein Bett.

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Journalistin, Speakerin und freie Kreative. Kolumne: "Bei aller Liebe". Foto: Pako Quijada

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