Krise bei Volkswagen: Deutschland ist mehr als Autoland

Der schwächelnde Konzern Volkswagen soll gerettet werden. Aber eine Form der Planwirtschaft ist dafür trotzdem keine gute Idee.

Ein VW-Arbeiter verschränkt die Hände hinter seinem Rücken

Bei VW gerät etwas ins Rutschen Foto: Thomas Köhler/photothek/imago

Menschen aus dem Osten musste der Volkswagenkonzern wie das Paradies erscheinen. Fette Löhne, moderate Arbeitszeiten, Firmenwagen, Reihenhäuschen. Dazu Mitbestimmung und Sicherheit – ein Arbeiterparadies, so so­zia­listisch, wie der real existierende Sozialismus nie war.

Doch jetzt gerät etwas ins Rutschen. Autos von VW verkaufen sich nicht mehr wie gehabt, die Marge der Kernmarke ist zuletzt auf magere 2,3 Prozent gesunken. Die Unternehmensführung hat den Tarifhausvertrag gekündigt – und mit ihm die seit Jahrzehnten bestehende Beschäftigungssicherung. Weil VW gerade gegenüber chinesischen E-Auto-Herstellern ins Hintertreffen geraten ist, werden schon Rufe nach planwirtschaftlichen Instrumenten laut.

Eine Planwirtschaft wie im Ostblock kann damit nicht gemeint sein. In der war alles zentral geplant, viele Konsumgüter waren Bückware. Reglementiert wurde bis zur letzten Schraube – und dann fehlten die Muttern. Weil die Preise staatlich festgelegt waren, konnten sie keine Auskunft über Mangel oder Überfluss geben. Technologisch innovativ war der Osten lediglich bei Waffen und in der Raumfahrttechnik, andere weltmarktfähige Produkte musste man mit der Lupe suchen.

Auch der chinesische Weg kann kein probates Mittel sein – es sei denn, man ist bereit, die deutschen Automobilhersteller in einem Maß zu pampern, wie es Peking mit der heimischen Autoindustrie tut. Laut einer Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft belaufen sich die chinesischen Subventionen gesamtwirtschaftlich auf das Drei- bis Neunfache dessen, was andere OECD-Länder ausgeben. Einer der größten Profiteure dieser Hilfen ist übrigens der chinesische Konzern BYD, der mittlerweile weltweit größte Produzent von Elektroautos.

Dabei wird die Entwicklung der E-Mobilität auch in Deutschland nicht allein dem Markt überlassen. Investitionen in nachhaltige Stromerzeugung und in die Ladeinfrastruktur werden gefördert, E-Autos für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit, Kaufprämien sollen wieder eingeführt werden. Das alles wird indes keine chinesischen Ausmaße annehmen. Das ist auch gut so, denn schon aus Gerechtigkeitsgründen wäre eine Vorzugsbehandlung der deutschen Autoindustrie schwer zu vermitteln. Vielleicht sollte man sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass die volkswirtschaftlich herausragende Stellung von VW & Co in eine Zeit fällt, die jetzt zu Ende geht.

Die deutsche Autoindustrie wird trotzdem nicht sterben, aber mit China steht ein ganz neuer Player auf dem Platz, der auch technologisch vorne mitmischt. Mobilität wird in Zukunft elektrisch sein – und Deutschland ist mehr als nur Autoland.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Stefan Mahlke ist Germanist und Historiker und verantwortlicher Redakteur des "Atlas der Globalisierung" von Le Monde diplomatique, der von der taz herausgegeben wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.