piwik no script img

Kulturstaatsminister Wolfram WeimerKulturkampf statt Kulturpolitik

Der Publizist Wolfram Weimer soll Kulturstaatsminister werden. Er irritiert mit identitären Positionen. Mit Interesse für Kulturpolitik fiel er dagegen nicht auf.

Der designierte Kanzler Friedrich Merz und sein Kulturstaatsminister in spe, Wolfram Weimer, am Montag in Berlin Foto: Liesa Johannssen/reuters

Ob Wolfram Weimer, der designierte Kulturstaatsminister im Kabinett Friedrich Merz, bereit sein wird, sich in die Gemengelagen unserer jede für sich komplizierten kulturellen Institutionen einzuarbeiten? Filmförderung, Preußischer Kulturbesitz, Restitution, an jeder einzelnen solcher Baustellen haben sich schon Experten die Zähne ausgebissen. Einarbeiten jedenfalls müsste Weimer sich. Bislang ist nicht bekannt, dass er sich sonderlich für Kulturpolitik interessiert hätte.

Dafür hat er eine schillernde Journalistenkarriere hingelegt. FAZ, Welt, Cicero, Focus, inzwischen verlegt er mit der Weimer Media Group einen Haufen zusammengewürfelter Magazine. Wer sich ein paar seiner Artikel durchliest, kann dabei schon mal spekulieren, dass der 60-Jährige fehlende Expertise durch Variationen von Sonntagsreden kompensieren zu können glaubt.

Von dem Sound, der dabei droht, kann man sich im Vorwort seines Buches „Das konservative Manifest“ von 2018 womöglich einen Eindruck verschaffen. Darin ist von der „Substanzlosigkeit einer Jahrmarktgesellschaft“ die Rede, von der „wilden Raserei der Globalisierung“, davon, dass „wesentliche Bedürfnisse der Menschen nach Identität, Sinn und Geborgenheit“ nicht erfüllt werden. Dagegen setzt Weimer eine „kritische Neu-Verortung von alten Werten“ – wobei er das angeblich Kritische daran nicht weiter ausführt und vielmehr letztlich selbst substanzlos die Substanzlosigkeit der Gegenwart beklagt. Weimer: „So entsteht ein Manufaktum des Geistes, bei dem gilt: Es gibt sie noch, die guten, alten Dinge.“

Moment. Manufaktum? Traditionen und Werte in Warenform? Und das soll konservativ sein? Was Weimer in dem Buch mit vielen Prunkzitaten und angerissenen Gedanken der Gegenwart entgegenhält, ist die alte Leier der Modernekritik: Heimat, Familie, Werte, Glaube. Die Fragen, was das genau heißen soll und wie es sich zu solchen Begriffen wie Freiheit, Aufklärung und Emanzipation verhält, belässt er im Vagen. Das Phänomen, dass Kultur eben keineswegs Herstellung von Identität, sondern immer auch Reibung an Identität und ihre Hinterfragung bedeutet, lässt er ganz aus.

Neurechte Lehre von sogenannten Kulturkreisen

Schlimm wird es im fünften Kapitel, das sich an die Lehre von sogenannten Kulturkreisen so anschließt, wie sie auch in neurechten Kreisen vertreten wird. Die abendländische, jüdisch-christliche Werte- und Traditionsgemeinschaft des Westens sieht Weimer, irgendwie mit Novalis, „im Kontrast zum islamisch geprägten Orient oder Morgenland“. Kein Hinweis auf die fruchtbaren Wechselbeziehungen zwischen Kulturen und auch nicht auf Europa als politisches Projekt.

Letztlich wird kulturelle Identität hier als festgelegt gesetzt und auf Abstammung reduziert. Womöglich gab es von Merz die Spekulation, mit Weimer Positionen der AfD für konservative Kreise zurückerobern zu können. Aber tatsächlich sind die Grenzen fließend. Von Brandmauer keine Spur. In einer Cicero-Kolumne hat Weimer auch schon von den angeblich „masochistischen Zügen des Multikulturalismus“ geschrieben.

Droht also jetzt ein rechter Kulturkampf von der Spitze des Kulturstaatsministeriums aus? Es spricht tatsächlich viel dafür, dass Weimer geholt wird, um es den Linken, den „Gutmenschen-Bevormundern und moralischen Besserwissern“, wie er im Vorwort zu seinem Buch formuliert, zu zeigen. Avancierte, emanzipative und popkulturelle Ansätze müssen sich auf Gegenwind einstellen. Unbehaglich werden dürfte es aber auch wirklich konservativen Kulturmenschen. Denn das wird kein Kulturkampf mit validen Argumenten werden, sondern einer gegen Popanze und mit Floskeln – und diese Floskeln verstecken schiere Machtfragen. Ausgerechnet die CDU wird sich jetzt fragen lassen müssen, ob sie das tatsächlich für „bürgerlich“ hält und es für sinnvoll erachtet, in der Krise der Demokratie mit so fragwürdigen wie autoritären Kulturkonzepten zu agieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Ja wie? Da entsicher ich doch vorsichtshalber - Schon mal meinen 🔫 ! Wollnichwoll • But



    “Was erwarten - stupid! It‘s Merz! Newahr



    Normal



    De Mopedtuner Letzter ☝🏿 Brilon



    🌳🌲🌳🏡🌳🌲🌲🏡🏡🌳🏡🌳🌲🏡 -



    “Die Stadt ist staatlich anerkanntes Kneipp-Heilbad. Mit 77,5 km² Stadtwald gehört Brilon zu den Städten mit dem größten kommunalen Waldbesitz in Deutschland.“

    kurz - Da hat staatlich anerkannt nicht nur die



    Heilkur - nen Schatten! Woll

    “Der kurkölnische Marschall Johann I. von Plettenberg …1307 große Bestandsaufnahme



    1. Brilon gehört dem Erzbischof, dort gehört ihm das Gericht, das früher 4, jetzt aber 10 Mark einbringt.



    2. besitzt der Erzbischof dort die Gografschaft über 10 – ungenannte – Pfarreien, die jährlich 16 Malter Hafer, nach Kölner Maß 70 Malter einträgt, ferner jährlich 5 Mark aus Brüchten o. ä. und jedes Haus in der Gografschaft zinst ein Huhn, das erhält der Marschall.



    3. besitzt der Erzbischof dort den Holzzehnten, der jährlich 20 Malter Korn, nach Kölner Maß um 100 Malter einbringt. Diesen Zehnten hat der Rüthener Bürger Gotfridus de Olde inne, der angibt, er gehöre ihm 7 Jahre für gewisse Auslagen. …usw



    …genannten Rechte bildeten die Keimzelle Amt Brilon 🙀🥳

    • @Lowandorder:

      ???

      • @sabado:

        ??? Ach was! Vagel Bülow

        🔫 - das vllt.? Spätgeboren - Schule Merz-Niveau? Who knows!

        Ok Ok “Paul Joseph Goebbels (1897 - 1945) war einer der einflussreichsten Politiker im Dritten Reich. Mehr Joseph Goebbels Zitate



        &



        Stammt im Original aus dem Schauspiel »Schlageter« (1933), von Hanns Johst (1890-1978): Nein, zehn Schritt vom Leibe mit dem ganzen Weltanschauungssalat... Hier wird scharf geschlossen! Wenn ich Kultur höre... entsichere ich meinen Browning!…“



        &



        taz.de/!1448236/



        Höre ich das Wort Revolver…



        &



        en.wikipedia.org/wiki/Hanns_Johst



        (Ps staunte nicht schlecht - as ik bi uns 1/2 Schinken aus der Ecke “erbte“ 🙀🥳🧐

      • @sabado:

        Na, wo Merzen herstammt feiert die Besitzstandswahrung fröhliche Urstände, auf Grund dessen die Personalie Ministerium nicht verwundert.

        Oder anders herum: sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht, ihm aber gehört der Wald.

  • Mir würde es schon reichen, wenn Weimar dem verfetteten ÖRR den einen oder anderen Zahn ziehen würde. Und wenn er es dann schafft, nicht auch noch den kulturellen Fettnapf-Hattrick (Bayreuth, Berlinale, Documenta) hinzulegen, dann wäre das schon eine spürbare Verbesserung zur Amtsvorgängerin mit allzu offensichtlichen BDS-Sympathien.

    • @RagnarDannesjkoeld:

      „dem verfetteten ÖRR den einen oder anderen Zahn ziehen"



      Das ist gewiss der feuchte Traum vieler Unionist*innen. den ÖRR ihrer Macht zu unterwerfen.



      Hoffentlich bleiben in DE Instanzen erhalten, die das verhindern. Ich fürchte allerdings, dass auch hier aus Bürger*innen wieder Unertan*innen werden. Und Kund*innen werden Bittsteller*innen.



      (Und die Friedrichstraße in Berlin wird in Friedrich-Merz-Straße umbenannt. Kultur wieder in der Spur. )

  • Dem aktuellen Geschrei des Feuilletons nach scheinbar genau der richtige Kandidat. Fruchtbare Wechselbeziehung nennt sich jetzt also ein seit mehr als 1300 Jahre anhaltender Kriegszustand oder ist hier nur ein r verrutscht?

    • @Šarru-kīnu:

      Bedenkt man, dass dieser Kriegszustand auch innerhalb der sogenannten Kulturkreise bestand...

      Wenn Sie etwas über Wechselbeziehungen wissen wollen, lohnt sich übrigens eine Reise nach Cordoba...

    • @Šarru-kīnu:

      Der Krieg z.B.?:



      "Im Jahre 1499 wurde auf Geheiß des Erzbischofs Jiménez de Cisneros von Toledo auf dem Marktplatz von Granada ein Scheiterhaufen errichtet, um Bücher zur islamischen Theologie, Philosophie, Geschichtsschreibung und Naturwissenschaften zu verbrennen. Im Laufe dieser Ereignisse kam es zu einem eintägigen Pogrom gegen alle Nichtchristen, dem vor allem Juden zum Opfer fielen. Das seit mehreren Jahrhunderten bestehende Viertel der jüdischen Gemeinde wurde vermutlich zu diesem Zeitpunkt zu großen Teilen zerstört."



      (aus der wikipedia-Seite über Granada, irgendwannma Al-Andaluz)



      Da war der gute alte Goethe vor 250 Jahren progressiver als Herr Wiemer heutzutage.

    • @Šarru-kīnu:

      Sie habe völlig Recht:



      Er ist "scheinbar" der richtige Kandidat.

      • @Oliver Korn-Choodee:

        Vielen Dank! Das selbe hab ich auch gedacht^^

  • Andersrum wird ein Schuh draus:

    1. ist er Staatsminister für Kultur UND MEDIEN und da hat er zweifellos viel Expertise.

    2. nachdem die linke TAZ sich diesen Staatsminister (und nicht andere) herausgreift, kann trifft seine Nominierung wohl den richtigen Punkt.

    • @GregTheCrack:

      Ist auf JF so wenig los, dass Sie hier spielen kommen?