Kritik an Corona-Maßnahmen: Panikverströmende Mystik
Manche Journalisten klagen über den Lockdown. Der Journalismus hat zwar die Pflicht zu hinterfragen, aber bitte nur auf Tatsachenbasis.
Wer in diesen Tagen besonders fehlt, ist die große Silke Burmester. „Beruhigt Euch!“ hat sie schon 2012 der mild-hysterisierten Gesellschaft freudig entgegengerufen, als die mal wieder dabei war, sich wohlig im dräuenden „Alles wird immer schlimmer“ zu suhlen.
Und es ist wieder so weit. Lockdown-Woche neun – und jetzt müssen wir auch noch Maske tragen. Also manchmal. Länderspezifisch höchst unterschiedlich. Aber in Bus und Bahn schon. Klarer Fall von Untergang des Abendlandes.
Es ist immerhin tröstlich, dass es mal wieder überwiegend nur wir Männer sind, die nörgeln. Uns wird es offenbar im Homeoffice allmählich so langweilig, dass wir uns den Verfall aller Dinge herbeischreiben oder -podcasten.
Also: Es geht zu Ende, und sage keiner, er*sie sei nicht gewarnt worden. „Die Stimmung wird kippen“, heißt ein Kommentar von Berliner-Zeitung-Herausgeber Michael Maier. „Die Politik hat jedes Maß verloren. Ihre Verordnungen greifen tief in unser Leben ein. Vieles wird zerstört. Die Masken sind erst der Anfang. Es wird keine schöne, neue Welt“, geht es weiter.
Kalkulierte Ignoranz
Maier ist ja vermutlich auch so was wie der heimliche Chefredakteur der Berliner Zeitung. Und er gefiel sich schon bei anderen Projekten als großer Rauner. „In der Stadt merkt man nichts von Corona. Doch es ist eine trügerische Stille. Die Stimmung kann jederzeit kippen – und sie wird kippen“, schreibt Maier und dass es „noch sehr ruhig ist auf den Straßen Berlins“.
Amumumu, würde das Känguru dazu sagen. Man hört förmlich dieses Flehen nach der Revolution, nach den Mutigen, die es Mutti und ihren Expert*innen im Kanzleramt endlich mal zeigen. Jakob Augstein und Jan Fleischhauer sind mit ihrem Podcast „The Curve“ powered by Focus nicht viel besser. Da werden auch bedeutungsschwanger Fragen gestellt, auf die niemand eine Antwort hat. „Kalkulierte Ignoranz“, hat Übermedien das zutreffend genannt.
Es ist ja jedem unbenommen, Maßnahmen jetzt in der Pandemie explizit scheiße zu finden. Zum demokratischen Miteinander gehört aber auch, sich trotzdem dran zu halten, wenn sie denn auf ordnungsgemäßem Wege zustande gekommen sind. Erst recht, wenn sie sogar was nützen.
Latente Hysterie im Alltag
Journalist*innen haben die verdammte Pflicht, dieses politische Handeln und natürlich auch die Rolle der Expert*innen und ihre Ansagen immer wieder zu hinterfragen. Aber bitte auf Tatsachenbasis. Nicht durch raunendes Argwöhnen und so eine milde panikverströmende Mystik, da seien neue Stahlgewitter für die Menschheit im Anmarsch. Das konnte Ernst Jünger sowieso schöner.
Gegen solch latente Hysterie im Alltag hilft, sich an das zu erinnern, worum es eigentlich geht: Liebe, Nahrung, Miteinander. Ist nicht von mir, ist von Silke Burmester. Komm zurück, wir brauchen dich!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga