Kühnert verzichtet auf SPD-Kandidatur: Die Fallhöhe war zu groß

Einleuchtend an Kevin Kühnerts Rückzug ist, dass dieser Job wahrscheinlich zu früh gekommen wäre. Weniger einleuchtend ist, was das mit Olaf Scholz zu tun hat.

Ein Mann, Kevin Kühnert

Hat die Kurve nach links verpasst: Kevin Kühnert Foto: reuters/Ralph Orlowski

Kevin Kühnert will nicht SPD-Chef werden – und hat dafür einen guten und einen fragwürdigen Grund. Einleuchtend ist, dass dieser Job für den 30-Jährigen wahrscheinlich zu früh zu viel wäre. Die SPD neigt zu Intrigen, ist schon im Normalbetrieb schwierig zu steuern – in dem Panikmodus, in dem sie sich derzeit befindet, erst recht. Vor allem aber hätte der Juso-Chef Rettungserwartungen geweckt, die nur hätten enttäuscht werden können.

Niemand vermutet ja, dass Karl ­Lauterbach, Petra Köpping oder Klara Geywitz der verunsicherten Partei ad hoc den Weg leuchten werden. Bei Kühnert wäre das anders gewesen: Er ist nicht nur eloquent, gescheit und taktisch versiert. Er hat bei der Groko-Frage gesehen, dass diese die SPD in eine Existenzkrise stürzen wird, anders als die allermeisten Parteilinken. Kühnert verkörpert das Unverbrauchte – und hätte als Parteichef sofort liefern müssen.

Die Fallhöhe zwischen dem umjubelten Jungstar und dem gescheiterten Parteivorsitzenden hat etwas Schwindelerregendes.

Weniger einleuchtend ist, dass Kühnert mit Rücksicht auf Olaf Scholz nicht antritt. Rebell gegen Establishment, Raus-aus-der-Groko gegen Weiter-so, neu gegen alt, links gegen Mitte – das wäre, so Kühnert, zu viel Polarisierung für die SPD. Daraus spricht eine typisch sozialdemokratische Scheu vor fundamentalen Entscheidungen.

Der SPD hilft jetzt nur eine radikale Wende

Die SPD ist eine Konsensmaschine, die nach innen integriert und technokratisch Kompromisse schmiedet. Sie ist, mindestens seit 60 Jahren, eine Partei des Ausgleichs. Damit war sie lange erfolgreich. Jetzt ist sie es, in einer zusehends polarisierten Öffentlichkeit, nicht mehr.

Der SPD hilft jetzt nur eine radikale Wende. Sie muss sich entscheiden. Bleibt sie eine blasse, mittelvernünftige Regierungsfunktionspartei, oder macht sie eine Kurve nach links, auch wenn dabei ein paar GenossInnen abspringen?

Kühnert traut der SPD das nicht zu. Das ist keine gute Neuigkeit.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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