Kritik an Initiative Finanzielle Bildung: Ministeriumsattacke auf Attac
Das Finanzministerium droht der NGO Attac mit juristischen Schritten. Die Gründe: eine kritische Website und ein geschütztes Design.
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Konkret geht es um die vor zehn Tagen veröffentlichte Website geldmitverstand.de, die sich auf die zur Initiative gehörenden Plattform mitgeldundverstand.de bezieht und ihr täuschend ähnlich sieht. Mit dieser „alternativen Bildungsplattform“ möchte Attac auf die aus ihrer Sicht einseitige Fokussierung auf neoliberale Akteure und Instrumente aufmerksam machen.
In einem Schreiben vom Montag, das der taz vorliegt, fordert das Bundesfinanzministerium (BMF) den Vorstand des Attac-Trägervereins nun auf, die Website zu deaktivieren. Wörtlich heißt es: „Wir bitten Sie, umgehend auf Veröffentlichungen in jeder Form zu verzichten, die geeignet sind, mit Veröffentlichungen des Bundesbildungsministeriums der Finanzen verwechselt zu werden. Andernfalls behalten wir uns die Prüfung rechtlicher Schritte vor.“
Gegenüber der taz begründet ein Ministeriumssprecher die Androhung rechtlicher Konsequenzen mit dem Urheberrecht: „Die Aussage, juristische Schritte zu prüfen, bezieht sich urheberrechtlich auf die Verwendung des BMF-Designs.“ In dem Schreiben an den Attac-Vorstand führte das Ministerium dieses Argument aus. Darin heißt es, die Attac-Website weise „in ihrer gestalterischen Form und in ihrem strukturellen Aufbau große Übereinstimmung“ mit der BMF-Website auf, die „entsprechend urheberrechtlich geschützt ist“.
„Nehmen Website auf keinen Fall runter“
Am Mittwoch kündigte Attac an, sich von dem Ministeriumsschreiben nicht einschüchtern lassen zu wollen. „Wir sehen einer juristischen Prüfung durch das Ministerium gelassen entgegen“, teilte der Vorsitzende des Attac-Trägervereins, Alfred Eibl, mit.
Holger Oppenhäuser, der bei Attac für Bildungsmaterialien zuständig ist und an der Entwicklung der nun vom BMF beanstandeten Plattform beteiligt war, sagte der taz: „Wir nehmen die Website auf keinen Fall runter.“ Sie sei „offensichtlich Satire“ und von der Kunstfreiheit gedeckt. So imitiert die Website die Logos der beiden FDP-Ministerien, nennt sie aber jeweils „Bundesmysterium“. Was Oppenhäuser ärgert: Dass das Ministerium lieber eine NGO einschüchtert als sich der inhaltlichen Kritik zu stellen.
Die kommt nicht nur von Attac. Auch die Bildungsgewerkschaft GEW sowie die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Christine Streichert-Clivot (SPD), haben sich jüngst von dem Vorhaben distanziert und ihre Sorge geäußert, dass über Lindners und Stark-Watzingers Initiative unausgewogene Inhalte an Schulen kommen könnten.
Vorwurf: FDP-Inhalte
Ein Gutachten der Otto Brenner Stiftung, die zeitgleich mit der Attac-Website veröffentlicht worden ist, kommt zu dem Schluss: „Die Initiative ist durch eine parteipolitische Ausrichtung bestimmt, für die Bildung instrumentalisiert wird.“ Als Beispiele nennt die Studie kurze Videoclips, in denen FDP-Positionen etwa zur Aktienrente und zur Schuldenbremse verbreitet würden.
Lindner und Stark-Watzinger haben die „Initiative Finanzielle Bildung“ bereits 2023 auf dem Weg gebracht. Ein zentrales Ziel ist die Erarbeitung einer „nationalen Finanzbildungsstrategie“. Dazu hat das Finanzministerium Anfang Oktober einen Referentenentwurf veröffentlicht, nach dem die „Initiative Finanzielle Bildung“ gesetzlich verankert und mit neun Millionen Euro jährlich ausgestattet werden soll.
Ob das Kabinett dem zustimmt, ist aber offen. Im Koalitionsvertrag der Ampel kommt das Projekt nicht vor.
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