Krise der Immobilienkonzerne: Holt Euch Vonovia & Co!
Die Immobilienkonzerne sind in der Krise, die Aktien im Keller. Es ist die Chance für den Staat, Einfluss zu erlangen oder Wohnungen zurückzukaufen.
D ass Wohnungen nicht an die Börse gehören, war zumindest Mieter:innen schon lange klar. In den vergangenen Monaten dürften auch einige Aktionär:innen zu dieser Einschätzung gekommen sein. Unisono sind die Aktien der großen Immobilienkonzerne in den Keller gerauscht: Vonovia, Aroundtown, LEG, Adler. Die Kapitalvernichtung gewinnt dabei immer weiter an Fahrt. Bauprojekte liegen auf Eis, an Sanierungen wird gespart, Immobilien werden abgewertet, Dividenden zusammengestrichen.
Die Gewerkschaft IG Bauen-Agrar-Umwelt frohlockte diese Woche in einer Mitteilung: „Die Luft bei deutschen Immobilienkonzernen ist raus – die Euphorie verflogen: Wohnungen sind die falsche Handelsware für die Börse.“ Größten Problem für die Konzerne sind die zuletzt stark gestiegenen Zinsen. Das macht Kredite teuer und die eh schon teils riesige Schuldenlast schwerer. Wachstumspotenziale sind kaum noch vorhanden. Zu allem Überfluss sinken in vielen Segmenten und Regionen die Immobilienpreise.
Für einen Einstieg oder gar die Übernahme dieser Konzerne war die Zeit nie günstiger. Wie lohnend das Geschäft wäre, zeigt ein Blick auf Vonovia. Im Zuge der Übernahme der Deutschen Wohnen verkaufte der Immobilienriese im September 2021 knapp 15.000 Wohnungen an das Land Berlin – für etwa 2,5 Milliarden Euro. Der Aktienkurs des Konzerns betrug damals etwa 53 Euro, nur knapp unter seinem Allzeithoch.
Anderthalb Jahre später ist Vonovias Aktienkurs überschaubarer: In dieser Woche hat er sich nach starken Verlusten bei etwa 17 Euro eingependelt. Der Wertverlust von 68 Prozent hat den Börsenwert des Unternehmens minimiert. Sämtliche Aktien des Unternehmens mit seinen bundesweit 550.000 Wohnungen sind gerade noch 13,5 Milliarden Euro wert.
Günstige Sperrminorität
Für noch nicht einmal 3,5 Milliarden Euro könnte der Staat jetzt also 25 Prozent plus eine Aktie des Unternehmens erwerben und damit eine Sperrminorität erlangen. So fordert es nun die IG BAU. Möglich wäre damit ein Einfluss auf die Strategie des Konzerns bei Neubau, Modernisierungen und Mietpreisentwicklung. „Nie war die Chance des Staates, seine Fehler wettzumachen, so günstig“ wie jetzt, so die Gewerkschaft. Selbst eine Komplettübernahme würde finanziell nicht übermäßig ins Gewicht schlagen und dem Staat auf Dauer eine solide Einnahmebasis bescheren.
Aber auch der Ankauf einzelner, großer Immobilienpakte, etwa in Berlin, könnte sich nun lohnen, zu Preisen, an die vor wenigen Monaten noch niemand zu hoffen wagte. Die bisherige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat immer wieder betont – zuletzt in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU –, dass dies der wirksamste Weg sei, um den kommunalen Bestand zu erhöhen.
Daneben gibt es selbstverständlich noch einen Weg, die Wohnungen den Konzernen zu entreißen: Die Enteignung. Mit sinkendem Unternehmenswert sinken auch die Entschädigungszahlungen, die, wie die Expertenkommission in ihrem Zwischenbericht bereits festgestellt hat, unter dem jeweiligen Marktpreis anzusiedeln sind. Doch die ideologischen Vorbehalte gegen diese günstigste Variante sind groß bei SPD und CDU.
Für die Mieter:innen ist es letztlich zweitrangig, wie die Wohnungen wieder dem Markt entzogen werden. Die Konzerne liegen am Boden. Es ist an der Zeit, das auszunutzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“